Bundespräsident

»Verlässlicher Partner«

Zweite Amtszeit für Frank-Walter Steinmeier: Er wurde im ersten Wahlgang bestätigt. Foto: imago images/Xinhua

Der neue Hausherr in Schloss Bellevue wird der alte sein. Bereits im ersten Wahlgang bestätigte die Bundesversammlung Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsidenten. Auf Anhieb erhielt der 66-Jährige 1045 von 1425 gültigen Stimmen. Damit ist Steinmeier der fünfte von insgesamt zwölf Bundespräsidenten, der für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde.

Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) gab es erst einmal Standing Ovations für den Sieger. Zwar kam das Votum nicht wirklich überraschend – schließlich hatten sich sowohl SPD und Grüne als auch die CDU und die Liberalen im Vorfeld für Steinmeier ausgesprochen. Sehr wohl überraschend aber waren die ungewöhnlich offenen Worte in seiner Antrittsrede.

ukraine-krise Darin thematisierte er die aktuelle Ukraine-Krise und wandte sich unmittelbar mit einer Warnung an den russischen Präsidenten. »Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie!« Ferner forderte er Putin auf: »Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine! Suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt!«

Bemerkenswert war ebenfalls, dass er auf seinen Kontrahenten Gerhard Trabert und dessen Agenda einging. »Sie haben mit Ihrer Kandidatur auf ein Thema aufmerksam gemacht, das mehr Aufmerksamkeit verdient: die Lage der Ärmsten und Verwundbarsten in unserem Land«, erklärte Steinmeier weiter. »Ich würde mich freuen, wenn wir darüber ins Gespräch kämen.«

Aber auch für die Feinde einer offenen Gesellschaft, die von einer »Corona-Diktatur« fabulieren, hat er eine deutliche Botschaft. »Ich werde als Bundespräsident keine Kontroverse scheuen. Demokratie braucht Kontroverse. Aber es gibt eine rote Linie, und die verläuft bei Hass und Gewalt. Und diese rote Linie müssen wir halten in diesem Land!«

WERTE Mit seiner Antrittsrede verschaffte sich Steinmeier viel Respekt und Anerkennung. »Dies ist eine gute Wahl für Deutschland«, so auch Josef Schuster über die Abstimmung vom Sonntag. »In Zeiten, in denen von vielen Seiten an den Fundamenten unserer Demokratie gezerrt wird, steht er beständig und authentisch für die demokratischen Werte und verteidigt sie mit deutlichen Worten«, erklärt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

»Das ist ihm ein persönliches Anliegen, wie es sich auch in seiner eindrücklichen Rede in Yad Vashem vor zwei Jahren gezeigt hat. Der Bundespräsident benannte klar die historische Schuld Deutschlands an der Schoa und am Zweiten Weltkrieg und die daraus resultierende Verantwortung, Hass und Hetze nie mehr zuzulassen. Frank-Walter Steinmeier ist für die jüdische Gemeinschaft ein verlässlicher Partner.«

»Bundespräsident Steinmeier versteht mit der Macht des Wortes die Positionen des Guten zu vertreten, ohne zu verletzen, und versteht es doch, immer deutlich zu sein«, lautet die Einschätzung von Rabbiner Andreas Nachama, der wie Imam Sanci vom »House of One« an dem vor der Bundesversammlung stattgefundenen Gottesdienst teilgenommen hatte.

richtschnur »Seine Wiederwahl ist ein Glücksfall in einer Zeit, in der die Demokratie nicht von allen als Richtschnur verstanden wird, denn er lässt im Rahmen des Grundgesetzes auch anderen Positionen Raum«, so der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK).

»Konsequent hat Frank-Walter Steinmeier jeder Form des Antisemitismus den Kampf angesagt.«

maram stern, Geschäftsführer des World Jewish Congress

»Seine Stimme und sein Einsatz, die Gesellschaft zusammenzuhalten und sich aktiv gegen Polarisierung, Spaltung und wachsenden Hass zu wenden, wird in seiner zweiten Amtszeit wichtiger denn je sein«, betont gleichfalls Rabbiner Zsolt Balla vom Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD).

»Angesichts der besorgniserregenden Entwicklung, dass vor allem religiöse Minderheiten wie Juden oder Muslime immer mehr ins Fadenkreuz geraten und attackiert werden und auch die Religionsfreiheit von gewissen Teilen in Politik und Gesellschaft zunehmend infrage gestellt wird, wünschen wir uns vom Bundespräsidenten auch eine Signalwirkung, den im Grundgesetz garantierten Wert der Religionsfreiheit wieder zu stärken.«

Als deutsches Staatsoberhaupt sei er »der wichtigste Garant gegen das Vergessen und gegen die Gleichgültigkeit«, merkt auch Maram Stern an. »Konsequent hat Frank-Walter Steinmeier jeder Form des Antisemitismus den Kampf angesagt«, so der Geschäftsführer des Jüdischen Weltkongresses (WJC).

»Mit seiner zweiten Amtszeit bietet sich ihm die Gelegenheit, als Leitfigur nun weiterhin dafür zu sorgen, dass dieser Kampf auf allen Ebenen ebenso konsequent umgesetzt wird. Wenn jeder Polizeipräsident, jede Staatsanwältin und jeder Bürgermeister, über deren Schreibtisch das Bild des Bundespräsidenten hängt, sich nun auch verstärkt an diesem Kampf beteiligen wird, dann können wir dem widerlichen Antisemitismus endlich den Boden entziehen.«

ISRAEL Auch die deutsch-israelischen Beziehungen kann der alt-neue Bundespräsident vorantreiben. »So wie Steinmeier bei seiner jüngsten Reise nach Israel zum Abschied von Präsident Rivlin in sehr persönlicher Art die Freundschaft zu Israel vorgelebt hat, so sehr wünsche ich mir von ihm in seiner zweiten Amtszeit eigene Initiativen und Impulse auf neuen Feldern der Zusammenarbeit«, hofft Uwe Becker, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), und denkt dabei zum Beispiel an eine Deutsch-Israelische Hochschule oder einen gemeinsamen Fernsehsender.

»Damit könnte neben der dringend notwendigen Ausgestaltung des Deutsch-Israelischen Jugendwerks das wechselseitige Verständnis noch weiter ausgebaut werden, gerade auch bei der jüngeren Generation.«

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

»Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben«, schreibt Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025

New York

Antisemitische Äußerungen: Mitglied von Mamdanis Team tritt zurück

Die Tiraden von Catherine Almonte Da Costa sorgen für Entsetzen

 19.12.2025

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025