Kindertransporte

Symbolische Anerkennung nach 80 Jahren

Kinder aus Wien bei der Ankunft in Harwich Foto: Getty Images

Kindertransporte

Symbolische Anerkennung nach 80 Jahren

Die von der Claims Conference erwirkten Zahlungen an Überlebende finden überwiegend Zuspruch

von Martin Krauss  04.01.2019 11:40 Uhr

Es bedurfte vermutlich eines Jahrestages, um aus der Erinnerung an die sogenannten Kindertransporte so etwas wie konkrete Politik werden zu lassen: Die Bundesregierung und die Conference on Jewish Material Claims Against Germany hatten sich Ende 2018 darauf verständigt, dass die Überlebenden der Verschickungsak­tionen, die 1938 und 1939 für eine kleine Gruppe Rettung bedeuteten, Entschädigungszahlungen erhalten. Einmalige Zahlungen von 2500 Euro sind möglich.

Was für den Bundeshaushalt nur eine geringe Belastung bedeuten dürfte, hat nach den Worten von Julius Berman, dem Präsidenten der Claims Conference, eine »historische Bedeutung«. Berman sagte: »Unser Team hat die Hoffnung nie aufgegeben, dass der Moment kommen würde, in dem wir diese historische Ankündigung machen können.«

Bedingt durch den Schock, den die Pogrome in Deutschland um den 9. November bewirkt hatten, entschied sich im Dezember 1938 zunächst das britische Parlament und einen Tag später – unabhängig von dem Londoner Beschluss – das belgische Parlament, unbegleitete jüdische Kinder aus Deutschland einreisen zu lassen.

gastfamilien Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 konnten so mehr als 10.000 Mädchen und Jungen vor allem aus Deutschland, aber auch aus dem bereits besetzten oder »angeschlossenen« Österreich und der Tschechoslowakei ohne ihre Eltern nach Großbritannien reisen. Dort wurden sie in Gastfamilien untergebracht. Es war meist Rettung nur für die Kinder, ihre Eltern sahen die meisten nie wieder. »Sie mussten die Last tragen, ein Leben lang von ihren Eltern und Familien getrennt zu sein«, sagte Stuart Eizenstat, der für die Claims Conference die Verhandlungen führte. »Sie erhalten jetzt ein kleines Maß an Gerechtigkeit«, so der frühere amerikanische Botschafter und Finanzminister.

Von einer, »wenn auch sehr verspäteten Anerkennung ihres Verfolgungsschicksals« für die Überlebenden spricht auch Jost Rebentisch vom Bundesverband Information & Beratung für NS-Verfolgte. »Dass es aber überhaupt nötig ist, immer wieder Lücken zu schließen, ist auch entlarvend: Es hat in Deutschland eben keine großzügige und umfassende Entschädigungs- und Wiedergutmachungsregelung für alle, die die Verfolgung durch die Nazis erlitten haben, gegeben. Vielmehr gab es über viele Jahre immer wieder neue Regelungen, Vorschriften und Gesetze, die die Unzulänglichkeiten ihrer Vorgänger ausgleichen oder abmildern sollten. Und diese wurden dann in der Regel auch noch immer reichlich restriktiv gehandhabt.«

symbolcharakter Von einer Zahlung mit Symbolcharakter spricht auch Rüdiger Mahlo, Deutschland-Repräsentant der Claims Conference. Gerade in dieser Hinsicht sei sie bedeutend: »Es ist uns endlich gelungen, auch Überlebenden der Kindertransporte eine symbolische Anerkennungszahlung zukommen zu lassen. Damit ist eine schmerzliche Lücke in den Entschädigungsregelungen geschlossen worden.«

Greg Schneider, Executive Vice President der Claims Conference, erinnerte noch einmal daran, das Leid und das Opfer der Eltern und ihrer Kinder von damals zu beschreiben: »Niemand kann sich den Schmerz auf den Bahnsteigen vorstellen, als die Kindertransporte begannen, und die außergewöhnlichen Schritte, die diese Eltern unternommen haben, um das Leben ihrer Kinder zu retten – ein Leben, das diese Kinder ohne Mütter, ohne Väter und in vielen Fällen ohne andere Angehörige führen mussten.«

Die Auszahlung der Gelder über den sogenannten Kindertransportfonds hat am 1. Januar begonnen. Anträge können gestellt werden. Auch die wenigen Überlebenden, die in den 50er-Jahren eine geringe Zahlung erhalten haben, können die jetzt ausgehandelte Entschädigung erhalten.

www.claimscon.de

Israel

Steinmeier verteidigt Treffen mit Netanjahu

Der Bundespräsident erteilt den Forderungen von Amnesty International eine klare Absage

 13.05.2025

Meinung

Bruch von Weimer mit Roths Politik: Ein notwendiger Neuanfang

Selten haben so viele kultivierte Menschen einen Kulturstaatsminister so heftig kritisiert wie Wolfram Weimer. Dabei hat er innerhalb von wenigen Tagen gleich zwei wichtige Zeichen gesetzt

von Maria Ossowski  13.05.2025

Budapest

Acht Israelis von deutschen Touristen angegriffen

Eines der Opfer: »Mein Gesicht war zerkratzt und meine Brille und Kippa waren weg.«

 13.05.2025

Debatte

CSU-Landesgruppenchef nennt Linke »antisemitisch«

In der vergangenen Woche hat die Union bei der Kanzlerwahl in einer Verfahrensfrage zusammen mit der Linken gestimmt. Das soll aber die absolute Ausnahme bleiben

 13.05.2025

Jubiläum

Steinmeier beginnt zweitägigen Besuch in Israel

Erst besucht Israels Präsident Herzog Berlin, jetzt Bundespräsident Steinmeier Jerusalem. Er will sich dort auch mit Israels Regierungschef Netanyahu treffen – obwohl ihm davon abgeraten wird

 13.05.2025

Prozess

Verfahren um Brandanschlag auf Oldenburger Synagoge beginnt

Der Angeklagte ist vermutlich psychisch schwer erkrankt und war zur Tatzeit unter Umständen schuldunfähig

 13.05.2025

Den Haag

Bericht: Khan beantragte Haftbefehle aus politischen Motiven

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wollte durch seine Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant Druck auf Israel ausüben, so ein westlicher Diplomat der »Jerusalem Post«

 13.05.2025

Berlin

Dobrindt verbietet »Königreich Deutschland«

Laut Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sind die von den Reichsbürgern verbreiteten antisemitischen Verschwörungsmythen einer der Gründe für das Verbot

 13.05.2025

Meinung

Die Linkspartei, ihr Bundesparteitag und der Abschied vom Eintreten gegen Judenhass

Wer sich als vorgeblich sozialistische Partei mit einer Bewegung solidarisiert, die Frauen steinigt, Homosexuelle verbrennt und den Judenmord als oberstes Ziel ihrer Bemühungen proklamiert, hat keine Ehre. Ein Kommentar von Andrej Hermlin

von Andrej Hermlin  13.05.2025 Aktualisiert