Einspruch

Wahrer Luxus

Boris Moshkovits Foto: Jenny Posener

Einspruch

Wahrer Luxus

Boris Moshkovits fragt, welche Werte in der Corona-Pandemie überwiegen

von Boris Moshkovits  22.04.2021 08:54 Uhr

Seit Kurzem sind die meisten Menschen über 70 in Deutschland geimpft. Damit beginnt für viele ein neues Kapitel in der von Corona-Beschränkungen gebeutelten Zeit: endlich wieder Zeit mit den geimpften Großeltern, den Enkelkindern erleben. In den letzten Wochen war der größte Luxus, seinen Liebsten ohne Masken und ohne Abstand wiederbegegnen zu können.

Luxus ist Überfluss und Genuss zugleich. Doch das Verständnis davon, was wir als Luxus empfinden, ist individuell verschieden und hat sich gewandelt. Schon vor Corona war Luxus für die Generation Y, die sogenannten Millennials, eher das Erleben von besonderen Momenten und weniger die Anhäufung von Besitz. Als Tendenz schien sich eine Veränderung in der Gesellschaft abzuzeichnen: Verzicht als Tugend und als Instrument der Weltverbesserung.

statussymbole Nachhaltigkeitsforderungen von Bewegungen wie »Fridays for Future«, darunter auch die von der noch jüngeren Generation Z, geboren in den Nullerjahren, bestimmten die Demonstrationen und das Straßenbild vieler Städte.

Wahrer Luxus ist gesund sein, glücklich sein – und vor allem sorgenfrei.

Da schickt es sich eigentlich nicht, vor allem nicht in Deutschland, mit materiellem Luxus zu protzen. Aber sind alle jetzt wirklich bescheidener geworden, und nivelliert die Krise sogar Statussymbole?

Wenn die Welt plötzlich auf die eigenen vier Wände schrumpft, wirkt das Fernweh noch viel größer. Andere Länder zu erkunden, sich Erholung zu gönnen, Familie und Freunde weltweit zu besuchen, ist für die deutschen Weltmeister im Reisen eine wichtige Form des Zeitvertreibs und Lebensstils. Doch plötzlich sind die Bars, Restaurants und Hotels der ersehnten Metropolen nicht mehr Dreh- und Angelpunkt des kosmopolitischen Lebens. Denn dieser Luxus scheint fast zum Erliegen gekommen zu sein.

rückbesinnung In dieser Rückbesinnung etwas Gutes zu entdecken, fällt manchen schwer. Zu einem gewissen Grad ist alles etwas ruhiger geworden, weil das Leben in Zeiten von Corona uns alle auf das Wesentliche zurückwirft.

Haben oder Sein titelte der Soziologe Erich Fromm eines seiner bedeutendsten Werke: Der Mensch, der nicht mehr vom Besitz getrieben wird, sondern vom Sein, bestimmt zu sich selbst findet und sich frei entfaltet, gestaltet die Welt zum Besseren. So bleibt die Erkenntnis: Wahrer Luxus ist gesund sein, glücklich sein – und vor allem sorgenfrei.

Der Autor ist freier Berater für digitale Strategien und Unternehmer in Berlin.

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