Talmudisches

Brot

Die meisten Kulturen kennen die Fertigkeit, aus Getreide Mehl herzustellen und daraus Brot zu backen. Foto: Getty Images

Angeblich gibt es in Deutschland um die 3000 Brotsorten, deshalb wundern wir uns nicht darüber, dass ein Text von »Brot« spricht. Die meisten Kulturen kennen die Fertigkeit, aus Getreide Mehl herzustellen und daraus Brot zu backen. Dank des Feuers kann der Mensch Getreide überhaupt verzehren, und das ist laut dem israelischen Historiker Yuval Noach Harari ein entscheidender Grund dafür, welche Entwicklung die menschliche Zivilisation genommen hat.

Ein Gedanke, der auch im Talmud geäußert wird, wenn Rabbi Jehuda sagt: »Der Baum der Erkenntnis, von dem Adam aß, war Weizen« (Sanhedrin 70b). Auch an anderer Stelle im Talmud (Pessachim 118a) wird darauf Bezug genommen, dass der Mensch sich dadurch vom Tier unterscheidet. Rabbi Jehoschua ben Levi erzählt davon, dass der Ewige zu Adam sagte, er solle das »Kraut des Feldes« essen und Adam »Tränen in seine Augen flossen«.

Adam sprach dann: »Herr des Universums, sollen mein Esel und ich aus einem Trog essen?« Als Gʼtt ihm dann antwortete: »Im Schweiße deines Angesichts sollst du Brot essen«, war er beruhigt. Der zitierte Vers ist die erste Begegnung mit Brot in der Tora.

Er stellt fest, wie aufwendig die Zubereitung eigentlich ist, wenn es heißt: »Im Schweiße deines Angesichts sollst du Brot (Lechem) essen, bis du zur Erde zurückkehrst, von der du genommen worden« (1. Buch Mose 3,19). Das bedeutet natürlich, dass der Mensch arbeiten muss, zum anderen verweist es auf den aufwendigen Produktionsprozess von der Aussaat des Korns bis zum fertig gebackenen Brot.

Die Urform von Mehl, nämlich geröstetes Korn, wird im Tanach »Kali« genannt

Die Urform von Mehl, nämlich geröstetes Korn, wird im Tanach »Kali« genannt (1. Schmuel 17,17), und das scheint noch in dieser Form verzehrt worden zu sein. Die Tora kennt außer »Lechem« noch andere Arten von Brot, etwa »Uga«. Awraham spricht zu Sara: »Hole schnell drei Maß feinen Mehls, knete es und backe Ugot« (1. Buch Mose 18,7).

Ugot sind runde, dünne Fladen, die auf einem heißen Stein gebacken werden. Eine weitere Variante ist Mazza, das ungesäuerte Brot. Auch das bereitet Awraham zu (1. Buch Mose 19,3). Brot war und ist tief im Alltagsleben verankert und präsent, sogar im Stiftszelt und später im Tempel. »Schaubrote« wurden dort eine ganze Woche lang aufbewahrt (3. Buch Mose 24,8) und dann von den Kohanim gegessen. Am Schabbat gab es frische Brote. Die Mischna erwähnt, dass die Kohanim aus dem Haus Garmu die Brote vorbereiteten, aber das genaue Rezept niemandem verrieten (Joma 3,11).

Die armen Menschen aßen ihr Brot mit Salz, wie es im Traktat Berachot (2b) erwähnt wird. Jeschajahu weist darauf hin, dass man mit dem Hungrigen sein Brot brechen soll (Jeschajahu 58,7). Von Raw Huna erzählt der Talmud (Taanit 20b), dass er vor jedem Verzehr von Brot die Tür öffnete und sagte: »Wer immer es braucht, soll hereinkommen und essen.« Nicht wie in Sedom, jener Stadt, in der das menschliche Recht auf den Kopf gestellt wird.

So wird im Traktat Sanhedrin (109b) erzählt, dort habe es eine junge Frau gegeben, die den Armen das Brot in einem Krug brachte, damit die Bewohner von Sedom es nicht sehen konnten. Als die Sache aufflog, bestrichen die Bewohner Sedoms die Frau mit Honig und stellten sie auf die Stadtmauer, sodass Hornissen kamen und sie fraßen. Im Buch Mischlei (23,6) wird davor gewarnt, nicht geizig zu sein, wenn es heißt: »Iss nicht das Brot des Geizigen« (wörtlich: das Brot dessen mit dem bösen Auge).

Zugleich wird Gʼttvertrauen gefordert. So sagt Rabbi Elieser der Große (Sota 48b), dass derjenige, der heute Brot in seinem Korb hat und spricht: »Was soll ich morgen essen?«, wenig Glauben hat. Man solle darauf vertrauen, dass Gʼtt für den Lebensunterhalt sorgt. Die Tradition ist sich also bewusst, dass die Versorgung mit Brot – oder Nahrung im Allgemeinen – mit Arbeit verbunden ist und dass niemand unversorgt gelassen werden darf, und zugleich soll das nicht die »einzige Sorge« sein. Die Bracha, der Segensspruch, über das Brot (»der das Brot aus der Erde hervorbringt«) soll mehrmals täglich an all dies erinnern.

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025

Schöpfung

Glauben Juden an Dinosaurier?

Der Fund der ersten Urzeitskelette stellte auch jüdische Gelehrte vor Fragen. Doch sie fanden Lösungen, das Alter der Knochen mit der Zeitrechnung der Tora zu vereinen

von Rabbiner Dovid Gernetz  23.10.2025

Noach

Ein neuer Garten Eden

Nach der Flut beginnt das Pflanzen: Wie Noachs Garten zum Symbol für Hoffnung und Verantwortung wurde

von Isaac Cowhey  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Bereschit

Die Freiheit der Schöpfung

G’tt hat für uns die Welt erschaffen. Wir haben dadurch die Möglichkeit, sie zu verbessern

von Rabbiner Avichai Apel  17.10.2025

Talmudisches

Von Schuppen und Flossen

Was unsere Weisen über koschere Fische lehren

von Detlef David Kauschke  17.10.2025

Bracha

Ein Spruch für den König

Als der niederländische Monarch kürzlich die Amsterdamer Synagoge besuchte, musste sich unser Autor entscheiden: Sollte er als Rabbiner den uralten Segen auf einen Herrscher sprechen – oder nicht?

von Rabbiner Raphael Evers  17.10.2025

Mussar-Bewegung

Selbstdisziplin aus Litauen

Ein neues Buch veranschaulicht, wie die Lehren von Rabbiner Israel Salanter die Schoa überlebten

von Yizhak Ahren  17.10.2025