Corona-Pandemie

»Triage nicht mit jüdischer Ethik vereinbar«

Der Thüringer Landesrabbiner Alexander Nachama Foto: imago images/Karina Hessland

Die Triage ist nach den Worten des Thüringer Landesrabbiners Alexander Nachama nicht mit der jüdischen Ethik vereinbar. »Im Talmud heißt es: ›Du darfst nicht Leben gegen Leben aufrechnen.‹ Das bedeutet, keiner darf bei der medizinischen Behandlung bevorzugt werden, etwa aufgrund von Alter oder Vorerkrankungen«, sagte Nachama am Mittwochabend bei den »Erfurter Kreuzganggesprächen«.

BEATMUNGSGERÄT In der Reihenfolge, in der Patienten ins Krankenhaus kämen, müssten sie auch behandelt werden. »Und wenn ein älterer Mensch das letzte Beatmungsgerät hat, dann darf man ihm das nicht entziehen, um vielleicht einen jüngeren Patienten zu retten.«

Ein klares Nein erteile das Judentum auch jeglicher Form von Sterbehilfe, so Nachama in seinem Vortrag über Probleme der Medizinethik aus jüdischer Sicht. »Ein Sterbender ist wie ein Lebender zu behandeln.« Wer das Sterben eines Menschen beschleunige, sei »wie ein Mörder zu behandeln«, wie es im Talmud heiße.

PATIENTENVERFÜGUNG Auch solle die Familie sich nicht mit der Planung der Beerdigung beschäftigen, solange der Betroffene noch lebe. Wenn es eine Patientenverfügung gebe, könne man in der Behandlung darauf eingehen, jedoch dürfe nach traditioneller jüdischer Auffassung keine Nahrung, kein Wasser und kein Sauerstoff entzogen werden.

Nachama betonte, der Schutz des Lebens sei im Judentum zentral. Im Talmud heiße es etwa: »Jeder, der ein Leben zerstört, wird so betrachtet, als hätte er eine ganze Welt zerstört. Jeder, der ein Leben rettet, wird so betrachtet, als habe er eine ganze Welt gerettet.«

ORGANSPENDEN Problematisch seien auch Organspenden, erläuterte Nachama. So dürfe ein hirntoter Mensch nicht mit einem Toten gleichgesetzt werden. Einem Hirntoten ein Organ zu entnehmen, wenn das zu seinem Tod führt, etwa die Entnahme des Herzens, sei gegen die jüdische Ethik, weil damit ein Leben gegen ein anderes aufgewogen werde.

Die »Erfurter Kreuzganggespräche«, die wegen der Corona-Pandemie digital stattfinden, stehen in diesem Jahr unter dem Motto »Denkanstöße: Jüdische Stimmen in der pluralen Gesellschaft«. Anlass der Themenwahl sind die laufenden Gedenkjahre »1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« und »Neun Jahrhunderte Jüdisches Leben in Thüringen«. kna

Vatikan

Robert Francis Prevost ist neuer Papst

Er ist der erste Amerikaner in diesem Amt und hat sich den Namen Leo XIV. gegeben

von Philipp Znidar, Sabina Crisan  09.05.2025 Aktualisiert

Gedenken

Steinmeier: »Flüchten wir nicht aus unserer Geschichte«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach bei der Gedenkstunde im Bundestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs über Gefahren für die Demokratie

 08.05.2025

Gericht

AfD rechtsextrem? Verfassungsschutz gibt Stillhaltezusage ab

Damit können die Verfassungsschützer die AfD nicht beobachten, bis das Verwaltungsgericht Köln ein Urteil gefällt hat

 08.05.2025

Kommentar

Die Menschen in Gaza brauchen schnell Hilfe

Eine Demokratie wie Israel sollte sich nicht auf schmutzige Kriegstaktiken wie die Blockade von Hilfsgütern einlassen, auch wenn es sich bei der Hamas um skrupellose, abgrundtief böse Terroristen handelt

von Nils Kottmann  08.05.2025

Kommentar

Ulrike Eifler, die Linkspartei und die Auslöschung Israels

Ein hochrangiges Mitglied der Partei delegitimiert auf X Israel. Die Linke muss sich klar davon distanzieren, wenn sie glaubwürdig für Menschenrechte eintreten will

von Andreas Büttner  08.05.2025

Kommentar

Der Ukraine-Krieg überlagert die Pluralität der Erinnerungen

Die Auffassung, dass jeder nach seiner Fasson dem Zweiten Weltkrieg gedenkt, wurde durch Russlands Einmarsch in die Ukraine zerstört. Lenin- und Roter Stern-Orden jüdischer Veteranen und Veteraninnen und ihre »hundert Gramm« in Erinnerung an die gefallenen Kameraden wirken deplatziert

von Dmitrij Belkin  08.05.2025

Umfrage

80 Jahre Kriegsende – Jeder fünfte Deutsche will mehr Gedenken

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die Wehrmacht. Der Zweite Weltkrieg war vorüber. In Berlin und anderswo erinnern die Menschen an die Millionen Opfer. Jüdische Vertreter würdigen die Erinnerungskultur - und warnen zugleich

von Leticia Witte  08.05.2025

Debatte

Schuster: AfD-Regierung wäre für Juden das Signal zur Auswanderung

Die hohen Zustimmungswerte der AfD machen gerade Juden besorgt. Zentralratspräsident Josef Schuster erinnert an die 1930er Jahre: Auch in der NS-Zeit hätten viele Juden lange nicht für möglich gehalten, was dann folgte

von Christoph Schmidt  07.05.2025

Globaler Antisemitismus

J7 beklagen Staatsversagen beim Kampf gegen Judenhass

Ziele sind Einrichtungen wie Synagogen und Schulen - aber auch Menschen. Ein Bericht zeigt erschreckende Zahlen zu Antisemitismus in Deutschland, den USA, Argentinien, Großbritannien, Kanada, Frankreich und Australien

von Leticia Witte  07.05.2025