Porträt

Trumps rechte Hand

Foto: picture alliance / REUTERS

2024 hält Donald Trump es mit der Verkündung seines Vize ein wenig so wie damals mit seiner Reality-Show »The Apprentice«: Erst mal fliegen Leute raus. Während die Delegierten beim Parteitag in Milwaukee gerade dabei sind, den Republikaner offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten zu küren, tröpfeln die ersten Nachrichten herein. Der Senator Marco Rubio: raus. Der Gouverneur Doug Burgum: raus. Ihre Namen kursierten seit Wochen, genau wie der des schlussendlich Auserwählten. Den liefert der 78-Jährige dann auf seinem Sprachrohr Truth Social, wo sonst: J.D. Vance.

Der Außenseiter

Anders als Trumps Vizepräsident während dessen erster Amtszeit, Mike Pence, schaut Vance nicht auf eine lange politische Laufbahn zurück. In der Hauptstadt Washington ist er ein Newcomer. Erst seit 2023 vertritt er als Senator im Kongress seinen Heimatbundesstaat Ohio, machte dort in den vergangenen anderthalb Jahren aber mächtig Lärm als Anhänger des rechten Flügels der republikanischen Fraktion. Trump, der selbst vom politischen Außenseiter zum Präsidenten der Vereinigten Staaten wurde, hat sich mit Vance also einen Vize ausgesucht, der ihm zumindest in dieser Rolle ähnelt.

Ähnlichkeiten mit Trump zeigt Vance auch bei seiner scharfen Rhetorik. Das zeigte sich, als der 39-Jährige nur wenige Stunden nach dem Attentat auf Trump am Wochenende US-Präsident Joe Biden die Schuld gibt. Es war zu erwarten, dass die Attacke, bei der ein Trump-Anhänger getötet, zwei weitere verwundet und Trump am Ohr verletzt wurde, politisiert wird. Vance´ Post auf der Plattform X kam aber doch auffällig schnell. 

Der Autor

Im Gegensatz zu Trump stammt Vance allerdings aus einer Arbeiterfamilie. Er wuchs in Ohio in instabilen Verhältnissen auf und verbrachte große Teile seiner Kindheit bei den Großeltern. Nach dem Schulabschluss ging er zum Militär, diente im Zuge dessen auch im Irak. Im Anschluss begann Vance, der immer wieder den Stellenwert von Bildung betont, seine akademische Laufbahn - er beendete sie als Jurist mit Abschlusszeugnis von der Eliteuniversität Yale. Dort lernte er auch seine heutige Ehefrau Usha Chilukuri Vance kennen, eine Tochter indischer Einwanderer, mit der er drei Kinder hat. Später arbeitete er als Wagniskapitalgeber, unter anderem im kalifornischen Silicon Valley. 

Während seiner Zeit im Finanzsektor begann Vance zunehmend, über seine eigenen Wurzeln und die Herausforderungen der weißen Arbeiterklasse zu reflektieren, aus der er stammt. Diese Eindrücke flossen in seine Memoiren »Hillbilly-Elegie« ein, mit denen er 2016 Erfolge feierte. Der Bestseller, der auch verfilmt wurde, erzählt von einer Schicht, die damals Trumps Wahlsieg mit möglich machte. Mit dem Buch bekam Vance nicht nur Anerkennung, sondern auch eine Möglichkeit, seine politischen Anliegen in den öffentlichen Diskurs zu bringen. 

Der Wandelbare

Vance hatte vor einigen Jahren wenig freundliche Worte für Trump übrig. Er sprach von sich selbst als »Never Trumper« und nannte den Republikaner einen »Idioten«. Angeblich soll er Trump auch einmal in einer privaten Nachricht mit Adolf Hitler verglichen haben. Und Vance schrieb in einem Meinungsstück in der »New York Times«: »Herr Trump ist ungeeignet für das höchste Amt unseres Landes.« In die Politik stieg Vance aber erst 2021 so wirklich ein und kandidierte ein Jahr später für den US-Senat. 

Im parteiinternen Vorwahlkampf warf Vance dann auch seine alten Bedenken über Bord und sicherte sich Trumps Unterstützung - und somit schließlich auch den Sieg über die parteiinterne Konkurrenz. Seinen Erfolg bei der Wahl um den Senatsposten dürfte Vance allerdings nicht nur seiner politischen Botschaft, sondern auch äußerst spendablen Geldgebern zu verdanken haben, die er aus seiner Zeit an der Westküste kennt. Darunter ist der Paypal-Gründer Peter Thiel - er spendete Millionen für den Wahlkampf. So oder so: Für einen politischen Neueinsteiger ist ein Senatsposten ein beachtlicher Karrierestart. 

Der Hardliner

Auch in Deutschland und Europa dürfte man gespannt auf Trumps Vizekandidaten schauen. Er steht beispielhaft für den konservativen Isolationismus, der sich bei den Republikanern durchgesetzt hat. Der hat unter Trump und dessen Amerika-zuerst-Politik Schule gemacht und ist der Gegenentwurf zur interventionistischen Außenpolitik eines Ronald Reagans oder George W. Bushs. 

Vance spricht sich besonders deutlich gegen die Milliardenunterstützung der USA für die von Russland angegriffene Ukraine aus. Wenige Tage vor Ausbruch des Krieges sagte Vance dem rechten Scharfmacher Steve Bannon: »Es ist mir eigentlich egal, was mit der Ukraine passiert, so oder so.« Gut zwei Jahre später schrieb er: »Bidens Regierung hat keinen tragfähigen Plan, wie die Ukrainer diesen Krieg gewinnen können. Je eher sich die Amerikaner dieser Wahrheit stellen, desto eher können wir dieses Chaos beheben und für den Frieden vermitteln.« Von den Europäern erwartet Vance, mehr für die Ukraine zu tun. Gleichzeitig stellt Vance sich hinter Israel im Kampf gegen die islamistische Hamas. 

Innenpolitisch ist er ein Abtreibungsgegner und hat sich gegen die Festschreibung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch per Gesetz oder den bundesweiten Zugang zu Verhütungsmitteln gestellt. Auch bei anderen gesellschaftlichen Themen orientiert er sich weitgehend am rechten Flügel der Partei. Vance fordert eine Einwanderung nach Leistungsprinzip und die Fertigstellung von Trumps Grenzmauer. Er sagte außerdem einst: »Ich bin skeptisch gegenüber der Vorstellung, dass der Klimawandel allein durch den Menschen verursacht wird.«

Der Vizekandidat

Schon in der Ankündigung, dass Vance sein Vize wird, machte Trump klar, worin er die Aufgaben des jungen Senators sieht. Vance werde sich im Wahlkampf unter anderem auf Arbeiter und Farmer in umkämpften Bundesstaaten wie Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Ohio, Minnesota konzentrieren, schrieb er. Diese sogenannten Swing States sind weder fest in der Hand der Demokraten noch der Republikaner - und sind damit wahlentscheidend. Trump dürfte sich von Vance also versprechen, dass er Wählerinnen und Wähler aus der weißen Arbeiterschicht Amerikas anzieht. 

In den vergangenen Monaten war viel über Trumps möglichen Vizekandidaten spekuliert worden. Beobachter hatten damit gerechnet, dass Trump - selbst ein alter weißer Mann - wegen des Zugangs zu bestimmten Wählergruppen auf eine Frau oder einen Schwarzen setzen würde. Schon in den vergangenen Wochen hatte sich aber herauskristallisiert, dass dies nicht der Fall sein würde.

Vance stand nun zwar auf dem Parteitag im Milwaukee im Mittelpunkt - zumindest so lange, bis Trump mit einem Verband am Ohr auftauchte. Wofür er im Wahlkampf und möglicherweise als Vizepräsident stehen will, hat er aber bisher nicht verraten. Seine Rede beim Parteitag wird traditionell in der deutschen Nacht zu Donnerstag erwartet. 

Doha

Krieg zwischen Israel und Iran: Wadephul will »Kompromiss« finden

Innerhalb der nächsten Woche müsse der ernsthafte Versuch unternommen werden, »die Spirale der Gewalt« zu unterbrechen, sagt der Bundesaußenminister

 15.06.2025

Berlin

Erneuter antisemitischer Angriff auf Neuköllner Kulturkneipe

14-Jähriger soll Pflasterstein geworfen haben. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt

 15.06.2025

Carsten Ovens

Israel verteidigt sich – und schützt die Region

Warum der Angriff auf iranische Atomanlagen notwendig war – und was Europa daraus lernen muss

von Carsten Ovens  15.06.2025

Krieg

Iran feuert neue Raketenwelle auf Israel ab: Mehrere Tote

Die Mullahs holen erneut zu einem Angriff auf den jüdischen Staat aus

 15.06.2025 Aktualisiert

Meinung

Nie wieder Opfer!

Israels Angriff auf Irans Atomanlagen war unausweichlich. Denn eine Konsequenz aus der jüdischen Geschichte lautet: Wenn es hart auf hart kommt, besser zuerst schlagen als zuerst und dann für immer geschlagen zu werden

von Michael Wolffsohn  14.06.2025

Thüringen

Verfassungsschutzchef warnt vor islamistischen Anschlägen gegen jüdische und israelische Einrichtungen

Kramer: Wir müssen davon ausgehen, dass die Hemmschwelle weiter sinken wird, auch gewalttätig zu werden

 13.06.2025

Gerhard Conrad

»Regime Change im Iran wäre noch wichtiger als die Zerstörung der Atomanlagen«

Der Ex-BND-Geiselunterhändler und Nahostexperte zum israelischen Militärschlag gegen den Iran und die Konsequenzen für den Nahen Osten

von Michael Thaidigsmann  13.06.2025

Gespräch

Beauftragter Klein: Kirche muss Antijudaismus aufarbeiten

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein kritisiert die Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Ihm geht es um antijüdische Aspekte. Klein äußert sich auch zum christlich-jüdischen Dialog - und zum Papst

von Leticia Witte  13.06.2025

Schlag gegen Iran

Ein notwendiger Schritt

Israel hat alles Recht der Welt, sich gegen das iranische Atomprogramm zu wehren. Teheran darf niemals in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Ein Kommentar von Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  13.06.2025