Emor

Die Wahrheit verbreiten

Awraham, Jizchak und Jakow waren bereit, in schwierigen Lebenslagen den Namen des Ewigen zu heiligen

von Nehorai Daus  30.04.2021 14:21 Uhr

»La Bocca della Verita« (Der Mund der Wahrheit): antikes Marmorrelief in Rom Foto: Getty Images/iStockphoto

Awraham, Jizchak und Jakow waren bereit, in schwierigen Lebenslagen den Namen des Ewigen zu heiligen

von Nehorai Daus  30.04.2021 14:21 Uhr

In unserer Parascha wird über fast alle Feiertage sowie über den Schabbat geschrieben, und es wird befohlen, sie einzuhalten. Doch eine Besonder-heit, die hier auftaucht, ist der Begriff »Kiddusch Haschem«, G’tt zu heiligen.

In der Tora steht: »Seinen Namen unter den Kindern Israels zu heiligen«. Doch eigentlich bedeutet es, »Seinen Namen zu verbreiten«.

Der erste Mensch, der den Namen des Ewigen verbreitete, war unser Urvater Awraham. Er war der Erste, der die Wahrheit erkennen wollte. Der Midrasch schreibt, dass Awraham drei Jahre alt war, als er anfing, nach einer Antwort darauf zu suchen, wer die Welt erschaffen hat. Nachdem er herausgefunden hatte, dass es nur einen Schöpfer gibt, verbreitete er den Glauben an Haschem in der ganzen Welt.

MIDRASCH In einem bekannten Midrasch fragt Awraham seinen Vater Terach: »Wer hat uns und die ganze Welt erschaffen?« Terach zeigt auf Statuen aus Holz und Stein und sagt, diese hätten die Welt und die Menschen erschaffen.

Was tut Awraham daraufhin? Er bittet seine Mutter, eine Mahlzeit zuzubereiten, damit er sie den Götzen geben könne. Doch er sieht, dass sie sie nicht anrühren. Also nimmt er einen Hammer und zerschlägt alle Götzen, nur die größte Statue lässt er ganz und legt ihr den Hammer in die Hand, und die Mahlzeit steht noch vor der großen Statue.

Als Terach den Lärm hört und Awraham sieht, der gerade den Raum verlässt, in dem die Statuen alle zerstört sind, fragt er seinen Sohn, was passiert sei. Awraham antwortet, die große Statue habe gesehen, dass die anderen Götzen die Mahlzeit essen wollten, und da hat sie alle anderen zerstört.

Terach antwortet, das sei nur Holz und Stein, sie könnten sich nicht bewegen, sie seien schließlich nicht lebendig!

Daraufhin antwortet Awraham: »Wie kannst du dann sagen, so etwas habe die Menschen und die Welt erschaffen?«

Berater Da wurde Terach böse auf Awraham und überließ ihn Nimrod, dem König. Die Berater des Königs sagten, man solle ihn ins Feuer werfen, das drei Tage und drei Nächte brennen würde.

Da kamen viele Menschen, die sich die Vollstreckung dieses Urteils ansehen wollten (dem Midrasch zufolge waren es an die 900.000). Awraham wurde ins Feuer geworfen – doch er verbrannte nicht. Die Menschen sahen, dass Awraham im Feuer herumspazierte, und sie erzählten es dem König.

Da kam Nimrod, um es mit eigenen Augen zu sehen – und war erstaunt. Wie konnte es sein, dass Awraham nicht verbrannte? Also befahl er, ihn aus dem Feuer zu holen. Doch diejenigen, die versuchten, ihn herauszuholen, verbrannten selbst.

Da rief Nimrod zu Awraham: »Komm heraus, Awraham, Diener des Ewigen, der im Himmel ist!« Awraham hörte auf ihn und kam heraus.

Da fragte Nimrod ihn: »Wie ist es möglich, dass das Feuer dich nicht verbrannt hat?« Awraham antwortete, dass Haschem, der G’tt über Himmel und Erde, ihn gerettet habe. Von diesem Tag an folgten viele Menschen Awraham und glaubten ebenfalls an Haschem. Die Gemara berichtet von einer Unterhaltung zwischen Haschem und der Versammlung Israels. Sie sagte vor G’tt: »Herr der Welt, tu mir einen Gefallen, weil ich Dich in der Welt bekannt gemacht habe.« Da antwortete der Ewige: »Meine Güte gilt nicht dir, sondern nur Awraham, Jizchak und Jakow, die mich als Erste in der Welt bekannt gemacht haben« (Tehilim 16,2).

Man könnte jetzt fragen: Was ist so besonders daran, als Erster Haschems Namen zu verbreiten? Und wieso werden Jizchak und Jakow auch genannt? Der Erste war doch schließlich Awraham?

Dimension Die Antwort ist: Bei jedem unserer drei Urväter trat bei der Verbreitung des g’ttlichen Namens eine neue Dimension zutage. Awraham war der Erste, der sein Leben geopfert hat, auch wenn man argumentieren könnte, dass Awraham doch darauf vertraute, dass Haschem ihn aus dem Feuer retten würde. Deswegen zweifelte er auch nicht und sprang ins Feuer.

Doch Jizchak wusste, dass Haschem Awraham befohlen hatte, ihn zu opfern; er konnte nicht ahnen, dass Haschem schließlich sagen würde, er solle es lassen und ihn nicht töten. Dies zeigt eine ganz neue Stärke im Glauben von Jizchak. Durch seinen Willen, sich für Haschem zu opfern, machte er einen einzigartigen »Kiddusch Haschem«.

Jakow schließlich war der Erste, der seinen »Kiddusch Haschem« dadurch machte, dass er in den vielen Jahren, die er bei Lawan, seinem Onkel, verbrachte, nicht von Haschems Wegen abkam. Er hielt sich an die Mizwot, auch wenn Lawan immer wieder versuchte, ihn davon abzubringen. Jakows Kiddusch Haschem bestand darin, stark zu sein und die Tora und die Mizwot zu halten, auch wenn es schwer ist.

Jakow zeigte eine neue Dimension der Stärke, die es bei Awraham und Jizchak so nicht gab. Beide wurden nur über eine kurze Zeit lang getestet, in der sie ihren Glauben bewiesen, doch Jakow war 20 Jahre lang bei Lawan und hielt an Haschems Weg fest.

STÄRKE Jetzt verstehen wir, dass alle drei Urväter auf ihre jeweils eigene Art die Ersten waren, die die Mizwa von Kiddusch Haschem erfüllten.

Und dies beantwortet auch unsere Frage. Jeder Einzelne zeigte eine neue Dimension des Glaubens, eine besondere Art der Stärke, mit der er seinen Kiddusch Haschem vollbrachte.

Und dies ist das Besondere an unseren Vätern im Gegensatz zu anderen, die Kiddusch Haschem gemacht haben: Alle, die nach ihnen kamen, können sagen, sie haben sich so geopfert wie unsere Väter Awraham, Jizchak und Jakow. Doch unsere Urväter konnten sich nicht sicher sein, dass sie gerettet werden würden. Aus diesem Grund war ihr Kiddusch Haschem viel größer, als wir ihn je erreichen können, und deshalb sagte der Ewige in der oben genannten Stelle, dass nur ihnen seine Güte gilt.

Die Mizwa von Kiddusch Haschem ist eine sehr große und bedeutende Mizwa, auch wenn es uns unmöglich sein wird, das Niveau unserer Urväter zu erreichen.

Wenn wir also die Gelegenheit haben, diese Mizwa zu erfüllen, sollten wir sie ergreifen. Es gibt viele Gelegenheiten im Leben, den Namen des Ewigen zu heiligen, sei es auf Arbeit oder zu Hause oder wo immer man gerade sein mag. Es wäre schade, diese Gelegenheit verstreichen zu lassen.

Möge einem jeden von uns das Privileg zuteilwerden, den Namen des Himmels, den Namen Haschems, in der Menge zu heiligen, ja zu verbreiten.

Der Autor studiert am Rabbinerseminar zu Berlin.


inhalt
Am Anfang des Wochenabschnitts Emor stehen Verhaltensregeln für die Priester und ihre Nachkommen. Ferner wird beschrieben, wie die Opfertiere beschaffen sein müssen. Außerdem werden kalendarische Angaben zu den Feiertagen gemacht: Schabbat, Rosch Haschana, Jom Kippur und die Wallfahrtsfeste Pessach, Schawuot und Sukkot werden festgelegt. Gegen Ende des Wochenabschnitts wird erzählt, wie ein Mann den G’ttesnamen ausspricht und für dieses Vergehen mit dem Tod bestraft wird.
3. Buch Mose 21,1 – 24,23

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