NS-Zeit

Studie: Gründer von Heckler & Koch stellte sich in den Dienst der Nazis

Von Heckler & Koch hergestellte Sturmgewehre der Bundeswehr Foto: picture alliance/dpa

Die Firmengründer der Waffenschmiede Heckler & Koch (H&K) sind in Nazi-Zeiten einer Studie zufolge Mitläufer gewesen. Drei Historiker der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) stellten in Oberndorf die Studie »Waffeningenieure im Zwielicht« vor, die im kommenden Jahr veröffentlicht werden soll. »Edmund Heckler war ein Opportunist, der sich mit seinem Fachwissen in den Dienst der Kriegsvorbereitung und Kriegswirtschaft stellte«, heißt es darin. Ein aktiver Nazi sei er aber nicht gewesen.

Vor knapp drei Jahren hatte ein Zeitungsartikel mit schweren Vorwürfen für Aufsehen gesorgt. Daraufhin erteilte das Unternehmen einen Auftrag an die renommierte Forschungseinrichtung, die schon zahlreiche andere Firmen auf ihre Nazi-Vergangenheit durchleuchtet hatte. Zu Beginn der Studienvorstellung betonte H&K-Chef Jens Bodo Koch, sein Unternehmen stehe für Transparenz und Offenheit. Die Vorwürfe hätten schwer gewogen, man habe aber schnell reagiert.

Bildlastige Firmenchronik Die deutsche Industrie war tief in die Nazi-Verbrechen verstrickt. Zahlreiche Firmen haben ihre durch den Einsatz von Zwangsarbeitern belastete Vergangenheit von Historikern längst aufarbeiten lassen, ob Daimler, BASF oder Bayer. Heckler & Koch ist hierbei ein Sonderfall, da die Firmengründung erst 1949, also in Zeiten der Bundesrepublik, erfolgte. Mit der Frage, was ihre Gründer davor getan hatten, beschäftigte sich die Firma jahrzehntelang nicht. Eine bildlastige Firmenchronik, die zum 50-jährigen Bestehen 1999 erschien, ging darauf nicht kritisch ein.

In der Studie geht es um die drei Gründer Edmund Heckler, Theodor Koch und Alexius Seidel: Alle drei hatten bei den Mauser-Werken gearbeitet, die gewissermaßen ein Vorläufer von Heckler & Koch waren. Heckler war in den 30ern allerdings zum Munitionshersteller Hasag gewechselt, wo ein glühender Nazi auf dem Chefposten saß und immer mehr NSDAP-Parteigenossen und SS-Mitglieder um sich scharte.

Zu dieser Nazi-Schar gehörte der Schwabe zunächst nicht: Unter den 38 Prokuristen der Hasag war Heckler der Studie zufolge einer der letzten, der in die NSDAP eintrat - das tat er Ende 1939. Kurz danach wurde er Leiter eines Kartuschenwerks im sächsischen Taucha.

»Hölle von Kamienna« Nach Beginn des deutschen Angriffskriegs am 1. September 1939 war eine etwa 100-köpfige Kommission der Hasag noch im selben Monat nach Polen gereist, um polnische Munitionswerke zu inspizieren und dann zu übernehmen. Eines der Werke wurde zur »Hölle von Kamienna«, wie es der Historiker Rainer Karlsch formulierte. Etwa 20.000 Menschen kamen dort bis 1944 ums Leben. Es drängt sich die Frage auf, ob Heckler bei den in Polen begangenen Verbrechen seines damaligen Arbeitgebers, der Hasag, involviert war.

Nein, sagen die Historiker. »An den Verbrechen der Hasag in den polnischen Werken ist er nicht beteiligt«, so Karlsch. Heckler sei 1939 nur für zwei Wochen in Polen gewesen - »und dann nie wieder«. Verbrechen der Hasag hat es aber auch in Taucha gegeben - also in der Stadt, wo der Ingenieur Heckler tätig war. Bei diesen Verbrechen ging es Zeugenaussagen zufolge um ein Panzerfaustwerk, das erst im Herbst 1944 aus dem Boden gestampft wurde. Dort wurden KZ-Häftlinge besonders schlimm behandelt.

In dem direkt daneben gelegenen Kartuschenwerk waren die Zustände vermutlich weniger schlimm. Das schlussfolgern die Wissenschaftler aus der Tatsache, dass Überlebende ihr Leid im Panzerfaustwerk geschildert haben - solche Berichte über die Kartuschenfabrik gibt es nicht. Makaber ist ein Brief, der von einem führenden Hasag-Mitarbeiter kurz nach Kriegsende an den Bürgermeister von Taucha geschrieben wurde.

Erbärmlicher Zustand Darin lehnt der Manager es ab, dass seine Firma sich um 50 noch in Taucha befindliche ehemalige KZ-Häftlinge kümmert. Diese Menschen befanden sich in einem erbärmlichen Zustand und wurden nicht versorgt. Heckler wiederum überbrachte besagten Brief, der die kalte Absage enthielt. Historiker Karlsch betont, dass Heckler nicht Verfasser des Briefes gewesen sei. »Wie er sich persönlich zu dem Elend verhält, das wissen wir nicht.«

H&K-Gründer Theodor Koch war ein Fördermitglied der SS, er unterstützte die nationalsozialistische Organisation finanziell. Er sei aber »kein engagierter Nationalsozialist« gewesen, sagte Studienautorin Stefanie van de Kerkhof. Möglicherweise stand die SS-Fördermitgliedschaft auch in einem Zusammenhang mit einem Streit Kochs mit einem NSDAP-Ortsgruppenleiter, der kurz vor der Fördermitgliedschaft aktenkundig wurde - also gewissermaßen als Beschwichtigung diente. Auch den dritten Gründer, Alexius Seidel, sehen die Wissenschaftler nicht als aktiven Nazi.

Der langjährige Firmenkritiker und Friedensaktivist Jürgen Grässlin bewertete es positiv, dass die Studie neue Erkenntnisse zu Tage gebracht habe. Er warnte aber davor, die Rolle von Heckler und Koch als kleine Zahnräder in der Vernichtungsmaschinerie der Nazis zu verharmlosen. »Ohne die bestens funktionierenden Zahnräder in der Rüstungsindustrie hätte der Massenmord der Nationalsozialisten mit den Rüstungsgütern nicht ausgeübt werden können.« Grässlin untermauerte seine Forderung nach einer Umbenennung der Firma.

Yad Vashem

Merz: »Wir werden die Erinnerung lebendig halten«

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche für Kanzler Merz. Der zweite Tag in Israel beginnt für ihn mit dem Besuch eines besonderen Ortes

 07.12.2025

Umfrage

KAS-Studie: Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine neue Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vorgelegt. Dabei wurden auch Einstellungen zu Juden abgefragt

 07.12.2025

Simi Valley

»Vorbildliche Verbündete«: Hegseth nennt Israel und Deutschland

Die Signale, die jüngst aus den USA in Richtung Europa drangen, waren alles andere als positiv. Der US-Verteidigungsminister findet nun allerdings nicht nur Lob für den jüdischen Staat, sondern auch für einige EU-Staaten

 07.12.2025

Soziale Medien

Musk nach Millionenstrafe gegen X: EU abschaffen

Beim Kurznachrichtendienst X fehlt es an Transparenz, befand die EU-Kommission - und verhängte eine Strafe gegen das Unternehmen von Elon Musk. Der reagiert auf seine Weise

 07.12.2025

Jerusalem

Merz: Deutschland wird immer an der Seite Israels stehen

Der Bundeskanzler bekräftigt bei seiner Israel-Reise die enge Partnerschaft. Am Sonntag besucht er die Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem und trifft Premierminister Benjamin Netanjahu

von Sara Lemel  07.12.2025 Aktualisiert

Diplomatie

»Dem Terror der Hamas endgültig die Grundlage entziehen«

Es ist eine seiner bisher wichtigsten Auslandsreisen, aber auch eine der schwierigsten. Kanzler Merz ist für zwei Tage im Nahen Osten unterwegs

 06.12.2025

Jerusalem

Merz trifft Netanjahu und besucht Holocaust-Gedenkstätte

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche von Kanzler Merz - aber auch einer der schwierigsten. In den Beziehungen zu Israel gab es in den letzten Monaten einige Turbulenzen

von Michael Fischer  06.12.2025

Akaba/Jerusalem

Merz zu Nahost-Reise aufgebrochen: Antrittsbesuch in Israel 

Das Renten-Drama ist überstanden, jetzt geht es für den Kanzler erstmal ins Ausland. Heute und morgen steht ein besonderer Antrittsbesuch auf seinem Programm

 06.12.2025

Wien

EBU: Boykott hat keine Folgen für Finanzierung des ESC 2026

Der Gesangswettbewerb steht unter Druck. Die Boykott-Welle hat laut der Europäischen Rundfunkunion aber keine Auswirkungen auf dessen Finanzierung. Es werden aktuell rund 35 Staaten erwartet

 05.12.2025