Talmudisches

Außerirdische

Was die Weisen über Wesen lehrten, die nicht von dieser Welt sind

von Vyacheslav Dobrovych  10.05.2024 09:03 Uhr

Foto: Getty Images/iStockphoto

Was die Weisen über Wesen lehrten, die nicht von dieser Welt sind

von Vyacheslav Dobrovych  10.05.2024 09:03 Uhr

Intergalaktische Kriege mit Außerirdischen und Computer in der Bronzezeit? Für viele mag das wie ein neuer Science-Fiction-Film klingen, der erst durch die Cannabislegalisierung ermöglicht wurde. Es mag überraschen, aber der Talmud spricht von außerirdischen Kriegen, und die Kommentatoren sprechen von Technologien, die an heutige erinnern – all dies im Kontext der Bronzezeit!

Zur Zeit der Richter im Land Israel, ungefähr im 12. Jahrhundert vor der Zeitrechnung, kämpften die Israeliten gegen die Kanaaniter und ihren Befehlshaber Sisera. Nach dem Sieg der Israeliten sang die Prophetin Debora ein Dankeslied, das seit jeher als das »Lied der Debora« bekannt ist und in den Tanach aufgenommen wurde (Richter 5). Bibelwissenschaftler gehen davon aus, dass es eines der ältesten überlieferten Lieder des Tanachs ist und tatsächlich auf das 12. Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung datiert werden kann.

In diesem Lied heißt es unter anderem: »Vom Himmel her kämpften die Sterne, von ihren Bahnen aus kämpften sie gegen Sisera« (Richter 5,20) und »Fluchet Meros, spricht der Bote des Ewigen, verflucht ihre Bewohner, denn sie sind nicht gekommen zum Beistand des Ewigen, als der Ewige (uns) gegen die Mächtigen beistand« (5,23).

Laut einer Meinung im Talmud (Moed Katan 16a) handelt es sich dabei um die Bewohner eines Planeten namens Meros. Im Krieg zwischen Israel und den Kanaanitern wurden nämlich auch intergalaktische Verbündete zur Hilfe gerufen. Dies wird durch einen der früheren Verse deutlich: »Vom Himmel her kämpften die Sterne.« Die Bewohner von Meros, die mit Israel verbündet waren, erschienen aber nicht zum Kampf. Der Talmud zitiert dann eine Meinung, laut der der Richter Barak 400 Posaunen ertönen ließ, um zu signalisieren, dass Meros und seine Einwohner verbannt werden sollen.

In demselben Lied spricht die Prophetin Debora auch über die leidende Mutter des kanaanitischen Heerführers, die auf die Rückkehr ihres Sohnes aus dem Krieg wartet: »Unterdessen blickte die Mutter Siseras zum Fenster hinaus und jammerte durch das Gitter hindurch: ›Warum verspätet sich sein Wagen in der Heimkehr? Warum säumen die Tritte seines Gespanns?‹« (Richter 5,28).

Kann man davon ausgehen, dass laut den talmudischen Weisen die Israeliten der Bronzezeit Kontakt mit Außerirdischen hatten?

Der Malbim, Rabbiner Meir Leibusch ben Jechiel Michel Wisser (1809–1879), bezieht sich in seinem Kommentar dieses Verses auf den Sohar, das bedeutendste Schriftwerk der Kabbala. Er meint, das Fenster von Siseras Mutter sei kein gewöhnliches gewesen, sondern es habe sich um ein magisches Fenster gehandelt, durch das man auch Dinge sehen kann, die sich an weit entfernten Orten abspielen. Siseras Mutter hat durch das Fenster versucht, ihren Sohn zu finden, weil das Fenster sich tatsächlich zu dieser Suche eignete. Der antike Vorläufer von »Windows«, wenn man so will.

Kann man also davon ausgehen, dass laut den talmudischen Weisen die Israeliten der Bronzezeit Kontakt mit Außerirdischen hatten? Kann es sein, dass der Malbim eine Technologie beschreibt, die an unsere Computer erinnert, noch bevor Thomas Edison die erste Glühbirne präsentierte? Nicht unbedingt.

Der Kommentator Raschi (1040–1105) versteht, wie die meisten anderen Rabbiner des Mittelalters, das Wort »Kochaw« (Stern, Planet) metaphorisch, in gewisser Weise als »Glücksstern« oder »Schutzengel«. Demnach wollte sich die spirituelle Energie namens Meros, die Sisera schützte, nicht am Kampf gegen ihn beteiligen. Auch das Fenster der Mutter Siseras wird nicht technologisch, sondern mystisch gesehen. Aus den Worten des Malbim wird erkennbar, dass er glaubte, die Mutter Siseras sei eine Zauberin gewesen.

Spannend ist aber, dass sich die im Buch der Richter beschriebenen Kriege während des Zusammenbruchs der Bronzezeit (1200–1150 v.d.Z.) ereigneten, einer Epoche, in der die Überlieferung des Wissens in der gesamten Region offenbar zum Erliegen kam. Aus diesem Grund wird vieles von dem, was damals geschah, wohl noch lange ein Rätsel bleiben.

Schemot

Augenmaß des Anführers

Mosche lehrt uns, dass Barmherzigkeit nicht absolut sein darf

von Rabbiner Avichai Apel  17.01.2025

Talmudisches

Intimität

Was unsere Weisen über den Respekt gegenüber der Privatsphäre eines Ehepaars lehrten

von Rabbiner Avraham Radbil  17.01.2025

Perspektive

Toda raba!

Glücklich wird, wer dankbar ist. Das wussten schon die alten Rabbiner – und dies bestätigen auch moderne Studien

von Daniel Neumann  17.01.2025

Berlin

Chabad braucht größere Synagoge

»Wir hoffen auch auf die Unterstützung des Senats«, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 15.01.2025

Ethik

Eigenständig handeln

Unsere Verstorbenen können ein Vorbild sein, an dem wir uns orientieren. Doch Entscheidungen müssen wir selbst treffen – und verantworten

von Rabbinerin Yael Deusel  10.01.2025

Talmudisches

Greise und Gelehrte

Was unsere Weisen über das Alter lehrten

von Yizhak Ahren  10.01.2025

Zauberwürfel

Knobeln am Ruhetag?

Der beliebte Rubikʼs Cube ist 50 Jahre alt geworden – und hat sogar rabbinische Debatten ausgelöst

von Rabbiner Dovid Gernetz  09.01.2025

Geschichte

Das Mysterium des 9. Tewet

Im Monat nach Chanukka gab es ursprünglich mehr als nur einen Trauertag. Seine Herkunft ist bis heute ungeklärt

von Rabbiner Avraham Radbil  09.01.2025

Wajigasch

Nach Art der Jischmaeliten

Was Jizchaks Bruder mit dem Pessachlamm zu tun hat

von Gabriel Umarov  03.01.2025