Talmudisches

Fieber und Heilmittel

Schon in der Antike wusste man, dass gegen hohes Fieber etwas unternommen werden muss. Foto: Getty Images/iStockphoto

Fieber im Winter ist stärker als Fieber im Sommer, lehrt uns Joma 29b und vergleicht dies mit einem Ofen: Je kälter der Ofen und damit auch seine Umgebung, desto mehr muss man einheizen, um entsprechend Hitze zu erzeugen. Ebenso sei es auch mit dem Fieber im menschlichen Körper. Wenn einer also im Winter hohes Fieber entwickelte, war dies ernster zu nehmen als eine erhöhte Körpertemperatur im Sommer.

Unabhängig davon erklärt Ravina, dass hohes Fieber immer gefährlich ist und daher zur Linderung auch Dinge erlaubt sind, deren Herstellung und Gebrauch ansonsten zum Beispiel am Schabbat verboten sind (Pessachim 25b), denn es geht um Pikuach Nefesch, die Rettung von Leben.

So sagt auch Rav Sutra im Namen von Rav, dass hohes Fieber mit einer inneren Verletzung gleichzusetzen sei und deswegen zu seiner Behandlung zur Not das Schabbatgebot übertreten werden dürfe (Avoda Sara 28a). Und wenn ein Arbeiter während seines Tagewerks von Fieber befallen wurde, sollte er trotzdem den vollen Lohn erhalten (Bava Mezia 77b), wie bei einem Unfall.

Entzündungen Was soll man tun, um das Fieber zu senken? Auf jeden Fall soll man alles meiden, was die Körpertemperatur weiter erhöht und was etwaige Entzündungen noch schlimmer macht. So solle jemand, der Fieber oder einen Abszess hat, nicht ins Badehaus gehen, womit wohl der Besuch des Dampfbads gemeint ist. Auch solle man bei Fieber keinen Aderlass vornehmen, weil der Körper dadurch zusätzlich geschwächt werde (Avoda Sara 28b/29a).

Kühlende Maßnahmen sind dagegen sinnvoll, zum Beispiel der Aufenthalt in Wasser (Gittin 67b). Rabbi Jehuda empfiehlt außerdem das Essen von Rettich.

Die Mutter von Rabbi Abaye, die offenbar über einige heilkundliche Erfahrung verfügte, bemerkt sehr richtig, dass ein Kranker schon am ersten Tag des Fiebers ausreichend Wasser trinken müsse. Diese Beobachtung entspricht der Gemara, die Fieber mit einem Feuer vergleicht, das Flüssigkeit verzehrt, nicht aber feste Stoffe (Joma 21b). Fieber dehydriert, und es macht appetitlos, wobei der Körper nicht gleich an Substanz verliert. Es schien den talmudischen Gelehrten daher, dass das Fieber sogar den Organismus erhalte, allerdings nur zwischen sechs und zwölf Tage (Sanhedrin 108b).

Allerdings sollte man einen Kranken auch nicht hungern lassen. Rabbi Abaye erklärt daher, indem er sich erneut auf seine Mutter beruft, dass man jemandem, der bereits drei Tage lang fieberte, gegrilltes rotes Fleisch mit verdünntem Wein zu essen geben solle (Gittin 67b), was vermutlich auch zur Stärkung des geschwächten Körpers gedacht war.

ROTE BETE Auch wenn damals die eigentlichen Ursachen für Entstehung und Verlauf einer Erkrankung noch nicht bekannt waren, so bestätigt doch die moderne Naturheilkunde vieles, was man schon in talmudischen Zeiten wusste. Dies gilt auch für manche der seinerzeit angewendeten Heilmittel. So weiß man heute, dass Rote Bete und auch andere Rübenarten tatsächlich gegen Fieber helfen, ebenso wie ein Sud aus Ahornblättern, wie im Talmud beschrieben (Gittin 69b).

Andere Dinge sind vermutlich weniger heilkräftig, sondern eher dem Bereich des Aberglaubens zuzuordnen, wie die Verwendung von Erde vom Grab des Rav oder das Einschließen einer lastentragenden Waldameise in ein Kupferrohr mit anschließendem Sprechen einer Beschwörungsformel (Schabbat 66b).

Andererseits finden wir im Talmud auch Kombinationen von tatsächlichen Heilmitteln wie der Anwendung von einem durchaus wirksamen Heilpflanzen-Sud in Verbindung mit einem für sich allein wohl kaum zur Heilung beitragenden Ritual oder einer Beschwörungsformel. Auch dies findet seine Entsprechung in der modernen Medizin. Denn bis heute bedient sich die Heilkunde erfolgreich immer wieder auch psychologischer Effekte bei der Behandlung von Krankheiten.

Kalender

Der unbekannte Feiertag

Oft heißt es, im Monat Cheschwan gebe es keine religiösen Feste – das gilt aber nicht für die äthiopischen Juden. Sie feiern Sigd

von Mascha Malburg  20.11.2025

Talmudisches

Gift

Was unsere Weisen über die verborgenen Gefahren und Heilkräfte in unseren Speisen lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  20.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025

Talmudisches

Torastudium oder weltliche Arbeit?

Was unsere Weisen über das rechte Maß zwischen Geist und Alltag lehren

von Detlef David Kauschke  14.11.2025

Chaje Sara

Bewusster leben

Sara hat gezeigt, dass jeder Moment zählt. Sogar ihr Schlaf diente einem höheren Ziel

von Samuel Kantorovych  13.11.2025

Spurensuche

Von Moses zu Moses zu Reuven

Vor 75 Jahren starb Rabbiner Reuven Agushewitz. Er verfasste religionsphilosophische Abhandlungen mit einer Intensität, die an Maimonides und Moses Mendelssohn erinnert. Wer war dieser Mann?

von Richard Blättel  13.11.2025