Türkei

Israelischer Fußballprofi nach Geste der Solidarität verhaftet

Eine Geste, die ihm viel Ärger einbringt: Sagiv Jehezkel beim Torjubel Foto: IMAGO/Depo Photos

Es ging alles sehr schnell: Nach einer Solidaritätsaktion mit den von der Hamas entführten Geiseln wurde der israelischen Fußballprofi Sagiv Jehezkel, seit September in Diensten des türkischen Erstligisten Antalyaspor, am Montag von der Polizei verhaftet und einem Richter vorgeführt. Medienberichten zufolge soll er noch heute des Landes verwiesen und nach Israel ausgeflogen werden.

Beim Spiel gegen Trabzonspor am Sonntag hatte der Stürmer zwar zur Freude der Anhänger von Antalyaspor den Ausgleich erzielt. Als der 28-Jährige seine Hand zum Jubel erhob, war auf einem Verband die Aufschrift »100 days – 7.10.« sowie ein Davidstern zu sehen. Damit wollte Jehezkel an die genau vor 100 Tagen in den Gazastreifen verschleppten Israelis erinnern.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Doch die Klubverantwortlichen von Antalya fanden seine Geste gar nicht in Ordnung und warfen Jehezkel gleich nach Ende des Spiels aus dem Kader. Der Vorstand teilte nur Stunden nach Abpfiff mit, man strebe die Auflösung des Vertrags mit dem achtfachen israelischen Nationalspieler an. »Nationale Werte stehen über allem«, polterte Vereinspräsident Sinan Boztepe. »Unser Vorstand wird niemals ein Verhalten zulassen, das gegen die Befindlichkeiten unseres Landes verstößt, selbst wenn dies zu einer Meisterschaft oder einem Pokal führt.«

 Der Türkische Fußballverband TFF nannte Jehezkels Geste ebenfalls »völlig inakzeptabel« und begrüßte das Einschreiten des Süper-Lig-Klubs aus der türkischen Stadt am Mittelmeer.

Und auch die Justiz wurde umgehend tätig. Die Generalstaatsanwaltschaft von Antalya habe eine Untersuchung gegen den Spieler wegen »öffentlicher Anstiftung zu Hass und Feindseligkeit« eingeleitet, teilte der türkische Justizminister Yılmaz Tunç auf der Social-Media-Plattform X mit.  Die Solidaritätsadresse Jehezkels mit den Geiseln bezeichnete Tunç in kruden Worten als »hässliche Aktion zur Unterstützung des von Israel begangenen Massakers in Gaza«.

Der Politiker der islamischen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan weiter: »Ich verurteile erneut die Angriffe Israels, das seit mehr als 100 Tagen in Gaza Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord an Kindern oder Frauen begeht, egal ob jung oder alt.« Sein Land werde »den unterdrückten Palästinensern immer zur Seite stehen«, so Tunç.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Am Montagfrüh wurde Jehezkel verhaftet und einem Richter vorgeführt. Er habe mit seiner Aktion nicht provozieren wollen, soll sich der Spieler Medienberichten zufolge eingelassen haben. Er wolle, so Jehezkel, dass der Krieg in Gaza bald ende.

Die israelische Nachrichtenseite »YNetnews« zitierte ihn mit den Worten: »Während meiner gesamten Zeit in der Türkei habe ich mich nie zu diesem Thema geäußert. Als mich die Vereinsverantwortlichen vor einem Spiel in Gaziantep über eine Zeremonie zum Gedenken an die Opfer in Gaza informierten und mir erlaubten, nicht daran teilzunehmen, blieb ich in Antalya, und alles war gut. Im Grunde habe ich ein halbes Herz gemalt und die Zahl 100 geschrieben. Das war nicht als Provokation gedacht, ganz im Gegenteil. Es geht um das Mitgefühl für die Gefangenen, die schon so viele Tage dort sind. Ich habe während meiner gesamten Zeit darauf bestanden, mich ausschließlich auf den Fußball zu konzentrieren.«

»Das ist die Türkei 2024«

In Israel war die Empörung über das türkische Verhalten groß. Der frühere Ministerpräsident Naftali Bennett nannte die Behandlung Jehezkels eine »Schande«. Auf X schrieb Bennett: »Willkommen im Mitternachtsexpress der Türkei. Unglaublich…Das ist die Türkei 2024.« Der israelische Fußballverband postete ein Foto Jehezkels auf X und schrieb dazu: »Wir sind so stolz auf dich.«

Ein Vertrauter des Spielers sagte »Ynetnews«, Jehezkels Familienangehörige stünden wegen der Sache »unter einem enormem Druck«. Der Profi hatte 2022 seine Freundin Eilan Yosef geheiratet; im Juni des vergangenen Jahres bekam das Paar einen Sohn. »Wir haben gesehen, was sie in der Türkei tun. Sie versuchen, einen Fall gegen ihn zu konstruieren, um damit Israel zu diskreditieren, und das alles nur wegen einer humanitären Geste«, so der Vertraute.

Das israelische Außenministerium teilte am Montagvormittag mit, Jehezkal werde noch im Laufe des Tages nach Israel zurückfliegen. Man habe »mit allen zuständigen Behörden in der Türkei zusammengearbeitet, um die rasche Freilassung« Spielers zu erreichen. Offenbar wird Jehezkel nun des Landes verwiesen.

Lagodinsky: »Ausdruck der Missachtung jeglicher Humanität«

In Jerusalem erklärte Israels Außenminister Israel Katz: »Die Türkei ist zu einer dunklen Diktatur geworden, die gegen humanitäre Werte und die Werte des Sports arbeitet. Wer einen Fußballspieler verhaftet, weil er sich mit 136 Geiseln solidarisiert, die seit über 100 Tagen in der Hand einer mörderischen Terrororganisation sind, steht für eine Kultur des Mordes und des Hasses.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem Beginn von Israels Militäreinsatz gegen die Hamas hat der türkische Staatschef Erdoğan Israel wiederholt als »terroristischen Staat« und die Hamas als »Befreiungsorganisation« bezeichnet. Den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sieht er hingegen als »Schlächter von Gaza«.

Kritik an der Positionierung Ankaras kam auch vom Grünen-Politiker Sergey Lagodinsky. Der deutsche Abgeordnete im Europäischen Parlament (EP) leitet die EP-Delegation für die Beziehungen mit dem türkischen Parlament. Der Jüdischen Allgemeinen sagte Lagodinsky: »Jedem Land steht es frei, sich zu internationalen Situationen zu positionieren. Aber einen ausländischen Sportler nur dafür zu kriminalisieren, dass er gegen Massaker an eigenen Landsleuten auftritt, ist nicht nur rechtlicher Unsinn, sondern auch Ausdruck der Missachtung jeglicher Humanität.«

Die türkische Regierung müsse aufpassen, dass ihre »staatlich kultivierte Solidarität mit Palästinensern nicht in Feindschaft gegenüber Israelis umkippt«, betonte der Europapolitiker. Bereits im Dezember hatte Lagodinsky bei einem Treffen mit türkischen Parlamentariern mit Blick auf die Beziehungen Ankaras zur Hamas dazu aufgerufen, dass die türkische Regierung und Politik Terrorismus beim Namen nennen möge.

Ben-Gvir fordert Türkei-Boykott

Jüngst hatten die türkische Behörden mehr als zwei Dutzend angebliche Spione für Israel verhaftet. Die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern, die sich vor dem 7. Oktober wieder verbessert hatten, sind nun erneut auf einem Tiefpunkt angelangt.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der rechtsextreme israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, bezeichnete seinerseits den türkischen Präsidenten als »Nazi«. Auf X forderte er die Israelis auf, nicht mehr in die Türkei zu fliegen, keine türkischen Produkte mehr zu kaufen oder in irgendeiner Weise »gegenüber der Türkei Nachsicht zu zeigen. Wir können nicht mit Füßen getreten werden.«

Nicht nur in der Türkei, auch in anderen Staaten müssen Sportler, die sich pro-israelisch oder solidarisch mit den Geiseln in Gaza äußerten, mit Sanktionen rechnen. Am Freitag wurde bekannt, dass dem jüdischen Cricket-Spieler David Teeger die Kapitänsbinde der südafrikanischem U19-Nationalmannschaft entzogen wurde – angeblich, weil man befürchte, dass er wegen seiner israelfreundlichen Ansichten »Konflikte oder sogar Gewalt« befürchte. Teeger hatte bei einer Preisverleihung im Dezember israelische Soldaten gelobt.

Meinung

Die Schande von Berlin

Dass mehr als 300 Professoren und Dozenten sich hinter Demonstranten stellen, die antisemitische Schlachtrufe skandieren, Terror verherrlichen und zur Gewalt gegen Juden aufrufen, erinnert an dunkelste Zeiten der deutschen Geschichte

von Philipp Peyman Engel  11.05.2024 Aktualisiert

New York

»UN treiben Terrorstaat voran«

Israel verurteilt Aufwertung der Palästinenser in Weltorganisation

 10.05.2024

Hamburg

Strikte Auflagen für neue Islamisten-Demo

Auch eine Geschlechtertrennung wurde untersagt

 10.05.2024

Antisemitismus

Entsetzen über Gewalttat an Uni Hamburg

Bei einem Vortrag zum Thema Antisemitismus wurde eine 56-jährige Frau von einer anderen Frau krankenhausreif geschlagen

von Michael Thaidigsmann  10.05.2024

Berlin

Pistorius: Verständnis für mögliche US-Waffenbeschränkungen gegen Israel

Der Verteidigungsminister sagt, auch die Bundesregierung berate über entsprechende Schritte

 10.05.2024

Berlin

Studierendenverband für Auflösung von Protestcamps an Hochschulen

Der fzs wendet sich zugleich gegen ein »brutales Vorgehen der Polizei«

 10.05.2024

Einspruch

Zerstörte Unbeschwertheit

Sabine Brandes bedauert, dass ihre Kinder im Ausland aus Angst die israelische Identität verbergen müssen

von Sabine Brandes  10.05.2024

Demonstrationen

Grenzen des Sagbaren

Der Jurist Patrick Heinemann erklärt, wo bei israelfeindlichen Parolen die Meinungsfreiheit endet – und was trotz allem nicht justiziabel ist

von Nils Kottmann  10.05.2024

Kriminalität

Neue Dimension: Antisemitische Straftaten steigen sprunghaft an

Zu diesen Vergehen gehören 14 Gewalttaten

 10.05.2024