Talmudisches

Elasar ben Dordai und die Prostituierte

Rabbi Elasar erkannte die g’ttliche Botschaft, die ihm durch die Prostituierte übermittelt worden war, und zog daraus Konsequenzen. Foto: Thinkstock

Im Traktat Awoda Sara 17a erzählt der Talmud eine Geschichte von Rabbi Elasar ben Dordai. Dessen Lebensziel bestand darin, weltweit mit jeder Prostituierten zu schlafen. Als er eines Tages hörte, in einem fernen Land gebe es eine Hure, die einen Beutel voller Dinare als Lohn für ihre Dienste verlange, sparte er so lange, bis er das Geld zusammenhatte, und überquerte sieben Flüsse, um zu ihr zu gelangen. Keine Mühe war ihm zu groß, kein Geld zu schade.

Als sie einander näherkamen, ließ die Prostituierte, die unter Blähungen litt, ihre Winde fahren und sprach: »Wie wenig dieser Wind an seine Stelle zurückkehren wird, so wenig wird man Elasar ben Dordai durch seine Buße wieder aufnehmen.« Mit anderen Worten: Elasar ben Dordai ist so tief in der Sünde versunken, dass es für ihn keinen Weg zurück gibt, also keine Möglichkeit mehr, Teschuwa zu üben und umzukehren.

Erbarmen Da wurde Elasar ben Dordai sehr nachdenklich. Er nahm seine Kleider und verließ die Frau. Er lief ins Gebirge und rief: »Berge und Hügel, helft mir und bittet für mich um Erbarmen!« Sie erwiderten: »Ehe wir für dich bitten, möchten wir für uns selbst bitten, denn es heißt: ›Berge werden weichen und Hügel wanken‹« (Jeschajahu 54,10).

Also rief Elasar ben Dordai den Himmel und die Erde an: »Helft mir, bittet für mich um Erbarmen!« Doch sie erwiderten ebenfalls: »Ehe wir für dich bitten, möchten wir für uns selbst bitten, denn es heißt: ›Der Himmel wird wie Rauch zerstieben und die Erde wie ein Gewand zerfallen‹« (Jeschajahu 51,6).

Daraufhin sprach Elasar: »Sonne und Mond, helft mir und bittet für mich um Erbarmen!« Doch auch sie erwiderten: »Ehe wir für dich bitten, möchten wir für uns selbst bitten, denn es heißt: ›Blass bleibt der Mond, beschämt die Sonne‹« (Jeschajahu 24,23).

Schließlich rief Elasar: »Sterne und Sternbilder, helft mir und bittet für mich um Erbarmen!« Doch auch von ihnen bekam er dieselbe Antwort: »Ehe wir für dich bitten, möchten wir für uns selbst bitten, denn es heißt: ›Und das ganze Heer des Himmels wird zergehen‹« (Jeschajahu 34,4).

Weinen Hierauf rief Elasar ben Dordai: »Ich bin auf mich allein gestellt.« Er senkte seinen Kopf zwischen die Knie – damit wollte er zeigen, dass er wieder genauso rein und sündenfrei werden möchte wie ein Fötus, der in so einer Position weilt – und weinte laut. So lange, bis seine Seele ihn verließ.

Die Sünde war zu einem derart großen Teil seiner selbst geworden, dass, nachdem er Teschuwa geübt hatte und von der Sünde freigeworden war, nichts mehr von ihm übrig blieb und er diese Welt verlassen musste. Da ertönte die g’ttliche Stimme und sprach: »Rabbi Elasar ben Dordai ist für das Leben in der zukünftigen Welt vorgesehen!«

Als der große Gelehrte Rabbi Jehuda Hanassi die Geschichte hörte, weinte er und sprach: »Mancher erwirbt seine zukünftige Welt in vielen Jahren, und mancher erwirbt sie in nur einer Stunde.« Ferner sagte er: »Es ist nicht nur so, dass man Elasar ben Dordais Buße annimmt, man nennt ihn auch Rabbi.«

Botschaften Die Kommentatoren erklären, warum Jehuda Hanassi geweint hat. Er weinte, weil wir alle ständig Botschaften von G’tt bekommen, die uns dazu ermutigen sollen, unser sündhaftes Verhalten zu unterlassen und zu Ihm auf den rechten Weg zurückzukehren.

Rabbi Elasar erkannte die g’ttliche Botschaft, die ihm durch die Prostituierte übermittelt worden war, und zog daraus Konsequenzen. Doch nur sehr wenige von uns sind in der Lage, derartige Botschaften zu erkennen. Und noch weniger sind bereit, sie umzusetzen, Buße zu tun und umzukehren.

Aus diesem Grund weinte Jehuda Hanassi. Er betonte, dass wir die Möglichkeit haben, in nur einer Stunde der Buße und Teschuwa einen spirituellen Berg zu erklimmen. Dann wird G’tt uns versprechen, dass wir in die kommende Welt kommen und uns den Titel »Rabbi« verleihen, so wie es bei Rabbi Elasar ben Dordai geschah.

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