Talmudisches

Elefant

»Wer mehrere Elefanten im Traum sieht, dem werden Wunder über Wunder geschehen«, heißt es im Talmud. Foto: Getty Images

»Wer im Traum einen Elefanten sieht, dem werden Wunder geschehen«, heißt es im Talmud (Berachot 56b). Und: »Wer mehrere Elefanten im Traum sieht, dem werden Wunder über Wunder geschehen.« Hinter diesen zunächst überraschend anmutenden Aussagen verbirgt sich eine Symbolik, die den Elefanten sowohl in der jüdischen Tradition als auch in den Kulturen der Antike überhaupt umgibt.

In der hellenistischen Welt galten Elefanten als ungeheuerliche Erscheinungen – sie kamen in den Geschichten und Legenden des Westens vor allem in Erzählungen von entfernten Orten vor. In der griechischen Welt verband man sie vor allem mit den militärischen Aktionen des großen Makedonenkönigs Alexander, in römischen Kreisen fühlte man sich durch sie gewöhnlich an die Punischen Kriege erinnert, in denen Hannibal mit Kriegselefanten das Reich bedrohte. Daher wurde dieses besondere Säugetier vermehrt mit Macht und Stärke in Verbindung gebracht.

In dieser Form setzten auch die Seleukidenkönige Kriegselefanten zur Unterdrückung des Makkabäeraufstandes ein. Eindrücklich in diesem Kontext ist die Episode, wie Eleasar, der Sohn des Stammvaters der Hasmonäer, Matitjahu, in einer Schlacht den Seleukiden-König Antiochos IV. zu töten beabsichtigte, dabei jedoch von einem Elefanten zerdrückt wurde. Nach einer anderen Version in der Megillat Antiochos wird gar beschrieben, wie Eleasar in Elefantenkot ertrank – Bilder, die die gefährliche und bedrohliche Seite dieser Tiere eindrücklich unterstreichen.

Im Rahmen eschatologischer Vorstellungen der Antike spielt der Elefant als Zeichen der militärischen Macht im Judentum ebenfalls eine Rolle. Bekanntlich ließ Julius Caesar, der Vater der römischen Autokratie, Münzen auf seinen Namen prägen, die als Zeichen seiner wachsenden Machtentfaltung einen Elefanten zeigen, der eine Schlange zertritt.

Der herausragenden Gestalt des Elefanten geschuldet, ist es auch nicht überraschend, dass dieser in der Halacha eine besondere Stellung einnimmt.

Auch in jüdischen Kreisen war es naheliegend, den Elefanten zuweilen in eine Ecke mit dem Ungeheuer aus dem biblischen Buch Daniel zu stellen, das in dessen Visionen das »vierte Königreich« symbolisiert, das vor dem Kommen des Messias die Welt beherrschen soll. Dieses monströse vierte Tier wurde von der rabbinischen Tradition mit dem Römischen Reich in Verbindung gebracht – eine Vorstellung, die von ihnen zwar nicht direkt, aber vielleicht in einem gewissen Sinne ebenfalls durch den Elefanten verkörpert werden konnte.

Der herausragenden Gestalt des Elefanten geschuldet, ist es auch nicht überraschend, dass dieser in der Halacha eine besondere Stellung einnimmt. Der Talmud ordnet ihm − wie auch anderen exotischen Geschöpfen − einen Segensspruch zu: »Die Rabbanan lehrten: Wer einen Elefanten (…) sieht, der spreche die Beracha: ›Gesegnet sei derjenige, der die Geschöpfe vielfältig geschaffen hat‹« (Berachot 58b).

Der Elefant, der traditionell als unheilvolles Wesen betrachtet wird, erhält hier eine positive Umdeutung als Ausdruck der Größe der Schöpfungskraft Gottes. In diesem Sinne ist dann auch die oben genannte Stelle bezüglich desjenigen, der Elefanten im Traum erblickt, besser verständlich.

Obwohl der Elefant eigentlich Unheil verheißend sein könnte, wird er zu einem Zeichen des Glücks und göttlichen Wohlgefallens umgedeutet. Dies ist deshalb möglich, weil die talmudischen Weisen das Prinzip vertraten, man müsse selbst negative Träume stets positiv auslegen, um das Potenzial für prophetische Einsichten, das in ihnen verborgen liegen mag, auf konstruktive Weise zu nutzen. In unserem Fall greifen die Weisen dabei das hebräische Wort für Elefant – »Pil« – auf und schaffen durch ein Wortspiel eine Verbindung zum Wort »Pele«, das »Wunder« bedeutet.

So wird die mächtige Erscheinung des Elefanten gleichzeitig zu einem Träger beängstigender und bewundernswerter Eigenschaften.

Bereschit

Die Freiheit der Schöpfung

G’tt hat für uns die Welt erschaffen. Wir haben dadurch die Möglichkeit, sie zu verbessern

von Rabbiner Avichai Apel  17.10.2025

Talmudisches

Von Schuppen und Flossen

Was unsere Weisen über koschere Fische lehren

von Detlef David Kauschke  17.10.2025

Bracha

Ein Spruch für den König

Als der niederländische Monarch kürzlich die Amsterdamer Synagoge besuchte, musste sich unser Autor entscheiden: Sollte er als Rabbiner den uralten Segen auf einen Herrscher sprechen – oder nicht?

von Rabbiner Raphael Evers  17.10.2025

Mussar-Bewegung

Selbstdisziplin aus Litauen

Ein neues Buch veranschaulicht, wie die Lehren von Rabbiner Israel Salanter die Schoa überlebten

von Yizhak Ahren  17.10.2025

Michael Fichmann

Essay

Halt in einer haltlosen Zeit

Wenn die Welt wankt und alte Sicherheiten zerbrechen, sind es unsere Geschichte, unsere Gebete und unsere Gemeinschaft, die uns Halt geben

von Michael Fichmann  16.10.2025

Sukka

Gleich gʼttlich, gleich würdig

Warum nach dem Talmud Frauen in der Laubhütte sitzen und Segen sprechen dürfen, es aber nicht müssen

von Yizhak Ahren  06.10.2025

Chol Hamo’ed Sukkot

Dankbarkeit ohne Illusionen

Wir wissen, dass nichts von Dauer ist. Genau darin liegt die Kraft, alles zu feiern

von Rabbiner Joel Berger  06.10.2025

Tradition

Geborgen unter den Sternen

Mit dem Bau einer Sukka machen wir uns als Juden sichtbar. Umso wichtiger ist es, dass wir unseren Nachbarn erklären können, was uns die Laubhütte bedeutet

von Chajm Guski  06.10.2025

Sukkot

Fest des Vertrauens

Die Geschichte des Laubhüttenfestes zeigt, dass wir auf unserem ungewissen Weg Zuversicht brauchen

von Rabbinerin Yael Deusel  06.10.2025