Lüneburg

Späte Gerechtigkeit

Hedy Bohm Foto: Moritz Piehler

Hedy Bohm hat seit Kriegsende Deutschland nur noch auf der Durchreise betreten. Ein paar Mal auf dem Flughafen, einmal, vor 45 Jahren, für ein paar Tage in Frankfurt. Sie konnte nicht zurückkehren in das Land, das die Schuld an der Schoa trägt. Jetzt sitzt die 86-Jährige in einem frühlingshaft geblümten Blazer in einer Kleinstadtidylle im norddeutschen Lüneburg.

Hedy Bohm ist froh, hier zu sein. Dieses Mal sei ihr die Reise nach Deutschland nicht schwergefallen, erzählt sie, die mit 16 Jahren das Konzentrationslager Auschwitz überlebte und nur durch die Abordnung in ein Arbeitslager von VW in Fallersleben vor der Ermordung gerettet wurde.

buchhalter Denn Hedy Bohm ist hierher zurückgekehrt, um als Nebenklägerin gegen den »Buchhalter von Auschwitz«, den mittlerweile 93-jährigen Oskar Gröning, auszusagen. »Ich komme her, um etwas Positives zu bewirken«, sagt sie. »Ich kann eine Stimme sein für meine Eltern und meine Familie, die nicht mehr hier sein können.«

Der frühere SS-Unterscharführer Oskar Gröning muss sich vor dem Landgericht wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verantworten. Er war für das Gepäck der verschleppten Menschen auf der Bahnrampe von Auschwitz mit zuständig und verbuchte als Buchhalter das Geld, das sie bei sich hatten. Die Staatsanwaltschaft Hannover wirft ihm vor, Spuren der Massentötung verwischt zu haben, indem er half, Gepäck wegzuschaffen. Die Anklage beschränkt sich auf die Zeit zwischen dem 16. Mai und dem 11. Juli 1944, als in Auschwitz rund 425.000 Menschen aus Ungarn mit Eisenbahntransporten eintrafen. Mindestens 300.000 von ihnen wurde in den Gaskammern getötet.

beihilfe Es wird wohl einer der letzten Prozesse gegen einen Verantwortlichen der NS-Verbrechen sein, der am Dienstag vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg unter Vorsitz von Franz Kompisch beginnt. 27 Prozesstage sind angesetzt, um Gröning nachzuweisen, dass er sich der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht hat. Er selbst sprach bislang stets davon, dass an seinen Händen kein Blut klebe.

Für die Angehörigen und Überlebenden geht es jedoch um weit mehr als um einen der letzten Täter. Hedy Bohm, die seit 1948 in Toronto, Kanada, wohnt, sagt: »Mir geht es nicht um eine Strafe, ich habe auch keine Rachegefühle. Es ist nicht wichtig, dass er ins Gefängnis geht, sondern dass dieser Prozess überhaupt stattfindet.«

gedenktag Sie habe nie daran geglaubt, diesen Moment noch erleben zu können, dass sie im Täterland Deutschland an einem Prozess gegen einen NS-Verbrecher teilnehmen kann. Das geht den anderen Vertretern der 62 Nebenkläger, die sich in Lüneburg eingefunden haben, ähnlich.

Und auch Anwalt Thomas Walther, der maßgeblichen Anteil am Zustandekommen des Verfahrens hat, betont die Bedeutung dieses späten Prozesses: »Wir gedenken dieser Tage viel des Kriegsendes und der Befreiung, doch auch der Prozessauftakt ist ein Gedenktag. Ein Gedenktag der Versäumnisse.«

Australien

Mann solidarisiert sich mit Sydney-Attentätern – Festnahme

Bei dem Verdächtigen wurden Einkaufslisten für den Bau einer Bombe und Munition gefunden. Es erging bereits Anklage

 24.12.2025

Washington

US-Regierung nimmt deutsche Organisation HateAid ins Visier

Die beiden Leiterinnen wurden wegen angeblicher Zensur amerikanischer Online-Plattformen mit Einreiseverboten belegt. Die Bundesregierung protestiert

 24.12.2025

Großbritannien

Israelfeindlicher Protest: Greta Thunberg festgenommen

In London treffen sich Mitglieder der verbotenen Gruppe Palestine Action zu einer Protestaktion. Auch die schwedische Aktivistin ist dabei. Die Polizei schreitet ein

 23.12.2025

Stockholm

Was bleibt von den Mahnungen der Überlebenden?

Der Schoa-Überlebende Leon Weintraub warnt vor der AfD und Fanatismus weltweit. Was für eine Zukunft hat die deutsche Erinnerungskultur?

von Michael Brandt  23.12.2025

Israel

Netanjahu warnt Türkei

Israel will die Zusammenarbeit mit Griechenland und Zypern stärken. Gleichzeitig richtet der Premier scharfe Worte an Ankara

 23.12.2025

New York

Mitglieder von Mamdanis Team haben Verbindungen zu »antizionistischen« Gruppen

Laut ADL haben mehr als 80 Nominierte entsprechende Kontakte oder eine dokumentierte Vorgeschichte mit israelfeindlichen Äußerungen

 23.12.2025

Düsseldorf

Reul: Bei einer Zusammenarbeit mit der AfD wäre ich weg aus der CDU

Die CDU hat jede koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der AfD strikt ausgeschlossen. Sollte sich daran jemals etwas ändern, will Nordrhein-Westfalens Innenminister persönliche Konsequenzen ziehen

 23.12.2025

Interview

»Diskrepanzen zwischen warmen Worten und konkreten Maßnahmen«

Nach dem Massaker von Sydney fragen sich nicht nur viele Juden: Wie kann es sein, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt? Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht Defizite

von Leticia Witte  22.12.2025

Washington D.C.

Kritik an fehlenden Epstein-Dateien: Minister erklärt sich

Am Freitag begann das US-Justizministerium mit der Veröffentlichung von Epstein-Akten. Keine 24 Stunden später fehlen plötzlich mehrere Dateien - angeblich aus einem bestimmten Grund

von Khang Mischke  22.12.2025