Interview

»Wir haben viele Gemeinsamkeiten«

Herr Dogan, was empfinden Sie, wenn im Namen des Islam am »Al-Quds-Tag« – wie am vergangenen Wochenende in Berlin – zur Vernichtung Israels aufgerufen wird?
Das ist absolut inakzeptabel. Und das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass diese Demonstrationen im Fastenmonat Ramadan stattfanden, der ja für Besinnlichkeit und Nächstenliebe stehen sollte. Diese Art von Hass und Nicht-Akzeptanz ist für keinen Glauben tolerabel.

Aleviten sind eine Abspaltung vom schiitischen Islam, unterscheiden sich deutlich von den iranischen Schiiten. Inwiefern?
Die Aleviten sind schon eher eine eigenständige Religionsgemeinschaft. Denn die Unterschiede zum schiitischen Islam und zum Islam insgesamt sind inzwischen so groß, dass sich Aleviten bis auf wenige Überschneidungen kaum mehr auf islamische oder schiitische Rituale berufen. Weder der Fastenmonat Ramadan noch die Moschee als Glaubensstätte noch der derzeitige Koran stehen bei den anatolischen Aleviten, die wir in Deutschland vertreten, auf der Agenda. Es gibt eher Berührungspunkte mit christlichen, jüdischen oder mystischen Glaubensrichtungen.

In Deutschland leben rund 500.000 Aleviten. Mit welchen Herausforderungen haben Sie es hierzulande zu tun?
Dass das Alevitentum in der Diaspora erhalten wird. Dass sich die Aleviten auf ihren Glauben besinnen und sich in der großen Gruppe von 4,3 Millionen Muslimen nicht unterordnen. Und dass unsere liberale offene Lebensauffassung und auch unsere Integrationsleistung in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Über grundsätzliche Fragen einer Religionsgemeinschaft hinaus: Gibt es weitere Gemeinsamkeiten mit dem Judentum in Deutschland?
Ja, durchaus. Auch die Erinnerungs- und Gedenkkultur ist eine fundamentale Gemeinsamkeit beider Glaubensgemeinschaften. Ein historischer Vergleich mit den Juden ist zwar nicht herzustellen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Aleviten als Häretiker und Ungläubige in muslimischen Ländern und der Türkei über Jahrhunderte verfolgt und ermordet worden sind. Dies steht eher einer Vergessenskultur gegenüber. Hier können wir uns von der jüdischen Glaubensgemeinschaft viel abschauen.

Wo gibt es Parallelen?
In der Heterogenität der eigenen Gruppe: Es gibt Aleviten, die orthodox leben, und solche, die eher liberal sind. So ist es auch beim Judentum in Deutschland. Wir versuchen, diese Facetten unseres eigenen Glaubens unter einem Dach in eine gemeinsame Zukunft zu führen. Und den Glauben dabei als gemeinsamen Nenner aufrechtzuerhalten. Ich sehe auch, dass wir außenpolitisch Parallelen haben: Die Vereinnahmung durch Länder wie den Iran und andere schiitisch- und sunnitisch-orthodox geprägte Länder missfällt den Aleviten. Da sind wir auch an der Seite der jüdischen Bevölkerung. Ich glaube, dass man daran anknüpfen und in Zukunft gemeinsame Projekte realisieren sollte.

Mit dem Generalsekretär der Alevitischen
Gemeinde Deutschland sprach Detlef David Kauschke.

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von 
janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Initiative

Bayerns Landtag will Yad-Vashem-Bildungszentrum in Freistaat holen

Die Idee hatte die Ampel-Koalition von Olaf Scholz: Eine Außenstelle der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland. Der Bayerische Landtag hat sich nun für einen Standort im Freistaat ausgesprochen

von Barbara Just  10.12.2025

Paris/Brüssel

EU-Gaza-Hilfe: Französischer Politiker hat »große Bedenken«

Benjamin Haddad, Frankreichs Staatssekretär für Europafragen, hat die Europäische Kommission aufgefordert, ihre Zahlungen an NGOs, die im Gazastreifen operieren, besser zu überwachen

 10.12.2025

Aufarbeitung

Französische Entnazifizierungs-Dokumente erstmals online abrufbar

Neue Hinweise zu Leni Riefenstahl und Martin Heidegger in der NS-Zeit: Künftig können Forscher online auf französische Akten zugreifen. Experten erwarten neue Erkenntnisse

von Volker Hasenauer  10.12.2025

Deutschland

Wegen Antisemitismus und AfD: Schauspiellegende Armin Mueller-Stahl (95) denkt ans auswandern

Armin Mueller-Stahl spricht offen über seine Gelassenheit gegenüber dem Tod – und warum aktuelle Entwicklungen ihn dazu bringen, übers Auswandern nachzudenken

 10.12.2025

Justiz

Mutmaßlicher Entführer: Chef eines israelischen Sicherheitsunternehmens packt aus

Die Hintergründe

 10.12.2025

Fußball

Sorge vor Maccabi-Spiel in Stuttgart

Tausende Polizisten, Metalldetektoren beim Einlass, Sorge vor Gewalt: Warum der Besuch von Maccabi Tel Aviv in der Europa League beim VfB aufgrund der politischen Lage kein sportlicher Alltag ist.

 10.12.2025