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Du sollst deinen Nächsten nicht googeln

Suchbegriff: Shlomo Foto: Frank Albinus

Mithilfe einer Internet-Suchmaschine wie Google öffentlich zugängliche Informationen ausfindig zu machen ist so normal geworden, dass wir sogar ein neues Verb dafür erfunden haben: googeln. Aber wie so oft in unserer sich rasant wandelnden Welt, läuft die Technologie unserer Ethik und Etikette immer ein Stück voraus. Lassen Sie uns die Probleme, die die verschiedenen Arten der Websuche mit sich bringen, näher in Augenschein nehmen.

Im jüdischen Gesetz bedeutet die Tatsache, dass Informationen frei verfügbar sind, nicht, dass man sie nach Belieben verbreiten darf. Es gibt zwei Bereiche, wo der Schutz der Privatsphäre auf Informationen ausgedehnt wird, die nicht geheim sind.

Verbot Der eine Bereich ist das Verbot von Geschwätz und übler Nachrede. Die Tora lehrt: »Du sollst deinen Stammesgenossen nicht verleumden« (3. Buch Moses 19,16). Der Kommentar von Raschi erläutert, ein Schwätzer (rochel) sei wie ein Spion (rogel), der von Haus zu Haus geht, sich das Gerede über jemanden anhört und den Tratsch dann weiterträgt. Die Informationen sind bekannt, aber der Schwätzer fügt sie zusammen und verbreitet sie weiter. Das jüdische Gesetz verbietet überflüssiges Geschwätz über persönliche Dinge, selbst wenn die Informationen an sich nicht verleumderisch sind, denn die Menschen wollen nicht, dass ihr Privatleben an die Öffentlichkeit gezerrt wird.

Der zweite Bereich ist die Privatsphäre zwischen Nachbarn. Im Talmud heißt es, der Verlust der Privatsphäre (wörtlich: Schädigung durch Sehen) sei »eine Art der Schädigung«. Dieses Gesetz hat zur Folge, dass Nachbarn gezwungen werden können, für eine abschirmende Mauer oder Hecke zu bezahlen, damit sie nicht in den Innenhof des Nachbarn blicken können. Selbst wenn der geschützte Bereich zur Straße hin für Passanten einsehbar ist, bedeutet die freie Sicht des Nachbarn eine größere Verletzung der Privatsphäre, denn der Nachbar kann Tag und Nacht in den Hof sehen.

Information Diese Quellen können ohne Weiteres auch auf die Websuche angewandt werden. In beiden Fällen existiert ein Unterschied zwischen der zufälligen und legitimen Wahrnehmung öffentlich zugänglicher Informationen – etwa wenn man eine beiläufige Bemerkung in einem Gespräch überhört oder das Treiben eines Menschen im Vorübergehen beobachtet – und der verbotenen Praxis, ganz gezielt Informationen zu sammeln und zu verbreiten, zum Beispiel durch das unablässige Beobachten eines Nachbarn oder das gewohnheitsmäßige Ausbreiten von Klatsch.

Im Fall der Websuche ist eine einfache Namenssuche zulässig, um etwas über die für alle sichtbaren Aktivitäten des Betroffenen zu erfahren. Dies entspricht heutzutage einer einfachen, an einen gemeinsamen Freund gerichteten Frage, ohne gezieltes Nachbohren, um Einzelheiten in Erfahrung zu bringen, die jenseits dem leicht Zugänglichen liegen. In der Frühzeit der Websuche war vielleicht sogar das fragwürdig, denn die Menschen stellten Mitteilungen über sich und andere in private Websites, ohne sich klarzumachen, dass diese Daten für den ganzen Cyberspace zugänglich waren, und ohne über eine simple Methode zu verfügen, die Informationen wieder zu entfernen. Heutzutage sind die Menschen besser über diese Suchmaschinen informiert und eher in der Lage, Auskünfte über sich selbst abzuschirmen. Die Suchmaschinen haben auch die Möglichkeit erleichtert, in den Suchergebnissen Informationen zu blockieren oder sie daraus zu entfernen. Meiner Meinung nach sind diese Schutzmaßnahmen ausreichend, um eine einfache Websuche zulässig zu machen.

Wissen Etwas anderes ist es, wenn man gezielt darangeht, alles verfügbare öffentliche Wissen über jemanden aufzudecken. Zum Beispiel könnten die aus einer einfachen Suche gewonnenen Angaben genutzt werden, um andere Websites zu identifizieren, auf denen Informationen eingetragen sind, die von den Suchmaschinen blockiert sind, oder um Web-Decknamen zu identifizieren, die jemand verwendet, um seine Identität zu verschleiern. Im Fall einer Privatperson wäre dies verboten.

Es besteht ein Unterschied zwischen einem kurzen Blick und einer eingehenden Untersuchung. Ebenso gibt es einen Unterschied zwischen der oberflächlichen Prüfung leicht zugänglicher Informationen und dem gezielten Auskundschaften privater Informationen über eine Einzelperson, aus dem im Handumdrehen eine Verletzung der Privatsphäre werden kann.

Ich glaube, es ist eine miserable Idee, vor der ersten Verabredung nach jemandem zu »googeln«, wenn diese Person von einem gemeinsamen Freund empfohlen wurde. Ein solches Nachforschen ruiniert das Geheimnis und die Romantik einer neuen Bekanntschaft und schafft eine missliche Asymmetrie in dem, was jeder der beiden vom anderen weiß. Außerdem entstehen auf diese Weise vorgefasste Meinungen, die für die objektive Beurteilung der neuen Bekanntschaft ein Hindernis darstellen.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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