Neulich beim Kiddusch

Angst im Nacken

Angst kann viele Ursachen haben: Begründet sind nur manche. Foto: JA

Neulich beim Kiddusch

Angst im Nacken

Was einem in der Synagoge alles passieren kann

von Chajm Guski  25.01.2011 12:52 Uhr

Von der Urgroßmutter meiner Frau erzählt man sich, sie sei regelmäßig in die Synagoge gegangen. Ja, es waren andere Zeiten damals. Man ist bei jeder Gelegenheit in der Synagoge gewesen. Aus Angst. Man hatte Angst, es sich mit G’tt zu verscherzen, oder manchmal mit den Nachbarn. Die waren erstaunt, wenn man nicht ging und fragten nach.

Kommunisten Als die Urgroßmutter ein wenig älter war, ging sie auf gar keinen Fall mehr zur Synagoge und machte einen großen Bogen um das Gebäude. Aus Angst. Denn die Kommunisten waren von der Idee regelmäßiger Synagogenbesuche nicht begeistert und reagierten beleidigt, wenn sich jemand dennoch auf den Weg zum Beten machte. Auch die Nachbarn schauten genau hin: Wer Mazzen kaufte, lief Gefahr, dass der Verkäufer es gewissen Beamten weitererzählte.

Heute haben sich die Gründe für oder gegen einen Synagogenbesuch geändert. Aufgeklärt wie wir sind, haben wir im Allgemeinen keine kindliche Angst vorm Allerhöchsten und eher ein entspanntes Verhältnis miteinander. Hängt vielleicht auch ein wenig davon ab, welcher Strömung man angehört. Wir in Westeuropa müssen auch keine Angst vor dem Staat haben. Dem ist es egal, ob wir zur Synagoge, zur Kirche oder zur Moschee gehen – na gut, bei Letzterer kommt es vielleicht auf die Ausrichtung an.

Die Polizei steht heute vor der Synagoge, um sie zu schützen und nicht, um die Besucher zu erfassen. Jedenfalls wird man nicht einbestellt um zu erklären, warum man letzten Jom Kippur den gesamten Tag in der Synagoge war.

Metaphysik Trotzdem sind die Synagogen nicht zum Bersten voll. Das liegt natürlich an unserem entspannten Verhältnis zur Metaphysik und an den zahlreichen Konkurrenzangeboten am Wochenende. Warum ich das alles erzähle? Aus Angst.

Bei einem großen Festkiddusch zog mich kürzlich eine ältere Dame zur Seite und teilte mir mit eindrücklichen Worten mit, dass sie jetzt kein Schweinefleisch mehr esse. »Nu«, sagte ich, »Baruch ha Schem« – was man eben so sagt, wenn einem nichts Besseres einfällt und man nicht weiß, was man mit der überflüssigen Information anfangen solle. Vor allem, wenn man sein Gegenüber so gut wie gar nicht kennt.

Obeservanz Ich vermeide es tunlichst, die Observanz anderer Leute zu diskutieren. Jedenfalls in den meisten Fällen. Deshalb erzähle ich das nur ganz selten weiter. Aus Angst. Denn wenn die Person es herausfindet, könnte es passieren, dass der »große Bruder« mir unter vier Fäusten das Prinzip von Laschon haRa, der üblen Nachrede, erklärt. Aber es gibt eben immer Ausnahmen. Und dies hier ist eine.

»Ja«, sagte die Dame, »ich habe Angst.« Da war sie wieder – die Angst. »Jirat Schamajim«, antwortete ich leise, was etwa »Angst vor dem Himmel« bedeutet. Die Frau sah mich an, als sei ich im Clownskostüm in der Synagoge erschienen. »Dummes Zeug! Ich habe Angst vor Dioxin. Im Fernsehen haben sie gesagt, das ist jetzt auch im Schweinefleisch.«

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025