NRW

Serap Güler: Muezzin-Ruf für Religionsfreiheit von vielen Muslimen nicht zwingend

Serap Güler Foto: imago images / Sven Simon

NRW

Serap Güler: Muezzin-Ruf für Religionsfreiheit von vielen Muslimen nicht zwingend

Integrationsstaatssekretärin Serap Güler: »Debatte nicht hilfreich«

 17.10.2021 20:36 Uhr Aktualisiert

Die nordrhein-westfälische Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) sieht den Muezzin-Ruf offenbar nicht als zwingend für ihre persönliche Religionsfreiheit an. »Viele Muslime sehen das ähnlich«, sagte sie diese Woche der »Bild«-Zeitung. Die aktuelle Debatte um Muezzin-Rufe in Köln bezeichnete die Politikerin als »nicht hilfreich für das gesellschaftliche Miteinander«.

Das Modellprojekt zum Muezzinruf in Köln stößt unterdessen weiter auf Ablehnung. Kritiker sprachen am Freitag von einer unzulässigen Bevorzugung einer Minderheit. Der islamische Gebetsruf beinhalte problematische Botschaften und werde von vielen Muslimen nicht als notwendig erachtet. Zuvor hatten sich in einer repräsentativen Umfrage drei Viertel der Deutschen gegen einen alltäglichen Muezzinruf in Kommunen ausgesprochen. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) verteidigte das Projekt, das auf zwei Jahre befristet ist und Auflagen vorsieht.

Die Frankfurter Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter sagte im »Deutschlandfunk«, der islamische Gebetsruf beinhalte im Gegensatz zum christlichen Glockengeläut die ausdrückliche Botschaft, dass Allah der Größte sei. Die Genehmigung des Rufs bedeute ein Privileg vor allem für die Vertreter eines politischen Islam wie etwa der Ditib, der Auslandsorganisation der türkischen Religionsbehörde. Schröter zeigte sich überzeugt, dass die Mehrheit der Muslime in Deutschland den Muezzinruf gar nicht wolle. Vor allem Geflüchtete hätten damit sogar teils traumatische Erfahrungen gemacht.

Der Publizist und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad warnte in der »Welt« vor einer verfassungswidrigen Bevorzugung einer Minderheit. »Jeder Muslim darf beten, fasten und nach Mekka pilgern, wie er das möchte. Aber warum sollen einige Menschen das Recht bekommen, per Lautsprecher ihre Stadtviertel zu beschallen?« Niemand dürfe aufgrund seiner Religion bevorzugt werden.

Der frühere Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams, wies darauf hin, dass es gerade in Köln viele Ditib-Gemeinden gebe. Die türkische Religionsbehörde sei Präsident Recep Tayyip Erdogan »treu ergeben«. Er habe Zugriff auf alle Ditib-Gemeinden - »bis hin zum Missbrauch der Gemeindestrukturen für die Bespitzelung von Gegnern«. Die Zulassung des Muezzinrufs sei für Erdogan »ein politischer Triumph ersten Ranges«.

Reker hielt im Deutschlandfunk dagegen. Bei dem Projekt stehe nicht Erdogan im Vordergrund, sondern es seien die Musliminnen und Muslime, die in Köln lebten. Sie sollten die Möglichkeit haben, ihre Religion auszuüben. Es möge zwar eine Gefahr durch intolerante islamische Strömungen geben. Die Stadt passe aber gut auf und mache Auflagen.

Einer Umfrage des »Bonner General-Anzeigers« zufolge lehnen es drei Viertel der Menschen in Deutschland ab, dass der Muezzinruf genauso selbstverständlich zu hören sein sollte wie Kirchenglocken. 64 Prozent wollen dies sogar »auf keinen Fall«, wie die Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Civey zeigt. Mit 98 Prozent sind fast alle Anhänger der AfD gegen den alltäglichen Muezzinruf. Unter den Unions- und FDP-Wählern liegt die Ablehnung mit je 88 Prozent ebenfalls über dem Schnitt aller Teilnehmenden. Zudem verneinten 82 Prozent der Katholiken und 71 Prozent der Protestanten die Frage.

Dass der Muezzinruf genauso selbstverständlich erklingt wie Kirchenglocken, ist allerdings selbst im Kölner Modellprojekt unwahrscheinlich. Die Stadt kündigte an, dass Moscheegemeinden auf Antrag und unter Auflagen ihre Gläubigen an Freitagen zum Gebet rufen können. Der Ruf dürfe maximal fünf Minuten lang erklingen. Die Lautstärke werde abhängig von der Lage der Moschee mit einer Höchstgrenze festgelegt. Die umliegende Nachbarschaft sei im Vorfeld zu informieren und eine Ansprechperson für Fragen zu benennen. Bislang habe noch keine Gemeinde einen Antrag gestellt.

In Deutschland gibt es bislang einige Dutzend Gemeinden, in denen der Muezzin zum Gebet rufen darf. Das stadtweite Kölner Projekt ist in dieser Form einzigartig. Zum Muezzinruf, der auf Arabisch erfolgt, gehört der Satz »Allah ist größer«, wobei gemeint ist, dass Allah größer als alles andere sei. kna/ja

Berlin

Der falsche Konsens

Der israelische Militärhistoriker Danny Orbach stellt im Bundestag eine Studie und aktuelle Erkenntnisse zum angeblichen Genozid im Gazastreifen vor – und beklagt eine einseitige Positionierung von UN-Organisationen, Wissenschaft und Medien

 27.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 27.11.2025

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Düsseldorf

Breite Mehrheit im Landtag wirbt für Holocaust-Zentrum in NRW

Große Mehrheit im NRW-Landtag: Fast alle Fraktionen werben für NRW als Standort eines vom Bund geplanten Holocaust-Bildungszentrums. Bayern und Sachsen sind ebenfalls im Rennen

von Andreas Otto  27.11.2025

Terrorismus

Berlin: Waffenkurier der Hamas wohnte in unmittelbarer Nähe zu mehreren jüdischen Einrichtungen

Im Auftrag der Terrororganisation Hamas sollen mehrere Männer jüdische und proisraelische Ziele unter anderem in der Hauptstadt ausgespäht und Waffen eingeschmuggelt haben. Nun berichten »Zeit« und »Welt« über die Hintergründe

 27.11.2025

Bildung

Im Land der Täter

Bis März soll die Entscheidung fallen, wo die Dependance der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland angesiedelt wird

von Michael Thaidigsmann  27.11.2025

München

Uschi Glas: Christen müssen jüdische Mitbürger schützen

Uschi Glas mahnt Christen zum Schutz von Juden. Sie warnt vor neuer Ausgrenzung und erinnert an eigene Erfahrungen nach dem Krieg. Was sie besonders bewegt und warum sie sich Charlotte Knobloch verbunden fühlt

von Hannah Krewer  27.11.2025

Entscheidung

Uni Jena lehnt Prüfung von Kontakten mit israelischen Hochschulen ab

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena wird Kooperationen mit israelischen Hochschulen nicht auf mögliche Verbindungen zum Militär überprüfen. Der Senat lehnte einen entsprechenden Antrag von Teilen der Professorenschaft ab

 27.11.2025

Berlin

Prozess um Angriff am Holocaust-Mahnmal: »Tat zugegeben«

Polizisten berichten von der Begegnung mit dem Angeklagten wenige Stunden nach der Tat

 27.11.2025