Terror

Und danach?

Auch mit »Tornado«-Aufklärungsflügen soll die Bundeswehr den Krieg gegen die IS-Terrormiliz unterstützen. Foto: dpa

Der Bundestag hat vergangenen Freitag in aller Eile mit großer Mehrheit die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beschlossen. Frankreich hatte nach den Terroranschlägen in Paris mit 130 Toten um Beistand gebeten. 1200 Soldaten, Aufklärungsflugzeuge (»Recce-Tornados«) samt Tankflugzeug, einer Fregatte, Satellitenaufklärung.

Angesichts der Verantwortung als eines der einflussreichsten Länder in Europa ist das ein eher symbolischer Beitrag – zudem ohne unmittelbare Kampfeinsätze. Die Bundeswehr dürfte den Beitrag trotz des Mangels an Spezialisten und einsatzbereiten wichtigen Systemen gerade noch gewährleisten können – viel mehr aber bei über einem Dutzend weiterer weltweiter Einsätze derzeit wohl kaum.

leistungsgrenzen Der Anti-IS-Einsatz zeigt die Leistungsgrenzen der Bundeswehr auf. Deutsche Nichtbeteiligung hätte aber andererseits die Leistungsgrenzen der durch die vorangegangenen Krisen arg gebeutelten europäischen Solidarität überschritten, zumal sich die Terrordrohungen an ganz Europa – im antisemitischen Duktus der Islamisten: an alle »zionistisch gesteuerten Kreuzfahrerstaaten« – richten.

Macht der Einsatz über den Aspekt einer Demonstration des Zusammenhalts einer Wertegemeinschaft hinaus Sinn? Schieben wir die emotional verständlichen Rufe nach der Befriedigung von Rache für die Pariser Anschläge beiseite, so ergibt sich die Frage: Was wollen wir erreichen? Gemäß der schon nach den 9/11-Anschlägen praktizierten Logik ist der Terror da zu bekämpfen, wo scheinbar seine Wurzeln sind.

Damals waren es afghanische Terrorcamps, heute das »Kalifat« in Syrien und im Irak. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) unterstreicht: »Wenn wir Terror und Fluchtursachen bekämpfen wollen, müssen wir vor Ort ansetzen.« Der Bundeswehreinsatz soll neben der Terrorbekämpfung also der Bekämpfung der Ursachen der Flüchtlingsströme dienen.

stabilität Dass nur durch Stabilität in der Krisenregion die Flüchtlingsströme zu verringern sind, ist unbestritten. Der seit 2001 laufende Afghanistaneinsatz verdeutlicht dies brandaktuell: Mit der Truppenreduzierung steigen die Flüchtlingszahlen in Deutschland wieder rapide. Nachhaltigkeit sieht anders aus. Es fehlt hinreichende soziale und politische Stabilität. Ministerin und Opposition fordern daher für den Anti-IS-Einsatz zu Recht einen politischen Gesamtansatz. Angesichts der Gemengelage an Interessen dürfte es eine Herkulesaufgabe werden, einen Konsens herzustellen – zumal nicht nur der IS Flüchtlinge verursacht. Man kann also durchaus insgeheim hoffen, dass der Anti-IS-Einsatz zur Reduzierung der Flüchtlingsströme beiträgt.

Greift aber die Logik, man bekämpfe auf diese Weise den Terror? Kann man gar den IS »zerstören«, wie es der NATO-Generalsekretär formuliert? Kurzfristig kann der Einsatz sicher die IS-Terrorausbildung erschweren und den IS in diesem Gebiet eindämmen. Das ist gut, aber: Selbst wenn man den sich von der »schiitischen Achse« bedrängt fühlenden Sunniten überzeugende Alternativen zum IS bietet und sein »Kalifat« an Zulauf verliert – IS-Ableger in Afrika stehen schon bereit.

Eine Erfahrung aus dem Afghanistaneinsatz ist außerdem: Während noch deutsche Soldaten in Afghanistan ihr Leben verloren, wurden bereits Ausbildungslager nach Pakistan ausgelagert, schlugen neue Terrorgruppen weltweit zu. Militärisch kann man Terror erschweren, aber nicht »auslöschen«. Wir, die oft genug mit Israel zittern, wissen das nur zu gut.

terroristen Ob der Einsatz tatsächlich Terroranschlägen in Europa vorbeugen kann, ist eine ganz andere Frage. Hier werden leicht Ursache und Wirkung verwechselt. Der islamistische Terror in Europa ist mehrheitlich hausgemacht. Erst, nachdem hiesige Islamisten durch Prediger, Internet und Freunde radikalisiert worden waren, gingen Einzelne von ihnen nach Afghanistan oder nach Syrien. Sie brauchen kein »Kalifat« – genauso wenig, wie sie vorher das Taliban-Regime brauchten, um Terroristen zu werden.

Wir müssen erkennen, dass für »unsere« sinnsuchende islamistische Jugend die Stars des Terrors wie Osama bin Laden oder Denis Cuspert genauso austauschbar sind wie die Terrororganisationen IS oder Al-Qaida als mentaler Bezugsrahmen. Die Verführten brauchen nur die Idee einer historischen heiligen Mission, in der sie zu den Auserwählten und Wissenden gehören. Und diese Idee lässt sich nicht durch Bomben in Syrien beseitigen. Wir müssen auf diese Idee reagieren – in Europa.

werteordnung Jüdische Soldatinnen und Soldaten verbergen beim Einsatz im islamischen Raum oft ihre »Jüdischkeit«. Längst sind sie nicht mehr nur der rechtsextremen Hetze im Inland ausgesetzt. Wenn jüdische Soldatinnen und Soldaten ihr Leben für Deutschland riskieren, dann wollen sie nach ihren Einsätzen in ein Land zurückkehren, das sie vor islamistischer Hetze schützt. Sie wollen, dass die deutsche Gesellschaft aktiv für eine Vermittlung unserer Werteordnung eintritt; dass die zu uns Kommenden nicht nur registriert werden und dann über Jahre in administrativen Verfahren alleine gelassen werden. Hunderttausende darf man nicht den Agitatoren überlassen.

Die Hausaufgabe lautet: Nachhaltige Integrationsprogramme so schnell wie möglich, konsequentes Zurückdrängen islamistischer Parallelwelten, ohne dabei alle Muslime unter Generalverdacht zu stellen, sowie eine »Immunisierung« gegen antidemokratische, islamistische Heilslehren. Integration heißt darum auch politische Bildung, soziale Eingemeindung, Arbeit, Vermeidung von Ghettoisierung. Das ist proaktive Terrorbekämpfung zu Hause. Nur ist das leider viel schwieriger, als durchaus zurecht eine Bombe auf ein IS-Lager zu werfen.

Der Autor ist Oberst im Generalstab der Bundeswehr und Vorsitzender des Bundes jüdischer Soldaten.

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