Talmudisches

Der Engel des Todes

Sprungbrett ins Paradies Foto: ermingut

In der jüdischen Tradition ist es üblich, einem sehr kranken Menschen einen neuen Namen zu geben, um den Todesengel zu verwirren, falls er kommen sollte, um die Seele des oder der Kranken mitzunehmen in die Olam haba, die zukünftige Welt. So mag man den Tod noch ein wenig aufhalten, wenn auch nicht für immer, denn er gehört unweigerlich zum irdischen Leben dazu.

Unsere Weisen lehren, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt, dem Todesengel zu widerstehen, nämlich eifrig die Tora zu studieren. Von König David erzählt der Talmud in diesem Zusammenhang (Schabbat 30a), dass er vom Ewigen immer wieder im Gebet erfahren wollte, wann er denn sterben würde. Doch der Ewige wollte es ihm nicht sagen. So bat David, doch wenigstens den Wochentag erfahren zu dürfen, und der Ewige ließ ihn wissen, es werde an einem Schabbat sein.

Von da an saß David an jedem Schabbat da und lernte den ganzen Tag ohne Unterlass. Als nun jener Schabbat gekommen war, an dem David tatsächlich sterben sollte, konnte ihm der Todesengel zunächst nichts anhaben. Also überlegte er sich, wie er seinen Auftrag doch noch zur festgesetzten Zeit erfüllen konnte. Er beschloss, in Davids Garten die Bäume zu schütteln, um ihn vom Lernen abzulenken. Tatsächlich unterbrach David sein Studium und schaute nach, was sich da Wunderliches tat. So gewann der Engel schließlich Macht über ihn.

Bei Rav Chisda musste der Todesengel zu einer List greifen

Auf ähnliche Weise starb auch Rav Chisda, immerhin im Alter von 92 Jahren. Da sein Mund niemals stillstand vom Lernen, musste auch in diesem Fall der Todesengel zu einer List greifen. Er setzte sich auf eine hölzerne Säule, die das Dach des Lehrhauses stützte. Als die Säule unter seinem Gewicht brach, erschrak Rav Chisda über das Geräusch und verstummte für einen Moment. Dadurch gab er dem Todesengel Gelegenheit, seine Seele zur Ruhe zu geleiten (Mo’ed Katan 28a).

Manchen Gelehrten gelang es offenbar, den Todesengel wieder wegzuschicken. Rav Aschi traf ihn einst auf dem Marktplatz und sagte zu ihm, er brauche noch 30 Tage Zeit für seine Studien. Das müsse der Engel doch verstehen, denn es heißt, glücklich sei derjenige, der mit seinem Gelernten in der Hand im Himmel eintreffe.

Als die 30 Tage um waren, erschien der Engel pünktlich wieder bei Rav Aschi. Aber der wollte ihn noch einmal vertrösten und fragte ihn, warum er es so eilig habe. Diesmal ließ der Engel allerdings nicht mit sich handeln und beschied Rav Aschi, es sei jetzt höchste Zeit, denn Aschis Nachfolger auf Erden stehe schon längst bereit.

Rav Scheschet begegnete der Todesengel auf dem Marktplatz

Es scheint, dass der Todesengel des Öfteren auf dem Marktplatz, also in aller Öffentlichkeit, unterwegs war. Denn auch Rav Scheschet begegnete ihm dort, war aber nicht bereit, mit ihm zu gehen. »Soll ich hier auf dem Markt sterben wie ein Tier? Komm zu mir nach Hause, dann kann ich dort menschenwürdig sterben.«

Bisweilen half dem Engel jedoch alle List nichts. So konnte er Rav Chiya aufgrund von dessen Rechtschaffenheit nicht nahekommen. Da verkleidete er sich als Bettler und bat Rav Chiya um ein Stück Brot.
Als dieser es dem vermeintlichen Bettler reichte, beklagte sich der Engel bitterlich: »Mit einem Armen hast du also Mitleid und mit mir nicht?«

Und er gab sich dem Chiya zu erkennen, indem er ihm zum Beweis seiner Identität einen flammenden Stab zeigte. Da ging Rav Chiya mit ihm.
Ganz anders stellte es Rabbi Jehoschua an, als der Engel zu ihm kam. Jehoschua bat ihn, er solle ihm erst einmal seinen künftigen Platz im Paradies zeigen, dann werde er mit ihm gehen. Sicherheitshalber nahm er dem Engel sein Messer ab, damit ihn dieser nicht unterwegs doch noch töten konnte. Als ihn der Engel auf seine Bitte hin auch noch hochhob, damit er auf die andere Seite schauen konnte, sprang Rabbi Jehoschua einfach ins Paradies hinein – und blieb dort, mit Erlaubnis des Ewigen (Ketubot 77b).

Lech Lecha

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