Israel

Staat und Status

Israel bleibt, was es seit 1948 ist: ein jüdischer und demokratischer Staat. Foto: dpa

In einem Interview im Jahr 2007 meinte der ehemalige Knesset-Sprecher und Vorsitzende der Jewish Agency, Avram Burg, »den Staat Israel als jüdischen Staat zu definieren, ist der Schlüssel zu seinem Ende. Ein jüdischer Staat birgt Zündstoff. Das wäre Dynamit«. Der Ausbruch Burgs steht stellvertretend für eine seltsame Kontroverse, die in den vergangenen Wochen Israel beherrschte und auch eines der bestimmenden Themen im kommenden Wahlkampf wird – all das wegen eines Gesetzes, mit dem etwas verankert werden soll, das längst existiert.

Der Gesetzentwurf mit dem Titel »Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes« war ursprünglich vom Likud-Abgeordneten Ze’ev Elkin 2011 als Antrag in der Knesset eingebracht worden. Nun hat die Regierung ihm zugestimmt. Premierminister Netanjahu wollte eine abgemilderte Fassung des Gesetzes dem Parlament zur Abstimmung vorlegen, unterstützt von einem breiten Spektrum von Politikern der Mitte und rechts von der Mitte.

reaktionen Die Reaktionen im anderen politischen Lager – in Israel wie im Ausland – fielen wütend aus. Viele arabische Israelis protestierten, indem sie im Internet Fotos von sich mit dem Stempel »Zweiter-Klasse-Bürger« posteten. Mordechai Kremnitzer und Amir Fuchs vom Israel Democracy Institute erklärten, das Gesetz sei »eine Gefahr für die zionistische Idee«. Das US-Außenministerium warnte: »Wir erwarten von Israel, dass es seinen demokratischen Prinzipien treu bleibt.«

Die Zeitung Haaretz blies ins gleiche Horn und behauptete, das Gesetz »schwäche die demokratischen Institutionen«. Selbst die Juraprofessorin Ruth Gavison, die sonst der Idee einer eher zionistischen Vision des Staates aufgeschlossen gegenübersteht, zeigte sich überzeugt, das Gesetz werde »die empfindliche Balance« zwischen jüdischen, demokratischen und Menschenrechten stören.

Was die Kritiker dabei übersehen, ist, dass nicht nur Israel, sondern viele Nationalstaaten – so unterschiedliche wie beispielsweise Griechenland, Irland und Japan – Aspekte ihrer nationalen und religiösen Identität gesetzlich verankert haben. Auch handelt es sich bei dem neuen Nationalstaatsgesetz mit seiner Definition Israels als überwiegend jüdischem Staat nicht um einen Bruch mit der bisherigen Praxis. In der Unabhängigkeitserklärung Israels von 1948, von der Kritiker des neuen Gesetzes behaupten, sie »finde einen Mittelweg« zwischen den Polen »jüdisch« und »demokratisch«, kommen die Worte »Juden« und »jüdisch« 24-mal vor, das Wort »demokratisch« kein einziges Mal.

gleichheit Die Erklärung erwähnt das Recht der Juden, »Herr ihres eigenen Schicksals zu sein«, das »Recht des jüdischen Volkes auf eine nationale Wiedergeburt« und das »Recht des jüdischen Volkes, seine nationale Heimat wiederaufzubauen«. Zugleich enthält die Unabhängigkeitserklärung einen Paragrafen, der die »vollständige Gleichheit aller Bewohner« garantiert, und stellt fest, der Staat gewähre diesen Bewohnern Freiheit, »wie die Propheten Israels sie sich vorstellten«. Diejenigen, die das jetzt vorliegende neue Gesetz kritisieren, weil es angeblich im Widerspruch zur Unabhängigkeitserklärung oder der ursprünglichen zionistischen Vision stehe, haben die Unabhängigkeitserklärung offensichtlich nicht gelesen.

Warum dann ein neues Gesetz, wenn, wie Kremnitzer und Fuchs anmerken, der jüdische Charakter Israels bereits »in der Unabhängigkeitserklärung, dem Rückkehrergesetz, in den Gesetzen zur Fahne, Nationalhymne und den nationalen Symbolen enthalten« ist? Das Nationalstaatsgesetz ist das Ergebnis von Befürchtungen, dass die Schaffung eines palästinensischen Staates zu Forderungen nach neuen nationalen Minderheitenrechten der arabischen Bürger Israels und »einem Staat aller Bürger« führen würde, wie sie in letzter Zeit von arabischen NGOs vorgebracht würden.

aspekte Palästina würde also zu einem palästinensischen Nationalstaat für Palästinenser, während zur gleichen Zeit von Israel verlangt würde, es solle die jüdischen Aspekte des Landes zurückstufen. Darauf hat auch Benjamin Netanjahu verwiesen, als er von der Palästinensischen Autonomiebehörde verlangte, Israel als einen jüdischen Staat anzuerkennen.

Das neue Gesetz enthält nichts, was an den Rechten und dem Status der arabischen Bürger Israels etwas ändert oder dem bestehenden zionistischen Paradigma widerspräche. Tatsache ist, dass einigen Israelis die Vorstellung nicht geheuer ist, laut zu erklären, dass Israel ein jüdischer Nationalstaat ist. Sie glauben, dass die Idee des Nationalstaats zu nationalistisch sei, sie möchten, dass Israel europäischer wird.

Ob Israel den Weg der europäischen Länder wählen sollte, die ihren Status als Nationalstaat aufgegeben und sich einen Multikulturalismus nach amerikanischer Art zu eigen gemacht haben, ist eine Debatte, die die Israelis offen und ehrlich führen müssen – ohne das, was das neue Nationalstaatsgesetz tatsächlich beinhaltet, demagogisch aufzubauschen.

Der Autor ist Meinungsredakteur der Jerusalem Post.

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025

Ramallah

Nach Hammer-Angriff auf Israeli - mutmaßlicher Täter getötet

Vor mehr als einem Jahr kam ein israelischer Wachmann im Westjordanland bei einem Angriff ums Leben. Seitdem haben israelische Sicherheitskräfte nach dem flüchtigen Täter gesucht

 25.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Berlin

RIAS: Polizei erfasst antisemitische Taten lückenhaft

Der Bundesverband sagt, es gebe strukturelle Probleme, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen und ein insgesamt unzureichendes Bild antisemitischer Hasskriminalität in den offiziellen Statistiken

 25.11.2025