Talmudisches

Aus Liebe zur Tora

Hillel fühlte keine Kälte, weil ihn die Worte der Tora ständig wärmten. Foto: Thinkstock

Talmudisches

Aus Liebe zur Tora

Warum Hillel eines Tages auf ein Dach stieg

von Rabbiner Avraham Radbil  30.10.2017 14:20 Uhr

Einer der größten Gelehrten des jüdischen Volkes war Hillel. Als armer Mann kam er aus Babylon nach Israel, um bei Schemaja und Awtalion, zwei führenden Gelehrten der damaligen Zeit, Tora zu lernen (Joma 35b).

Hillel musste hart arbeiten, um seine Familie versorgen zu können. Er sammelte Holz und verkaufte es auf dem Markt. Doch er bekam für seine Arbeit nur eine kleine Münze, einen Tarpak, pro Tag. Die Hälfte gab er seiner Frau, damit sie für die Familie Essen kaufen konnte. Die andere Hälfte musste er für den Eintritt ins Lehrhaus zahlen, wo er Tora lernte. Aber das war es ihm wert, so stark war seine Liebe zur Tora.

Wetter Eines Tages jedoch war das Wetter so schlecht, dass kein Käufer auf dem Markt erschien und Hillel kein Geld verdiente. Der Torhüter ließ ihn nicht ins Lehrhaus hinein. Hillel konnte aber keinen Tag verstreichen lassen, ohne Tora zu lernen. Und so beschloss er, aufs Dach des Lehrhauses zu steigen, um von dort aus durch das Fenster den Worten seiner Lehrer zu lauschen.

Diese Begebenheit trug sich im tiefen Winter zu. Doch Hillel fühlte keine Kälte, weil ihn die Worte der Tora ständig wärmten. Er war derart ins Toralernen versunken, dass er nicht bemerkte, wie es zu schneien anfing. Der Schnee fiel immer stärker, und plötzlich war Hillel völlig eingeschneit und konnte sich nicht mehr befreien.

Es wurde spät, und alle, die im Lehrhaus gelernt hatten, waren nach Hause gegangen zu ihren Familien. Die Einzigen, die im Lehrhaus blieben, waren die beiden großen Rabbiner Schemaja und Awtalion. Sie waren derart in eine Diskussion über die Tora vertieft, dass sie ihr Gespräch auf keinen Fall unterbrechen konnten. Und so blieben sie die ganze Nacht im Lehrhaus, bis zum Sonnenaufgang.

Lehrhaus Als es allmählich heller wurde, erhob Schemaja seine Augen von den Büchern und fragte, warum es an diesem Tag im Lehrhaus dunkler war als sonst um diese Uhrzeit. Als sie hoch zum Fenster schauten, bemerkten sie den fast erfrorenen Hillel.

Schnell rannten sie nach oben, um Hillel zu befreien. Zum Glück konnte er noch rechtzeitig gerettet werden. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, sagten die Rabbiner, dass Hillel für seine Liebe zur Tora, seine Geduld und seinen Eifer belohnt werden müsse. Und so bekam er die Erlaubnis, jeden Tag kostenlos das Lehrhaus zu betreten. Das war das größte Geschenk, das sie Hillel machen konnten. Jetzt konnte er endlich jeden Tag in Ruhe Tora lernen und seinen Arbeitslohn für die Familie sparen.

Nach einiger Zeit sagte man ihm nach, er sei der beste Schüler von Schemaja und Awtalion, und wenig später galt er als einer der angesehensten Rabbiner der damaligen Zeit. Er wurde von allen geehrt, und seine Meinung ist fast immer die bedeutendste Meinung im Talmud. Wegen seiner Gelehrsamkeit verlieh man ihm schließlich den Titel »Nassi«, Fürst.

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Wajigasch

Mut und Hoffnung

Jakow gab seinen Nachkommen die Kraft, mit den Herausforderungen des Exils umzugehen

von Rabbiner Jaron Engelmayer  19.12.2025

Mikez

Füreinander einstehen

Zwietracht bringt nichts Gutes. Doch vereint ist Israel unbesiegbar

von David Gavriel Ilishaev  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Chanukka

»Wegen einer Frau geschah das Wunder«

Zu den Helden der Makkabäer gehörten nicht nur tapfere Männer, sondern auch mutige Frauen

von Rabbinerin Ulrike Offenberg  18.12.2025

Chanukka

Berliner Chanukka-Licht entzündet: Selbstkritik und ein Versprechen

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin am Mittwoch mit viel Politprominenz das vierte Licht an Europas größtem Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet

von Markus Geiler  18.12.2025

Chanukka

Wofür wir trotz allem dankbar sein können

Eine Passage im Chanukka-Gebet wirkt angesichts des Anschlags von Sydney wieder ganz aktuell. Hier erklärt ein Rabbiner, was dahinter steckt

von Rabbiner Akiva Adlerstein  17.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns erwarten?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025