Geiselabkommen

Sorge um das Schicksal der verbliebenen deutschen Geiseln

Auch die Kinder Kfir und Ariel Bibas haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie sind nach wie vor im Gazastreifen. Foto: picture alliance / newscom

Mit Arbel Yehoud und Gadi Moses sind am Donnerstag zwei weitere Israelis aus der Geiselhaft der Hamas freigekommen. Beide wurden am 7. Oktober aus dem Kibbuz Nir Oz verschleppt. 

Und beide haben familiäre Verbindungen nach Deutschland: Arbel Yehoud ist die Urenkelin der Künstlers Curt Singer, der 1935 auf der Flucht vor den Nazis von Hamburg nach Palästina auswanderte. Er zog 1982 ins Kibbuz Nir Oz und verstarb dort 1989. Arbel Yehoud ist 1995 geboren. Gad Moshe Moses ist Jahrgang 1944. Sein Vater Ernst stammt aus dem nordhessischen Treysa. Die Wurzeln der Familie sollen dort bis ins Jahr 1788 zurückreichen. 

Nach Medienangaben haben Arbel Yehoud und Gadi Moses die deutsche Staatsbürgerschaft. Das Auswärtige Amt hat auf Fragen dazu keine Angaben gemacht und mehrfach auf den Persönlichkeitsschutz verwiesen. Auch am vergangenen Freitag wollte sich ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin »nur allgemein äußern«.

Er antwortete auf die Frage nach der möglichen Freilassung von Arbel Yehoud: »Auch mit Blick auf die deutschen Staatsangehörigen, die noch unter den Geiseln sind, und auf die Geiseln mit Deutschlandbezug rufen wir alle Seiten dazu auf, alle Teile des Abkommens einzuhalten, den Waffenstillstand zu respektieren und besonders auch bei der Geiselfreilassung weiter voranzukommen.«

Auswärtiges Amt verweist auf den Persönlichkeitsschutz

Auf Fragen dazu, wie viele Deutsche sich noch in Geiselhaft befinden, hieß es: »Es gibt eine niedrige zweistellige Anzahl von Fällen mit Deutschlandbezug«. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes hatte zuvor erklärt, dass man inständig hoffe und dazu auch seit Beginn des Krieges »im Gespräch mit allen Beteiligten« sei, dass auch »Personen mit Deutschlandbezug wieder zu ihren Liebsten zurückkehren können«.

Wie das Bundespräsidialamt am Donnerstagnachmittag mitteilte, hat Frank-Walter Steinmeier an die Familien der befreiten deutsch-israelischen Geiseln, Arbel Yehoud und Gadi Moses, geschrieben und seine tiefe Freude über die Bilder der Freilassung ausgedrückt. Gemeinsam mit ihren Familien und Freunden habe er in den vergangenen Monaten gehofft und gebangt, dass beide freikommen würden. Der Bundespräsident unterstreicht: »Was Arbel Yehoud und Gadi Moses durchlebt haben, können wir kaum nachempfinden. Manche ihrer Angehörigen und Freunde wurden ermordet. Weiterhin befinden sich viele Menschen in der Geiselhaft der Hamas.« Er wünscht sich, dass alle Geiseln so schnell wie möglich freikommen.

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Am Dienstag hat der Beauftragte der Hessischen Landesregierung für Jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Uwe Becker, kritisiert: »Dass nach wie vor auch Deutsche in den Terrortunneln der Hamas gefangen gehalten werden, ist den wenigsten bewusst. Es wird fast nicht darüber gesprochen. Aber es sind auch unsere Leute, die in der Geiselhölle der Hamas in Gaza festgehalten werden. Es ist eine Schande, dass dies in der deutschen Politik kaum eine Rolle spielt.«

Uwe Becker kritisiert

Ähnliche Stimmen gab es auch in Israel. Die »Jerusalem Post« berichtete, dass der Vater von Arbel Yehoud »von Berlins Untätigkeit« enttäuscht gewesen sei. Die Zeitung merkte an, dass Yechiel Yehoud gehofft habe, »dass das Land, das während des Holocaust seine Juden ermordet hatte, versuchen würde, sie zu retten und weiteres Blutvergießen zu vermeiden«. Yechiel Yehoud hat, wie unter anderem auch Mitglieder der Familie Moses, bei verschiedenen Besuchen in Deutschland auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam gemacht. 

Einen dieser Besuche hat Udi Levy, ein Jugendfreund von Gadi Moses, in bester Erinnerung. Im Mai vergangenen Jahres war er mit Aaron Moses, dem Bruder von Gadi, im hessischen Treysa. Er berichtet unserer Zeitung von »wunderbaren Begegnungen« und lobt das Engagement der Menschen dort für die Geiseln. Jetzt sei er sehr erleichtert über die Freilassung von Gadi. »Schließlich wussten wir mehr als ein Jahr nicht, was mit ihm ist.« Er hofft, ihn bald persönlich zu treffen, und sagt weiter: »Wir sind froh über jede Geisel, die freikommt.«

Unterdessen erneuert der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker seinen Appell: »Es braucht mehr Solidarität mit unseren Terroropfern, mit Arbel wie auch mit denen, die noch länger gefangen gehalten werden. Es braucht gerade auch ein deutlich größeres Engagement der Bundespolitik, denn auch nach der laufenden Waffenruhe bleiben weiter Deutsche in Geiselhaft. Wenn Deutschland schon seine Hilfen für Gaza wieder aufstockt, dann muss der Bund auch sein Engagement für unsere Leute aufstocken«, so Becker.

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