Anschlag in Washington

Was über den mutmaßlichen Attentäter bekannt ist

Der mutmaßliche Attentäter kurz nach seiner Festnahme Foto: Screenshot

Was trieb den Attentäter von Washington zu seiner Tat? Diese Frage stellen sich nicht nur die Ermittler in Washington, die den 30-jährigen Elias Rodriguez nun vernehmen, sondern auch viele Menschen in Israel und im Rest der Welt.

Laut Pamela Smith, Chefin des Metropolitan Police Department von Washington, näherte Rodriguez sich am Mittwochabend (Ortszeit) einer Gruppe von vier Personen, zog dann eine Handfeuerwaffe und schoss auf die beiden israelischen Botschaftsmitarbeiter Sarah Milrim und Yaron Lischinsky. Beide starben.

Anschließend habe er die Waffe weggeworfen und sei in das Jüdische Museum gegangen, wo zuvor eine Veranstaltung des American Jewish Committee stattgefunden hatte. Rodriguez sei dort von Sicherheitskräften überwältigt und verhaftet worden.

Während seiner Festnahme habe er mehrmals »Free Palestine« gerufen, so die Polizeichefin. Der Attentäter war der Polizei bislang nicht bekannt. Die Waffe sei sichergestellt worden. Er habe zudem »angedeutet«, die Tat begangen zu haben, so Smith am späten Mittwochabend vor Journalisten in Washington.

Lesen Sie auch

Rodriguez ist laut Medienberichten in den USA bekannt für sein Engagement in der »Partei für Sozialismus und Befreiung« (PSL) und der »Black Lives Matter«-Bewegung. Während einer Demonstration in Chicago 2017 warf Rodriguez der Stadtverwaltung von Chicago und ihrem Bürgermeister Rahm Emanuel »systemischen Rassismus« vor.

Attentäter hinterlässt »Manifest«

Der US-Journalist Ken Klippenstein stieß mittlerweile auf ein offenbar von Elias Rodriguez verfasstes »Manifest«. Es ist auf den 20. Mai datiert und als Brief an seine Eltern und seine kleine Schwester formuliert. Rodriguez spricht von »unbeschreiblichen und unermesslichen Gräueltaten der Israelis gegen Palästina«. Diese würden ermöglicht »durch die Komplizenschaft westlicher und arabischer Regierungen«. Er habe keine Schwierigkeiten, Schätzungen zu glauben, die die Zahl der Opfer auf 100.000 oder mehr bezifferten, so der mutmaßliche Attentäter. »Israelis selbst prahlen mit ihrer eigenen Verwunderung darüber, dass die Amerikaner ihnen freie Hand lassen, die Palästinenser zu vernichten.«

Sein Manifest schließt Rodriguez mit dem Schlachtruf »Free Palestine« und der palästinensischen Flagge.

Terrorexperte: »Demonstrationen gegen Israel bilden Nährboden für Gewalt«

Der Terrorismusforscher Peter Neumann ordnet Rodriguez dem linksextremen Spektrum zu und sprach von einem terroristischen Akt. »Basierend auf seinem Manifest sieht sich der Attentäter als eine Art Rächer für die Tötung von Palästinensern in Gaza. Wenn sich irgendeine Strategie herauslesen lässt, dann wohl die, dass er möchte, dass sich Vertreter Israels und ihre Unterstützer nirgendwo mehr sicher fühlen sollen. Es geht ihm buchstäblich darum, sie zu terrorisieren.«

Der deutsche Terrorismusexperte Peter Neumann ist Professor am Londoner King’s CollegeFoto: picture alliance / dts-Agentur

Neumann betonte, es gebe durch die anhaltenden Proteste gegen Israel auch hierzulande einen »Nährboden für Gewalt«. Der Jüdischen Allgemeinen sagte er: »Was in Washington passiert ist, hätte auch in Deutschland geschehen können.«

Auf Demonstrationen und im Netz würden, anstatt sich von ihnen abzugrenzen, Gruppen wie die Hamas oder die Hisbollah verherrlicht. »Aus Gewalt gegen Zivilisten wird legitimer Widerstand, Täter werden zu Opfern. Das Ergebnis ist eine totale Enthemmung, in der antisemitischer und israelfeindlicher Terrorismus plötzlich als legitim, als notwendig, und sogar als heldenhaft gilt«, so Neumann.

Antisemitisches Motiv?

Unklar ist noch, ob auch Hass auf Juden ein Motiv war. Neumann äußerte sich zurückhaltend. »Anschlagsort war das Jüdische Museum in Washington. Dort fand an dem Abend ein Empfang für jüdische Diplomaten statt. Die Opfer waren nicht irgendwelche Juden - die der Attentäter wahrscheinlich auch in seinem Heimatort Chicago hätte finden können - sondern israelische Diplomaten.«

Ted Deutch, der Geschäftsführer des AJC und ehemalige Kongressabgeordnete der Demokraten, erklärte: »Während wir den Abschluss der polizeilichen Ermittlungen abwarten – und alle unsere Freunde und Verbündeten dazu auffordern, dies ebenfalls zu tun –, scheint es sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Angriff handelte, der aus Hass gegen das jüdische Volk und den jüdischen Staat motiviert war. Dieser sinnlose Hass und diese Gewalt müssen aufhören.«

Israels Außenminister Gideon Sa’ar machte indes eine Atmosphäre »antisemitischer und antiisraelischer Hetze« für die Tat mitverantwortlich. »Es gibt eine direkte Verbindung zwischen antisemitischer und antiisraelischer Hetze und diesem Mord«, sagte er bei einer Pressekonferenz in Jerusalem. »Diese Hetze wird auch von führenden Politikern und Offiziellen vieler Länder und internationaler Organisationen, insbesondere aus Europa, betrieben.«

»Was meiner Meinung nach fehlt, ist der Zusammenhang zwischen der geschaffenen Atmosphäre – den konkreten Worten – und dieser Welle des Antisemitismus, mit der wir konfrontiert sind«, so Sa’ar.

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025