Talmudisches

Die Kraft der Natur

Zur Behandlung einer bestimmten Augenerkrankung verwendete man Antimon, wie es in der Antike in Kajalstiften vorkam. Foto: Getty Images/iStockphoto

In der modernen Medizin werden neben zahlreichen chemischen Medikamenten auch natürliche Arzneimittel verwendet. Doch schon die talmudischen Weisen wussten einiges über Heilpflanzen und auch um die Wirkkraft mineralischer und anderer Naturheilmittel zur Behandlung diverser Leiden.

So wird in Gittin 68b gegen Kopfschmerzen ein Aufguss mit einem Pflanzensud aus Zypresse, Bachweide, frischer Myrte, Olive, Pappel, Rosmarin und einer Grasart empfohlen. Damit sollte man den Kopf des Leidenden mehrfach sanft übergießen. Die lindernde Wirkung lag dabei wohl in der Kombination von Wasserguss und ätherischen Pflanzenölen, ähnlich wie bei einer Balneotherapie. Sollten die Kopfschmerzen weiterbestehen, wurde als Nächstes empfohlen, weiße Rosenblätter abzukochen und mit dem Extrakt erneut die Schläfen zu übergießen.

Rosenöl gilt heute als wichtige Substanz in der Aromatherapie zur Beruhigung und Förderung seelischer Ausgeglichenheit, und wässrige Auszüge aus Pflanzenextrakten sind bis heute Bestandteile von regulären Arzneimitteln.

Die Weisen der Antike warnen davor, Heilmittel unkontrolliert anzuwenden

Wohl warnen bereits die Geonim davor, solche Heilmittel unkontrolliert anzuwenden, bevor ein Arzt die Unbedenklichkeit bescheinigt habe. Spätere Gelehrte haben deren Verwendung sogar verboten, da man die genaue Zusammensetzung aus talmudischer Zeit nicht mehr kannte. Vielleicht hatte man aber auch nur die äußerliche Anwendung mit der oralen Einnahme eines solchen Pflanzensuds verwechselt, und das womöglich in einer schädlichen Dosis.

Zur Behandlung einer bestimmten Augenerkrankung verwendete man eine exakt dosierte Menge von Antimon, wie es in der Antike für gewöhnlich in Kajalstiften vorkam. Antimon wirkt gegen Entzündungen, vor allem solche, die von Parasiten verursacht werden. Zwar meinten manche Ausleger, hier (Gittin 69a) sei die Behandlung von erhöhtem Augeninnendruck, dem Glaukom, beschrieben, Raschi (1040–1105) spricht dagegen von Katarakt, einer Linsentrübung. Vermutlich ist aber von Augeninfektionen die Rede, die unbehandelt ebenso zur Erblindung führen können wie Glaukom oder Katarakt.

Dass dem Antimon noch eine Prise von zerriebenem getrockneten Skorpion beigemengt wurde, erinnert zunächst eher an Zaubertränke als an seriöse Heilmittel. Doch könnte dies tatsächlich eine positive Wirkung auf das zu behandelnde Auge gehabt haben, möglicherweise im Sinn eines Lokalanästhetikums zur Linderung von Augenschmerzen. Dass im Talmud eine ganz bestimmte Skorpionart für diesen Zweck genannt wird, hängt mit der sehr unterschiedlichen Wirkung des Giftes von einzelnen Skorpiongattungen zusammen. Dabei war auf jeden Fall auch die strikte Einhaltung der beschriebenen Dosierung von entscheidender Bedeutung.

Gegen hartnäckiges Nasenbluten sollte eine Tamponade der Nasenlöcher mit Wolle eingesetzt werden, welche man zuvor mit Essig getränkt und in der Asche einer Pflanzenmischung gewälzt hatte, bestehend aus Safran, Kleewurzeln, Papyrus, dem Blattansatz eines Palmzweigs und einem Strick von einem alten Bett, wobei Letzterer vermutlich aus Hanffasern bestand. Die Tamponade wirkte blutstillend, wenn alle vorherigen Versuche vergeblich gewesen waren.

Schon der Talmud kannte die Heilkraft der Kamille

Dass Kamille gegen Entzündungen der Mundschleimhaut hilft, war unseren Weisen ebenfalls schon bekannt. Aber auch Bertramswurzel wird hier genannt. Diese fördert den Speichelfluss, unterstützt die Wundheilung und stärkt das Immunsystem. Blasen in der Mundhöhle behandelte man mit einer Mischung aus grober Kleie, ungewaschenen Linsen, Bockshornklee und Hopfenblüten.

Kleie und Linsen förderten wohl mechanisch eine Blaseneröffnung, während die Hopfenblüte vermutlich eher eine Beruhigung des Kranken bewirkte. Spannend ist die Verwendung von Bockshornklee. Heute wissen wir, dass er als milder Blutzuckersenker bei Diabetes wirkt und so zur Behandlung einer Entzündung beitragen kann.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Balak

Stärke in Zeiten der Entscheidung

Wie eine uralte Prophezeiung Israels Wesen prägt

von Yonatan Amrani  11.07.2025

17. Tamus

Das ist erst der Anfang

Nun beginnt die jährliche Trauerzeit. Sie soll auf Größeres vorbereiten

von Rabbiner Raphael Evers  11.07.2025

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  10.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Talmudisches

Eifersucht: Das bittere Wasser

Unsere Weisen und ein altes Ritual

von Chajm Guski  10.07.2025

Nahost

»Öl ins Feuer des anwachsenden Antisemitismus«

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt wirft der evangelischen Kirche moralisches Versagen vor und kritisiert eine Erklärung des Weltkirchenrats, in der Israel »dämonisiert« werde

 05.07.2025

Chukat

Ein Tier, das Reinheit schafft

Wir können die Mizwa der Roten Kuh nicht verstehen – aber ihre Bedeutung erahnen

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  04.07.2025

Talmudisches

Die weibliche Idee hinter König David

Was Kabbalisten über Eschet Chajil, die tüchtige Frau, lehren

von Vyacheslav Dobrovych  04.07.2025