Sicherheit

»Weiterhin erhöhte Gefahr«

Bundeskriminalamts-Präsident Holger Münch Foto: Gregor Zielke

Herr Münch, die islamistischen Anschläge in Brüssel vergangene Woche haben Europa schwer erschüttert. Inwiefern stellt der Terrorismus von fanatischen Muslimen auch eine Bedrohung für das Leben in der Bundesrepublik dar?
Der islamistische Terrorismus wird auf Dauer eine der zentralen Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden bleiben. Dominiert wird er derzeit durch den sogenannten Islamischen Staat – eine Terrororganisation, deren Entstehung auch mit dem Machtvakuum in einigen Ländern nach dem Arabischen Frühling verknüpft wird. Die Anschläge von Paris und jetzt in Brüssel zeigen: Der IS hat das freiheitliche Europa als eines seiner Ziele für Terrorattacken ausgemacht. Auch in Deutschland haben wir eine ernst zu nehmende Bedrohungslage und können einen Anschlag nicht ausschließen. Die Sicherheitsbehörden sind daher sehr aufmerksam, gehen allen Hinweisen auf mögliche Anschlagsplanungen nach und stehen national wie international in engem Informationsaustausch.

Sie haben beim Jugendkongress vor der veränderten Sicherheitslage durch den Arabischen Frühling und die Flüchtlingskrise gewarnt. Hat der IS nach Ihren Erkenntnissen die chaotische Situation an den Grenzen ausgenutzt, um Kämpfer über Flüchtlingsrouten in die EU zu schleusen?
Im Vorfeld der Anschläge von Paris sind einige der Attentäter offensichtlich gezielt im Flüchtlingsstrom nach Europa gelangt und ließen sich dabei sogar mehrfach registrieren. Dies müssen wir bei unseren Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung berücksichtigen. Denn auch für die Zukunft müssen wir damit rechnen, dass unter den Flüchtlingen Sympathisanten, Unterstützer und aktive Mitglieder terroristischer Organisationen sind. Im Moment haben wir aber erreicht, dass die täglich bei uns Einreisenden registriert werden und der bisherige Registrierungsstau nach und nach abgebaut wird. Das ist eine gute Entwicklung, die zwar noch keine 100-prozentige Sicherheit gewährleistet, aber unsere Aufklärungsmöglichkeiten verbessert.

Wie bewerten Sie die Bedrohung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland durch Islamisten?
Der Verfassungsschutz spricht von 8600 Salafisten, Tendenz steigend. Außerdem zählen die Sicherheitsbehörden rund 470 islamistische Gefährder, denen wir die Begehung schwerer Straftaten, auch Anschläge, zutrauen. Diese haben wir relativ gut im Blick. Zusätzlich richten wir unser Augenmerk auf islamistische Netzwerke, die sich aus zurückgekehrten Dschihadisten in Europa bilden könnten. Sie sehen: Das islamistische Personenpotenzial ist groß und wächst. Der islamistische Terror richtet sich dabei aber nicht primär gegen Juden, sondern gegen die »Ungläubigen« insgesamt und gegen unsere freiheitliche und moderne Lebensweise.

Müssten die jüdischen Gemeinden in Deutschland Ihrer Ansicht nach besser geschützt werden?
Aufgrund von islamistischen Ideologien besteht weiterhin eine erhöhte Gefahr für jüdische Einrichtungen, auch in Deutschland. Daher werden jüdische Einrichtungen hierzulande durch die Polizei der Bundesländer geschützt – immer auf Basis dortiger Lageeinschätzungen. Für alle Teile unserer Gesellschaft gilt: Die Polizei tut alles, damit wir weiterhin in einem der sichersten Länder der Welt leben können.

Thema Flüchtlinge: Das Gros kommt aus Ländern zu uns, in denen Hass auf Israel und Juden weit verbreitet ist. Ist die jüdische Gemeinschaft in Deutschland durch die Flüchtlinge gefährdet?
Eine derartige Entwicklung stellen wir derzeit nicht fest. Der gesellschaftliche Diskurs rund um das Thema Flüchtlinge wird in Deutschland allerdings sehr emotional und wenig faktenbasiert geführt. Gerade rechtsextremistische Kreise nutzen die aktuelle Situation für ihre Zwecke und betreiben hetzerische Propaganda gegen Flüchtlinge. Dem müssen wir Einhalt gebieten. Daher ist es wichtig, konkrete Daten zu erheben, um ein objektives Bild der Kriminalitätslage im Kontext von Zuwanderung zeichnen zu können. Das BKA erstellt fortlaufend eine Lageübersicht, anhand derer wir kriminelle Trends und Phänomene im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom ablesen.

Mit welchem Ergebnis?
Der überwiegende Teil der Menschen, der zu uns kommt, begeht keine Straftaten. Wenn es zu Gesetzesüberschreitungen kommt, han- delt es sich in zwei Drittel der Fälle um Diebstahls-, Vermögens- und Fälschungsdelikte. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt einzelne Gruppen, die besonders häufig straffällig werden. Dazu gehören Staatsangehörige aus Serbien, dem Kosovo, Mazedonien und Albanien. Darüber hinaus haben wir das Phänomen, dass Personengruppen Asyl beantragen, nur um ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland zur Begehung von Straftaten wie Wohnungseinbrüchen zu missbrauchen. Fest steht: Eine mögliche Gefahrenentwicklung für die jüdische Gemeinschaft haben wir bei unseren Kriminalitätsanalysen und Bewertungen genau im Blick.

Die Fragen an den Präsidenten des Bundeskriminalamtes stellte Philipp Peyman Engel.

Weiden

Muslimischer Prediger rief zur Tötung von Juden auf – Bewährungsstrafe

Neben der Freiheitsstrafe auf Bewährung wurde dem Mann eine Geldstrafe auferlegt

 13.12.2024

Israel

TV-Bericht: Netanjahu wurde vor dem 7. Oktober von zwei Seiten vor Angriff gewarnt

Im Krankenhaus soll der Ministerpräsident auf die Bedrohung angesprochen worden sein. Sein Büro spricht von »Verleumdung und Lügen«

 13.12.2024

Nahost

Acht Hamas-Mitglieder in Gaza getötet

Zu den Terroristen gehört ein Mann, der am Massaker vom 7. Oktober 2023 in Israel beteiligt war

 13.12.2024

Berlin/Jerusalem/Tel Aviv

60 Jahre diplomatische Beziehungen: Deutsch-israelischer Buchmesse-Pavillion abgesagt

Regierungsbeamte in Israel sind enttäuscht. Die Bundesregierung sieht die Sache anders

 13.12.2024 Aktualisiert

Meinung

Wenn Social Media zur Gefahr für die Demokratie wird

Politik und Plattformbetreiber müssen konsequent gegen Desinformation und Hetze vorgehen

von Anna Staroselski  12.12.2024

Berlin

Roth: Israelische Angriffe auf syrische Waffenlager verständlich

Israels Luftwaffe bombardiert seit dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad massiv militärische Einrichtungen in Syrien. Der SPD-Politiker zeigt dafür zum Teil Verständnis

 12.12.2024

Nach Eklat

Vatikan entfernt Jesus-Kind mit Keffiyeh

Nach tagelanger Kritik hat die katholische Kirche nun reagiert, auch wenn sie sich öffentlich nicht äußert

von Nils Kottmann  12.12.2024

Baden-Württemberg

Nach antisemitischen Anfeindungen: Innenminister will Pfarrer schützen

Ein evangelischer Pastor in Langenau bei Ulm wird seit Monaten wegen seiner Kritik an den Hamas-Massakern angefeindet

 12.12.2024

Berlin

Was die Bundesregierung gegen Antisemitismus tun will

Mehr Beauftragte, mehr Programme - und trotzdem mehr Judenhass. Der neue Bericht der Bundesregierung zeigt Fortschritte und Lücken bei der Bekämpfung von Antisemitismus auf. Eine Bilanz der vergangenen vier Jahre

 12.12.2024