Talmudisches

Der stille Ort

Vor dem Klo machte auch ein gewisser Aberglaube nicht halt.

Talmudisches

Der stille Ort

Was die Rabbinen über Toiletten schrieben

von Rabbinerin Yael Deusel  25.10.2019 09:31 Uhr

Der Tora wie auch dem Talmud ist nichts Menschliches fremd, so auch der Umstand, dass ein Mensch gelegentlich seine Notdurft verrichten muss. Idealerweise geschieht dies ungestört an einem stillen Ort, der auch einem gewissen Standard an Hygiene genügen soll.

Talmud Schon in der Parascha Ki Teze lesen wir, dass man sich zu diesem Zweck einen Platz außerhalb des Lagers einrichten und diesen reinlich halten solle. Aber nicht allzu weit außerhalb der Wohnstätte, ermahnt uns der Talmud im Traktat Berachot.

Schließlich ist man nirgends so verletzlich wie an einem solchen einsamen Ort, den man zudem auch gerne möglichst allein aufsucht. Man denke nur an das unfreiwillige Zusammentreffen von König Scha’ul und David in jener Höhle bei Ein Gedi, in die sich Scha’ul zu eben diesem Zweck zurückgezogen hatte.

Am besten gehe man ganz früh am Morgen und dann wieder ganz spät am Abend, wie Ben Asai sagt, dann brauche man auch nicht so weit zu gehen, um ungestört zu sein, weil um diese Stunde nicht so viele Leute unterwegs seien.

trittsteine Es gab zu talmudischen Zeiten durchaus bereits Toiletten, wenn auch die Ausstattung nicht ganz den heutigen Ansprüchen entsprochen haben dürfte. Und da dies schon damals gewiss kein Ort für heilige Dinge und er auch ganz bestimmt nicht zum Beten geeignet war, sollte man die Trittsteine dort nicht so ausrichten, dass man bei seiner Verrichtung ausgerechnet in die übliche Gebetsrichtung nach dem Tempelberg hin schaute, immer abhängig davon, in welchem Teil des Landes das Klo nun stand.

Um auszuprobieren, ob die Platzierung der Trittsteine willkürlich gewählt war oder mit Bedacht, verstellte Rav Abaje diese einmal im Abort von Rabba, wo-raufhin jener ziemlich unwirsch wurde und sie wieder in die richtige Richtung rückte (Berachot 61b).

Tefillin Natürlich legte man zu allen Zeiten beim Toilettenbesuch die Tefillin ab. Aber wohin damit? Nahm man sie mit hinein und legte sie innen in einer Nische ab, konnte es passieren, dass Ungeziefer daran nagte. Legte man sie aber draußen ab, konnte sie ein Unrechter mitnehmen, wie jene Prostituierte, die hernach einen völlig unschuldigen Jeschiwa-Studenten damit erpresste. Schließlich erlaubte man, die Tefillin in die Tasche zu stecken und mitzunehmen, solange man gut darauf achtgab.

Auch ein gewisser Aberglaube machte vor dem stillen Örtchen nicht halt. Man meinte nämlich, dort trieben bocksgestaltige Dämonen ihr Unwesen, vor denen man sich gewaltig in Acht nehmen musste.

Lamm Die Mutter von Rav Abaje hatte für ihren Sohn extra ein Lamm großgezogen, damit er nicht allein aufs Klo gehen musste. Warum kein Ziegenböckchen? Darauf sagt uns die Gemara, man hätte dieses ja womöglich mit einem Bocks-Dämon verwechseln oder – noch schlimmer – die Dämonen damit erst noch anlocken können. Das Lamm diente vermutlich aber nicht nur zur Gesellschaft, sondern auch als Sichtschutz – und mit seinem Blöken übertönte es peinliche Geräusche (Baba Mezia 85b).

In jedem Fall sollte man sich auf der Toilette stets schicklich verhalten, zudem sich mit der linken Hand säubern anstatt mit der rechten, die man in der Regel zum Essen und zum Tefillin-Anlegen verwendet.

So lernte es Ben Asai, indem er seinen Lehrer Rabbi Akiva auf dem Klo beobachtete. Der wiederum hatte es durch Beobachtung von Rav Jehoschua gelernt.

Lehrer Beiden hielt man vor, sie hätten sich dreist verhalten. Was mussten sie so genau hinschauen, sie hätten ihre Lehrer doch auch fragen können.

Ihre Antwort war: »Tora hi, ve-lilmod ani zarich« – das ist die Tora, und die muss ich lernen. Daraus ist zu schließen, dass das Verhalten auch im ganz Privaten und Verborgenen im Einklang mit der Tora stehen soll, um als Vorbild für andere zu dienen – sogar bei einer so profanen Verrichtung.

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