Streit

Wenn die politisch-moralische Grundlage fehlt

Raison d’être der Bundesrepublik war und bleibt es, den demokratischen Staat und seine politische Kultur als Konsequenz aus der nationalsozialistischen Vergangenheit zu begreifen. Das ist unser gemeinsames moralisches Fundament. Deshalb ist der 27. Januar, der Jahrestag der Befreiung des Lagers Auschwitz, unser Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus.

Leid Die Sensibilität gegenüber den Opfern von Vertreibungen und Flucht hingegen muss für uns Deutsche zuallererst aus der Erkenntnis resultieren, dass wir selbst massiv andere Völker vertrieben und unendliches Leid über sie gebracht haben. Aus dieser bitteren Erfahrung folgert unsere dauerhafte moralische Verpflichtung. Dieses Selbstverständnis vorausgesetzt, ist der 5. August als Jahrestag, an dem 1950 die Charta der deutschen Heimatvertriebenen verkündet wurde, für ein Gedenken unpassend.

Zahlreiche Aussagen in der Charta sind heute als falsch erkannt worden und können nicht mehr ernsthaft vertreten werden. Zum Beispiel diese: »Die Völker der Welt sollen ihre Mitverantwortung am Schicksal der Heimatvertriebenen als der vom Leid dieser Zeit am schwersten Betroffenen empfinden.« Dieser Satz ist eine fatale moralische Anmaßung. Als hätte es die unzähligen Toten des Holocaust nicht gegeben!

Anspruch Die Charta mag zur Integration von Millionen von Vertriebenen beigetragen haben – auch und gerade durch die Absage an Rachegefühle und Vergeltungsverlangen. Gleichwohl haben Historiker mehrfach darauf hingewiesen, dass man nur auf etwas wirklich verzichten kann, worauf man einen Anspruch hat. Die Deutschen hatten aber nach dem von ihnen begonnenen Krieg und den von ihnen begangenen Verbrechen keinerlei Anspruch, keinerlei Recht auf Rache.

Die Charta ist nicht weniger, aber auch nicht mehr als ein zeitgenössisches Dokument: eine Stimme aus dem Jahr 1950. Vertriebene hatten viel Leid erfahren, große Not erduldet und konnten nach all dem noch nicht in ihrer neuen »kalten Heimat« angekommen sein. Heute haben wir die Charta mit dem Wissen und dem zeitlichen Abstand von 60 Jahren zu beurteilen. Sich noch immer unreflektiert auf dieses Dokument zu berufen, die Charta zu kanonisieren anstatt historisch einzuordnen, ist weder moralisch noch politisch legitim. Deshalb darf der Tag ihrer Verkündung vernünftigerweise nicht zum Gedenktag gemacht werden!

Der Autor ist Vizepräsident des Deutschen Bundestags.

Niedersachsen

Moscheen in Hannover mit »Israel«-Schriftzügen besprüht

Unbekannte haben »Israel«-Schriftzüge auf mehrere Moscheen in Hannover geschmiert. Niedersachsens Antisemitismus-Beauftragter und die jüdische Gemeinde reagieren entsetzt

 11.12.2025

Berlin

Erstmals Chanukka-Feier im Bundestag

Zur Feier werden unter anderem der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein und Zentralrats-Geschäftsführer Daniel Botmann erwartet

 11.12.2025

Block-Prozess

Mutmaßlicher Entführer-Chef: Aussage gegen sicheres Geleit

Hat Christina Block den Auftrag erteilt, ihre Kinder aus Dänemark zu entführen? Der mutmaßliche Chef der Entführer äußert sich dazu als Zeuge vor Gericht

 11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von Janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Initiative

Bayerns Landtag will Yad-Vashem-Bildungszentrum in Freistaat holen

Die Idee hatte die Ampel-Koalition von Olaf Scholz: Eine Außenstelle der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland. Der Bayerische Landtag hat sich nun für einen Standort im Freistaat ausgesprochen

von Barbara Just  10.12.2025

Paris/Brüssel

EU-Gaza-Hilfe: Französischer Politiker hat »große Bedenken«

Benjamin Haddad, Frankreichs Staatssekretär für Europafragen, hat die Europäische Kommission aufgefordert, ihre Zahlungen an NGOs, die im Gazastreifen operieren, besser zu überwachen

 10.12.2025