Talmudisches

Elasar ben Dordai und die Prostituierte

Rabbi Elasar erkannte die g’ttliche Botschaft, die ihm durch die Prostituierte übermittelt worden war, und zog daraus Konsequenzen. Foto: Thinkstock

Talmudisches

Elasar ben Dordai und die Prostituierte

Wie ein Mann innerhalb einer Stunde seine zukünftige Welt erwarb

von Rabbiner Avraham Radbil  18.09.2017 10:52 Uhr

Im Traktat Awoda Sara 17a erzählt der Talmud eine Geschichte von Rabbi Elasar ben Dordai. Dessen Lebensziel bestand darin, weltweit mit jeder Prostituierten zu schlafen. Als er eines Tages hörte, in einem fernen Land gebe es eine Hure, die einen Beutel voller Dinare als Lohn für ihre Dienste verlange, sparte er so lange, bis er das Geld zusammenhatte, und überquerte sieben Flüsse, um zu ihr zu gelangen. Keine Mühe war ihm zu groß, kein Geld zu schade.

Als sie einander näherkamen, ließ die Prostituierte, die unter Blähungen litt, ihre Winde fahren und sprach: »Wie wenig dieser Wind an seine Stelle zurückkehren wird, so wenig wird man Elasar ben Dordai durch seine Buße wieder aufnehmen.« Mit anderen Worten: Elasar ben Dordai ist so tief in der Sünde versunken, dass es für ihn keinen Weg zurück gibt, also keine Möglichkeit mehr, Teschuwa zu üben und umzukehren.

Erbarmen Da wurde Elasar ben Dordai sehr nachdenklich. Er nahm seine Kleider und verließ die Frau. Er lief ins Gebirge und rief: »Berge und Hügel, helft mir und bittet für mich um Erbarmen!« Sie erwiderten: »Ehe wir für dich bitten, möchten wir für uns selbst bitten, denn es heißt: ›Berge werden weichen und Hügel wanken‹« (Jeschajahu 54,10).

Also rief Elasar ben Dordai den Himmel und die Erde an: »Helft mir, bittet für mich um Erbarmen!« Doch sie erwiderten ebenfalls: »Ehe wir für dich bitten, möchten wir für uns selbst bitten, denn es heißt: ›Der Himmel wird wie Rauch zerstieben und die Erde wie ein Gewand zerfallen‹« (Jeschajahu 51,6).

Daraufhin sprach Elasar: »Sonne und Mond, helft mir und bittet für mich um Erbarmen!« Doch auch sie erwiderten: »Ehe wir für dich bitten, möchten wir für uns selbst bitten, denn es heißt: ›Blass bleibt der Mond, beschämt die Sonne‹« (Jeschajahu 24,23).

Schließlich rief Elasar: »Sterne und Sternbilder, helft mir und bittet für mich um Erbarmen!« Doch auch von ihnen bekam er dieselbe Antwort: »Ehe wir für dich bitten, möchten wir für uns selbst bitten, denn es heißt: ›Und das ganze Heer des Himmels wird zergehen‹« (Jeschajahu 34,4).

Weinen Hierauf rief Elasar ben Dordai: »Ich bin auf mich allein gestellt.« Er senkte seinen Kopf zwischen die Knie – damit wollte er zeigen, dass er wieder genauso rein und sündenfrei werden möchte wie ein Fötus, der in so einer Position weilt – und weinte laut. So lange, bis seine Seele ihn verließ.

Die Sünde war zu einem derart großen Teil seiner selbst geworden, dass, nachdem er Teschuwa geübt hatte und von der Sünde freigeworden war, nichts mehr von ihm übrig blieb und er diese Welt verlassen musste. Da ertönte die g’ttliche Stimme und sprach: »Rabbi Elasar ben Dordai ist für das Leben in der zukünftigen Welt vorgesehen!«

Als der große Gelehrte Rabbi Jehuda Hanassi die Geschichte hörte, weinte er und sprach: »Mancher erwirbt seine zukünftige Welt in vielen Jahren, und mancher erwirbt sie in nur einer Stunde.« Ferner sagte er: »Es ist nicht nur so, dass man Elasar ben Dordais Buße annimmt, man nennt ihn auch Rabbi.«

Botschaften Die Kommentatoren erklären, warum Jehuda Hanassi geweint hat. Er weinte, weil wir alle ständig Botschaften von G’tt bekommen, die uns dazu ermutigen sollen, unser sündhaftes Verhalten zu unterlassen und zu Ihm auf den rechten Weg zurückzukehren.

Rabbi Elasar erkannte die g’ttliche Botschaft, die ihm durch die Prostituierte übermittelt worden war, und zog daraus Konsequenzen. Doch nur sehr wenige von uns sind in der Lage, derartige Botschaften zu erkennen. Und noch weniger sind bereit, sie umzusetzen, Buße zu tun und umzukehren.

Aus diesem Grund weinte Jehuda Hanassi. Er betonte, dass wir die Möglichkeit haben, in nur einer Stunde der Buße und Teschuwa einen spirituellen Berg zu erklimmen. Dann wird G’tt uns versprechen, dass wir in die kommende Welt kommen und uns den Titel »Rabbi« verleihen, so wie es bei Rabbi Elasar ben Dordai geschah.

Wajera

Awrahams Vermächtnis

Was wir vom biblischen Patriarchen über die Heiligkeit des Lebens lernen können

von Rabbiner Avraham Radbil  07.11.2025

Talmudisches

Rabbi Meirs Befürchtung

Über die falsche Annahme, die Brachot, die vor und nach der Lesung gesprochen werden, stünden im Text der Tora

von Yizhak Ahren  07.11.2025

Festakt

Ministerin Prien: Frauen in religiösen Ämtern sind wichtiges Vorbild

In Berlin sind zwei neue Rabbinerinnen ordiniert worden

 06.11.2025

Chassidismus

Im Sturm der Datenflut

Was schon Rabbi Nachman über Künstliche Intelligenz wusste

von Rabbiner David Kraus  06.11.2025

Rezension

Orthodoxer Rebell

Sein Denken war so radikal, dass seine Werke nur zensiert erschienen: Ein neues Buch widmet sich den Thesen von Rabbiner Kook

von Rabbiner Igor Mendel  06.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Lech Lecha

Im Sinne der Gerechtigkeit

Awraham war der Erste in der Menschheitsgeschichte, der gegen das Böse aufstand

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  31.10.2025