Berlin

»Zunehmende Judenfeindschaft bei türkischen Einwanderern«

Berlin-Neukölln, Dezember 2017: Demonstrationteilnehmer verbrennen eine selbst gemalte Fahne mit Davidstern. Foto: dpa

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, beklagt die gegenwärtige Dimension des Antisemitismus in Deutschland und Europa. »Dass das Thema Antisemitismus in der Form, wie wir es in den letzten zwei Jahren erleben, einen solch hohen Stellenwert einnimmt, daran habe ich nicht einmal im Albtraum gedacht«, sagte Schuster am Samstag der »Stuttgarter Zeitung«.

Das höchste Bedrohungspotenzial komme sicher nach wie vor von der rechten Seite, sagte der Würzburger Mediziner. Es gebe aber auch quer durch die Gesellschaft einen Israel-bezogenen Antisemitismus.

In Großstädten gebe es eine wachsende politisierte muslimische Szene, so Schuster.

TÜRKEI Schuster sieht eine wachsende Judenfeindlichkeit in Teilen der türkischstämmigen Einwanderergesellschaft vor allem in Berlin. Dies dürfte mit den politischen Veränderungen in der Türkei zusammenhängen, sagte er. In  Großstädten gebe es eine wachsende politisierte muslimische Szene, die sich »im Einzelfall auch militant« zeige.

Über viele Jahre habe das Land ein sehr gutes nachbarschaftliches Verhältnis zu Israel gehabt. »Dagegen ist das, was Präsident Erdogan heute sagt, eine Kehrtwende von 180 Grad. Das überträgt sich auch hierher«, sagte Schuster.

Ebenso besorgt äußerte sich auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. Er beobachte eine »zunehmende Judenfeindschaft bei türkischen Einwanderern«, sagte Klein den »Stuttgarter Nachrichten«.

Felix Klein beobachtet eine zunehmende Judenfeindschaft bei türkischen Einwanderern.

ERDOGAN Die Anfeindungen von Erdogan gegenüber Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und die verhärtete Politik der Türkei gegenüber Israel »haben in den letzten Monaten haben zu einem deutlichen Anstieg des Antisemitismus unter türkischen Einwanderern in Deutschland und insbesondere bei den Anhängern von Erdogan geführt«, betonte der Antisemitismusbeauftragte.

Zwischen Israel und der Türkei ist es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Spannungen gekommen. Zuletzt waren der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Dezember 2018 heftig aneinandergeraten.

Erdogan warf Netanjahu »Staatsterror« gegen die Palästinenser vor und beschimpfte ihn als »Tyrannen«. Der israelische Regierungschef sprach daraufhin von der »täglichen Verrücktheit des antisemitischen Diktators Erdogan«.

Erdogan warf Netanjahu jüngst »Staatsterror« gegen die Palästinenser vor und beschimpfte ihn als »Tyrannen«.

STUDIE Erst jüngst hatte eine neue groß angelegte Studie der EU‐Agentur für Grundrechte (FRA) einmal mehr das Ausmaß des Judenhasses in Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen verdeutlicht.

Demnach sagten 52 Prozent der befragten deutschen Teilnehmer der Erhebung, dass sie in den vergangenen fünf Jahren mehrmals antisemitisch belästigt wurden. 75 Prozent trauen sich nicht, öffentlich Kippa zu tragen und 46 Prozent vermeiden bestimmte Orte.

75 Prozent der befragten Juden trauen sich nicht, öffentlich Kippa zu tragen.

63 Prozent der Befragten aus zwölf Ländern gaben an, dass sich der Antisemitismus deutlich verstärkt habe. 23 Prozent sprachen von einer leichten Verstärkung. 45 Prozent bezeichneten Judenhass als ein »sehr großes Problem«.  dpa/kna/epd

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 20.12.2025

Analyse

Ankaras Machtspiele

Manche befürchten schon einen »neuen Iran«. Warum Israel die Türkei zunehmend als Bedrohung wahrnimmt

von Ralf Balke  20.12.2025

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025

New York

Antisemitische Äußerungen: Mitglied von Mamdanis Team tritt zurück

Die Tiraden von Catherine Almonte Da Costa sorgen für Entsetzen

 19.12.2025