Meinung

Was Gurlitts Sammlung erzählt

In der Wohnung von Cornelius Gurlitt wurden 1280 Bilder sichergestellt. Das weiß die Öffentlichkeit seit Wochen. Doch der Begriff »Bilder« ist viel zu nüchtern: Schätze, Ikonen, Kleinode wurden in München gefunden, und sie sind die wahren Protagonisten dieser Geschichte.

In ihnen spiegelt sich die Historie des deutsch-jüdischen Bürgertums, einer kleinen, aber durchaus wirkungsmächtigen Gruppe von Männern und Frauen, zu deren Selbstverständnis karitatives Engagement und auch Mäzenatentum gehörte. Denn was uns heute als Ikonen gilt, wurde einst verlacht und verachtet. Die Geschichte der »klassischen Moderne« handelt eben nicht nur von Malern, sondern auch von ihren Freunden und Förderern, ihren Händlern und Mäzenen.

Avantgarde Der Glaube an diese neue Kunst und die Unterstützung der oft unter prekären Umständen lebenden Maler hat maßgeblich zu ihrem Durchbruch beigetragen. Und es war oftmals die deutsch-jüdische Avantgarde, die sich für diese Bilder interessierte, sie in ihren Häusern einer gebildeten (Halb-)Öffentlichkeit präsentierte und damit in die gesellschaftliche Diskussion brachte.

Das gilt bereits für die französischen Impressionisten, die erstmals von dem russisch-jüdischen Ehepaar Carl und Felicie Bernstein 1882 nach Berlin gebracht und in ihrer dortigen Wohnung »ausgestellt« wurden, etwa Édouard Manets Fliederstrauß. Die Reaktionen darauf fielen sehr unterschiedlich aus. Max Liebermann, ein häufiger Gast der Bernsteins, hat den denkwürdigen Ausspruch des bekannten Berliner Malers Adolph Menzel überliefert: »Haben Sie wirklich Geld für diesen Dreck gegeben?«

moderne Die Begeisterung für neue Kunstrichtungen entsprang sicher nicht dem Bedürfnis nach Repräsentation und Prestige, sondern der Neugier auf avantgardistische, unkonventionelle Perspektiven. Und auch viele der Bilder, die in Gurlitts Wohnung lagerten, gehörten diesen Sammlern und Mäzenen, die insbesondere durch Kunstverständnis und Weitblick einen Aufbruch in die Moderne ermöglicht haben.

Dass dieser Aufbruch von den Nationalsozialisten brutal gestoppt, dass die Kunst verfemt und die Menschen vertrieben und ermordet wurden, ist Geschichte; Geschichte, die wieder einmal unsere Gegenwart kreuzt. Geblieben sind die Bilder und ihre rechtmäßigen Erben.

Die Autorin ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Moses Mendelssohn Zentrums Potsdam.

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  24.11.2025

Potsdam

BSW-Fraktionsvize tritt nach Reaktion auf AfD-Zitat zurück

Die Landtagsfraktion in Brandenburg ist nach vier Parteiaustritten in einer Krise. Nun tritt auch noch Fraktionsvize Dorst von seinem Amt zurück. Die Hintergründe

 24.11.2025

Soziale Medien

Plattform X: Israelfeindliche und antisemitische Inhalte aus Pakistan und der Türkei

Ein neues Transparenz-Feature zeigt: Angeblich von westlichen »Israelkritikern« betriebene Konten werden in Wirklichkeit aus anderen Teilen der Welt bearbeitet

 24.11.2025

Washington D.C.

Trump kündigt Einstufung der Muslimbrüder als Terrororganisation an

Der Organisation würde mit diesem Schritt der Zugang zu finanzieller Unterstützung verwehrt. Die Muslimbruderschaft wird immer wieder mit radikalen Ablegern in Verbindung gebracht

 24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025