Justiz

Urteil gegen Synagogen-Attentäter steht bevor

Vor dem Landgericht in Magdeburg fand der Prozess gegen den Attentäter von Halle statt. Foto: dpa

Im Prozess gegen den Synagogen-Attentäter Stephan B., der am 9. Oktober 2019 in Halle an der Saale zwei Menschen erschoss, steht das Urteil bevor. Dem Rechtsterroristen und Antisemiten droht lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Die Urteilsverkündung wird am Montag, dem 21. Dezember um 11 Uhr erwartet.

ZEUGEN Einige der Menschen, die der 28-jährige Stephan B. aus Judenhass in der Synagoge töten wollte, ergriffen zum Schluss des Prozesses noch einmal selbst das Wort und zeigten über ein Jahr nach einem der schlimmsten antisemitischen Anschläge der Nachkriegsgeschichte in Deutschland mit ihren Statements ihre Stärke.

Der Angriff von Halle war einer der schlimmsten antisemitischen Anschläge der Nachkriegsgeschichte.

Der Angeklagte blieb emotionslos, beschäftigte sich mit seinen Notizen und versuchte erneut, seine rechtsextreme Gesinnung und seine Verschwörungsideologien darzulegen.

Das letzte Wort des 28-Jährigen, der sich am Attentäter von Christchurch in Neuseeland orientiert haben will, dauerte nur wenige Minuten: Als er den Holocaust leugnet, wird er lautstark unterbrochen und will dann auch nichts mehr sagen. Bereits zu Beginn des Prozesses hatte er in einem umfangreichen Geständnis seine Weltanschauung ausgebreitet.

MASKENPFLICHT Das Oberlandesgericht Naumburg in Sachsen-Anhalt verhandelte seit dem 21. Juli unter schwierigen Bedingungen. Aus Platzgründen wurde der Prozess in das Magdeburger Landgericht verlegt. Die Corona-Pandemie zwang zu verschärften Sicherheitsvorkehrungen, zuletzt galt FFP2-Maskenpflicht im gesamten Gebäude. Die insgesamt 45 Nebenkläger wurden von 23 Anwälten vertreten.

An den 25 Prozesstagen wurden 86 Zeugen und acht Sachverständige gehört. Überlebende der jüdischen Gemeinde, Polizisten, Opfer, Angehörige kamen zu Wort. Es waren emotionale, bedrückende Auftritte, die deutlich machten, dass B. zwei Menschen ermordet, aber auch das Leben von zahlreichen Gläubigen, Angehörigen der Opfer, Passanten und Polizisten für immer verändert, in einigen Fällen zerstört hat. Die meisten Zeugen leiden bis heute unter dem Trauma, das der Anschlag auslöste.

Die meisten Zeugen leiden bis heute unter dem Trauma, das der Anschlag auslöste.

Die Eltern und die Halbschwester des Angeklagten wollten keine Aussagen vor Gericht machen, sie schwiegen. So blieb unklar, inwieweit sie wussten, was der 28-Jährige für den Jom-Kippur-Tag, den höchsten jüdischen Feiertag, plante. Seit Jahren hatte sich B. viel im Kinderzimmer der Wohnung seiner Mutter zurückgezogen, sich offenbar im Internet radikalisiert und mit Waffenbau beschäftigt.

WAFFEN Am 9. Oktober 2019 gegen Mittag fuhr der Attentäter mit Sprengsätzen und Waffen zur Synagoge, versuchte dort einzudringen, schoss auf eine Tür, warf Sprengsätze auf das Gelände. Zu dem Zeitpunkt hielten sich dort 51 Menschen auf, um gemeinsam Jom Kippur zu feiern. B. scheiterte an der verschlossenen Holztür zum Gelände.

Schließlich erschoss er die zufällig vorbeilaufende 40-jährige Jana L. auf offener Straße, fuhr zu einem nahe gelegenen Döner-Imbiss und erschoss den 20-jährigen Kevin S., der dort Gast war. Auf der Flucht verletzte B. weitere Menschen zum Teil schwer.

Die Anklage geht von Mord in zwei Fällen und versuchtem Mord in mehreren Fällen aus, in denen es um 68 Menschen geht. Zudem werden B. weitere Straftaten wie Körperverletzung, räuberische Erpressung und Volksverhetzung vorgeworfen.

PLÄDOYERS Die Bundesanwaltschaft fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung für den Rechtsterroristen sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Sie hält B. auch weiterhin für gefährlich. Das psychiatrische Gutachten bescheinigte dem 28-Jährigen zwar eine komplexe Persönlichkeitsstörung, aber volle Schuldfähigkeit.

Die Nebenklage schloss sich dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft weitgehend an. Die Verteidigung des Angeklagten forderte kein konkretes Strafmaß, sondern ein gerechtes Urteil. Juristisch bewertet der Verteidiger den Anschlag auf die Synagoge allerdings nicht als strafbaren Mordversuch an 51 Gottesdienst-Besuchern, weil der Versuch nicht vollendet worden sei. Zudem hält der Verteidiger seinen Mandanten für zumindest vermindert schuldfähig. epd

Essay

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  18.09.2025 Aktualisiert

Yad Vashem

Holocaust-Bildungszentrum in Deutschland: Drei mögliche Standorte ausgewählt

In welchen Bundesländern könnte die Institution gebaut werden? Drei stehen auf der Liste

 18.09.2025

Gazakrieg

Trump: »Ich will, dass die Geiseln sofort freigelassen werden«

Beim Staatsbesuch des US-Präsidenten im Vereinigten Königreich ging es bei einer Pressekonferenz auch um den Gaza-Krieg. Dabei machte Donald Trump eine zentrale Forderung erneut deutlich

 18.09.2025

Initiative

Kampf gegen Judenhass: Bündnis fordert Taten von der Politik

Zahlreiche Persönlichkeiten und Organisationen beteiligen sich an einem Bündnis gegen Antisemitismus. Am Donnerstag traten sie mit einem Fünf-Punkte-Plan an die Öffentlichkeit

 18.09.2025

Antisemitismusverdacht

Ermittlung wegen Plakat »Juden haben hier Hausverbot« läuft

Ein antisemitischer Aushang in einem Flensburger Geschäft sorgt für Entsetzen. Politiker und Bürger reagieren deutlich. Die Staatsanwaltschaft schaltet sich ein

 18.09.2025

Washington D.C.

US-Gericht ordnet Abschiebung von Machmud Chalil an

Den israelfeindlichen Aktivisten würde die US-Regierung gern abschieben. Fehlende Angaben bei seiner Green Card könnten ihm zum Verhängnis werden

 18.09.2025

Meinung

Der erfundene »Völkermord«

Wer für einen Genozid verantwortlich ist, versorgt dessen angebliche Opfer nicht, warnt sie nicht vor Angriffen und richtet weder Fluchtrouten noch humanitäre Zonen ein

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Nürnberg

Annäherung nach Streit um Menschenrechtspreis-Verleihung

Die Israelitische Kultusgemeinde hatte den diesjährigen Träger des Nürnberger Menschenrechtspreises nach Bekanntgabe des Juryvotums kritisiert. Nach Gesprächen gibt es nun offenbar eine Verständigung

 18.09.2025

Meinung

Vereinte Nationen: Alter Wein in neuen Schläuchen

Kommende Woche soll in New York eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet werden. Sie ist hochproblematisch. Deutschland sollte dagegen stimmen

von Jacques Abramowicz  18.09.2025