Antisemitismus

»Wir bitten um Nachsicht«

Bundesparteitag der AfD im März in Erfurt Foto: dpa

Der Stadtverband Essen der rechtskonservativen Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat sich von seinem Sprecher Marco Trauten getrennt. Gegen den 48-Jährigen, der auch Wahlkampfauftritte für AfD-Chef Bernd Lucke und den Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Hans-Olaf Henkel, organisiert hatte, läuft ein Parteiausschlussverfahren.

Trauten hatte auf seinem Facebook-Auftritt Parallelen zwischen den Boykottaufrufen der NSDAP gegen jüdische Geschäfte und einem aktuell »staatlich verordneten Antifaschismus« in Deutschland hergestellt.

entschuldigung Die AfD hatte in einem Brief den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, um Entschuldigung gebeten. »Wir bitten alle unsere jüdischen Landsleute«, heißt es in dem Schreiben, »um Entschuldigung und gleichzeitig um Nachsicht für Menschen, die unverschuldet – wie alle rund 20.000 Parteimitglieder – sich seit Wochen in einer sehr schwierigen Belastung befinden.«

Marco Trauten bleibt auch nach dem Rauswurf noch Spitzenkandidat der AfD für die Ratswahl in Essen – in NRW finden parallel zur Europawahl Kommunalwahlen statt –, denn die Listen können nicht mehr geändert werden, das Briefwahlverfahren läuft bereits.

In einer E-Mail an diese Zeitung erklärt Trauten, es liege ihm »absolut fern«, einen Zusammenhang zwischen Angriffen auf die AfD und den Verbrechen der Nazis herzustellen. »Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bitte ich zutiefst um Entschuldigung.« Trauten schreibt weiter: »Sie werden bei mir keinen Antisemitismus finden, vielmehr bewundere ich, was das jüdische Volk nach dem Holocaust in der Lage war aufzubauen.«

schulung Damit jeder »Zweifel an Defiziten im Umgang mit der jüdischen Kultur« bei ihm ausgeräumt würde, schreibt Trauten, »besuche ich gerne die angebotenen Schulungen«. Die AfD hatte nach Bekanntwerden der Fälle mitgeteilt, sie wolle alle ihre Mitglieder über die NS-Zeit schulen.

Parallel zu Trauten war ein anderer Fall bekannt geworden. Der stellvertretende AfD-Kreisvorsitzende im rheinland-pfälzischen Birkenfeld, Bernd Jacks, hatte auf seiner Facebook-Seite einen Davidstern abgebildet, auf dem zu lesen war: »Macht es den AntiFa-Faschisten, der Tazi, NS-Zeit Presse, den grünen Kifferkindsoldaten einfach euch in der Menge zu erkennen!! Tragt wieder den Stern«.

Ob der AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz in ähnlicher Weise gegen Jacks vorgeht wie der NRW-Verband gegen Trauten, ist unklar. Jacks sei jüdisch, ist von der AfD zu hören, das mache die Auseinandersetzung schwieriger.

auswüchse Der Zeitung »Die Welt« sagte Jacks, er habe sich durch Angriffe auf seine Partei an die NS-Zeit erinnert gefühlt. »Mein Vater war ein Berliner Jude, dessen Zwillingsbruder und Eltern im KZ umkamen«, sagte Jacks . »Durch das, was die Antifa jetzt anrichtet, ich meine diese gewalttätigen Auswüchse, fühle ich mich ins Dritte Reich zurückversetzt. Der Facebook-Post ist aber meine ganz persönliche Meinung.«

In seinem Entschuldigungsschreiben an den Zentralrat verurteilt der AfD-Bundesvorstand auch Jacks’ Aktion. »Das Geschehen wird nicht dadurch akzeptabler, dass der eine der Veranlasser selbst Jude ist.«

Mittlerweile wurden noch weitere Fälle bekannt, in denen AfD-Politiker sich zu Opfern stilisieren, denen eine ähnliche Gewalt angetan würde, wie in den 30er-Jahren deutschen Juden durch die Nazis. Die »Junge Alternative NRW«, der nordrhein-westfälische Jugendverband der AfD, zeigte etwa auf ihrem Facebook-Profil eine Fotomontage, die Graffiti der örtlichen Antifa mit Bildern des »Judenboykotts« der Nazi-SA aus den 30er-Jahren gegenschnitt. In einem grafischen Symbol wird die Antifa als »Rote SA« diffamiert.

Interview

»Wir müssen viel mehr für die Rückführung von Antisemiten tun«

Der Bundestagsabgeordnete Johannes Volkmann (CDU) über den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland, die zögerliche Reaktion der Politik und Abschiebungen als Gefahrenabwehr

von Joshua Schultheis  13.11.2025

Berlin

Wegner setzt im Fördermittelstreit auf Aufklärung

»Es sind Vorwürfe im Raum, die muss man sich genau anschauen. Und dann werden wir gegebenenfalls, wenn es notwendig ist, die richtigen Konsequenzen ziehen«, betont der Regierende Bürgermeister

 12.11.2025

Deutschland

Waffen für Anschläge besorgt: Weiteres Hamas-Mitglied festgenommen

Der Mann soll ein Sturmgewehr, mehrere Pistolen und Munition für Anschläge auf jüdische und israelische Einrichtungen besorgt haben

 12.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Einmischung

Trump fordert Begnadigung Netanjahus

Israels Regierungschef Netanjahu steht wegen Betrugs, Bestechung und anderer Vorwürfe vor Gericht. Israels Präsident müsse ihn begnadigen, forderte nun US-Präsident Trump - damit er das Land vereinen könne

 12.11.2025

Sabine Brandes

Wie Donald Trump Israels Demokratie angreift

Der US-Präsident hat angekündigt, in den Korruptionsprozess gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eingreifen zu wollen. Damit geht der Amerikaner eindeutig zu weit

von Sabine Brandes  12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Verhandlung über Waffenlieferungen an Israel

Insgesamt sechs Kläger wollen vor dem Berliner Verwaltungsgericht in zwei Fällen feststellen lassen, dass der Export deutscher Rüstungsgüter an Israel rechtswidrig war. Eine Entscheidung wird noch für Mittwoch erwartet

 12.11.2025