Als der israelische Archäologe Yigael Yadin Anfang der 60er-Jahre Grabungen in der Judäischen Wüste durchführte, entdeckten er und sein Team in den Höhlen von Nachal Chever nicht nur Schriftrollen und Briefe aus der Zeit des Bar-Kochba-Aufstandes, sondern auch einen Wasserschlauch aus Ziegenhaut, der wohl einst einer Frau als eine Art Reisetasche gedient hatte. Unter anderem fanden sich darin ein Handspiegel, eine Puderdose, ein gläsernes Parfümfläschchen und andere Dinge für den kosmetischen Gebrauch. Sie waren der Frau derart wichtig gewesen, dass sie die Gegenstände damals in das Höhlenversteck mitgenommen hatte.
Von jeher waren Kosmetika Teil des täglichen Lebens, und so befassten sich auch die talmudischen Weisen damit. In Ketubot 66b wird berichtet, dass man von einem Bräutigam sogar erwartete, seiner zukünftigen Frau in der Ketuba, dem Ehevertrag, eine Summe von zehn Dinar für Parfüm und Kosmetikartikel zuzusichern. Dies galt allerdings nur für Jerusalem, wie Rav Aschi sagt. Offenbar war in der Stadt ein hoher Verbrauch an diesen Dingen üblich.
Der Tochter von Nakdimon ben Gurion gestand man 400 Goldstücke pro Tag für Parfümeriewaren zu
Der Tochter von Nakdimon ben Gurion gestand man sogar 400 Goldstücke pro Tag für Parfümeriewaren zu. Doch als die Familie später verarmte, war die junge Frau am Ende gezwungen, auf der Straße Getreidekörner aus Pferdemist zu sammeln. Welch ein gesellschaftlicher Absturz, der zudem auch am Geruch eindeutig erkennbar war.
Eine Gegenüberstellung von Wohlgeruch und Gestank finden wir in Pessachim 65a. Dort heißt es in Berufung auf Rabbi Jehuda Hanassi, dass die Welt ohne Parfümhändler genauso wenig auskommen könne wie ohne Gerber. Allerdings bemerkt Rabbi Jehuda dazu: Wohl dem, dessen Beruf die Beschäftigung mit Parfüm ist, und wehe dem, der sein Geld mit dem Gerben von übel riechenden Häuten verdienen muss.
Parfüm wurde in der Antike auf andere Weise hergestellt als heute, nämlich durch Vermischen von wohlriechenden Pulvern mit Öl. Das Produkt wurde dann in Glasfläschchen aufbewahrt.
Von Kosmetik in Form von Myrrhenöl (Schemen Hamor) ist schon im Buch Esther die Rede. Rav Chija bar Abba erklärt, dass es sich dabei um Duftöl handelte, das aus dem Harz von Myrrhenbäumen hergestellt wurde (Megilla 13a).
Rav Huna und Rabbi Jehuda meinen dagegen, damit wäre Öl aus unreifen Oliven gemeint. Dieses Öl sollte die Haut weich machen und den Hautton aufhellen, und es diente wohl gleichzeitig auch als Enthaarungsmittel.
Schemen Hamor war offenbar sehr teuer, denn im Traktat Pessachim wird es als Kosmetikum nur für Prinzessinnen genannt (43a). Töchter aus reichen Familien verwendeten zur Pflege ihrer Haut, einschließlich der Entfernung unerwünschter Haare einen Brei aus feinem Mehl. Arme Mädchen mussten sich dagegen mit einem Kalkgemisch behelfen. Dies entsprach vermutlich einer Art Gesichts- und Körpermaske, denn in Mo’ed Katan 9b heißt es, eine Frau solle es an den Halbfeiertagen nicht auftragen, weil es sie unattraktiv macht, solange es sich noch auf der Haut befindet. Allerdings erlaubt es Rabbi Jehuda, solange sie den Kalk vor dem Feiertag auch wieder entfernt. Denn durch die kosmetische Anwendung vermehre sie schließlich ihre Schönheit, und das werde sie froh stimmen.
An den Halbfeiertagen sind Lidschatten und Rouge sowie das Frisieren der Haare erlaubt
Auch vom Schminken spricht der Talmud an dieser Stelle, und dass das Auftragen von Lidschatten und Rouge sowie das Frisieren der Haare an den Halbfeiertagen erlaubt seien, und zwar für Frauen jeden Alters, wie Rav Chisda ausdrücklich betont.
Sogar am Schabbat darf sich eine Frau schminken und frisieren (Schabbat 95a). Bemerkenswert ist dabei, dass Frauen auf dem Dorf den Lidschatten an beiden Augen auftrugen, Städterinnen aber, die einen Gesichtsschleier trugen, nur an dem Auge, das unverschleiert blieb. Eine Frau darf in dieser Form also durchaus ihre Attraktivität sichtbar unterstreichen und muss sie nicht verbergen.