Meinung

Süddeutscher Wiederholungszwang

Noch keine zwei Monate ist es her, dass die Süddeutsche Zeitung mit der Bebilderung eines Artikels zum Thema Israel gewaltig ins Fettnäpfchen getreten war: »Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde halten das Land für einen gefräßigen Moloch«, stand als Bildunterschrift unter einer Karikatur des Zeichners Ernst Kahl, die zwar ein gefräßiges Monster zeigt, aber in einem ganz anderen Kontext entstanden war.

Diese Text-Bild-Kombination rief geradezu zwangsläufig Assoziationen an antisemitische Karikaturen aus der NS-Zeitung »Der Stürmer« hervor. Die verantwortliche Redakteurin Franziska Augstein entschuldigte sich halbherzig, die Redaktion der Süddeutschen räumte ein, dass man einen Fehler gemacht habe.

Doch offenbar herrscht in den Redaktionsräumen an der Isar eine Art Wiederholungszwang. Am Montag illustrierte das Blatt seine Leserbriefseite, die sich dem Chaos am Mainzer Hauptbahnhof widmete, mit einem Foto von verlassenen Gleisanlagen. »Um die richtigen Weichen zu stellen, braucht die Bahn Personal«, stand darunter. Machte schon der erste Blick stutzig, verschaffte ein genaueres Hinsehen Gewissheit: Es handelt sich um ein Foto der Gleise im NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, im Hintergrund sind deutlich Stacheldraht und Wachtürme zu sehen.

fauxpas Will die Süddeutsche Zeitung uns mitteilen, dass damals, als es noch genügend Personal gab und alles vorschriftsmäßig nach Plan lief, die Weichen richtig gestellt wurden? Sicher wäre es absurd, der Redaktion zu unterstellen, sie habe bewusst die Opfer der Schoa verhöhnen wollen. Und doch muss man sich fragen, wie ein solcher Fauxpas geschehen kann.

Entweder herrscht bei der SZ eine generelle Wurschtigkeit – eine These, die durch die wieder mal eher lahme Entschuldigung einen Tag später (zehn versteckte Zeilen neben einem niedlichen Fehlerteufelchen des Hauskarikaturisten Luis Murschetz) erhärtet wird. Oder aber die Instinktlosigkeit und die historische Unbildung der Redakteure sind beispiellos. Man brauchte ein Archivfoto mit dem Schlagwort »Gleisanlagen« – und weder dem Fotoredakteur noch dem Mitarbeiter, der die Seite betreute, noch der Schlussredaktion ist aufgefallen, um welch ein Foto es sich handelt. Eine gewaltige kollektive Fehlleistung – hoffentlich keine der Freudschen Art.

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Ahmad Mansour gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025