Interview

»Wir decken den Bedarf«

Johannes Heil Foto: Philipp Rothe

Herr Heil, das Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam möchte eine jüdische Fakultät werden. Auch die Universitäten in Erfurt und Erlangen denken über eine solche Fakultät nach. Was spricht dagegen?
Für eine solche Fakultät besteht kein Bedarf, es gibt keine Kapazitäten dafür, und sie wäre strukturell und inhaltlich überhaupt nicht angebunden. Für eine jüdische Theologie in Potsdam fehlt das Umfeld.

Was wäre das Umfeld?
Ein starker Schwerpunkt im Bereich Theologie und Religionswissenschaften. Das ist in Potsdam nicht gegeben. In Erfurt auch nur sehr bedingt. Erlangen hat die theologische in eine religionswissenschaftliche Fakultät überführt, hat sich also von der Theologie wegbewegt.

Sie sagen, es gibt keinen Bedarf. Inwiefern?
Wir haben heute rabbinische Ausbildungsstätten – das Geiger-Kolleg, das Rabbinerseminar in Berlin und andere –, für alle Strömungen des Judentums. Ergänzend haben wir mit der Hochschule für jüdische Studien (HfJS) in Heidelberg eine akademische Ausbildungsstätte mit vollem Universitätsrang. Diese Institutionen decken alles ab – vom Rabbinat über die Kantorenausbildung bis zur Ausbildung von Religionslehrern –, was heute für die jüdischen Gemeinden in Deutschland gebraucht wird.

Wäre es nicht sinnvoll, beides unter einem Dach zu vereinen?
Von Anfang an hat die Wissenschaft des Judentums im 19. Jahrhundert den Anspruch gehabt, nicht nur eine rein geistliche Ausbildung zu leisten, sondern das jüdische Erbe Europas zu erschließen. Das ist in den letzten Jahrzehnten begünstigt worden durch die kulturwissenschaftliche Orientierung der Geisteswissenschaften. Eine Fakultät unter dem Dach der Theologie wäre in der Hinsicht eine Reduktion.

Wäre eine zusätzliche Institution nicht eine belebende Konkurrenz?
Konkurrenz ist immer gut. Aber diese Fakultät wäre nicht einfach Konkurrenz, sie würde zu Lasten anderer Universitäten gehen. Ganz deutlich gesagt: Es geht auch um Geld, vor allem um nicht zu verschwendendes Geld.

Es hört sich ja so an, als würde diese Fakultät so oder so gegründet.
Da bin ich gar nicht sicher. Zudem können Landesregierungen keine Fakultäten gründen, das liegt in der Autonomie der Hochschulen. Man sollte lieber sagen, wir fördern das Abraham-Geiger-Kolleg in seiner bisherigen Struktur und die Kooperation zwischen Potsdam und Heidelberg und anderen Einrichtungen.

Ist das Verhältnis zwischen Geiger und HfJS durch die derzeitige Debatte getrübt?
Das lässt sich gar nicht trüben, weil unsere Studenten freie Menschen sind. Wenn jemand bei uns einen BA-Abschluss macht und zur weiteren Ausbildung nach Potsdam geht, ist das eine gute Sache. Keiner der beiden Standorte ist alleine in der Lage, eine solche Ausbildung zu stemmen. Wir sind darauf angewiesen, zusammenzuarbeiten, das wollen wir auch weiterhin tun.

Mit dem Ersten Prorektor der Hochschule für Jüdische Studien sprach Ingo Way.

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Tel Aviv-Jaffa

Shimon-Peres-Preis wird erstmals in Israel verliehen

60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind der Anlass: Zum ersten Mal wird der Shimon-Peres-Preis für gemeinsame demokratische Vorhaben in Israel feierlich übergeben

von Alexander Riedel  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert