Berlin

»Seid ihr Juden?«

Schülerinnen der Traditionsschule Or Avner Foto: Chabad Berlin

Am Montagvormittag sind Kinder der Jüdischen Traditionsschule antisemitisch beleidigt worden. Der Vorfall ereignete sich vor einer Schule in Berlin-Charlottenburg, in der die 13 jüdischen Schülerinnen der Klassen 7, 8 und 9 den Sportunterricht besuchen wollten. Die Kinder wurden von mehreren Jugendlichen, die nach Zeugenangaben südländischer Herkunft sein sollen, angesprochen: »Seid ihr Juden?« Anschließend seien judenfeindliche Bemerkungen gefallen, die Täter fotografierten die Kinder mit ihren Smartphones, eine Jugendliche habe vor den Schülerinnen ausgespuckt. Nach dem Einschreiten der Lehrerin seien die Jugendlichen geflohen. Die Schulleiterin brachte den Vorfall zur Anzeige. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt.

Reaktionen Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte in einer ersten Reaktion: »Der neuerliche antisemitische Vorfall in Berlin ist sehr ernst zu nehmen und Anlass für Besorgnis. Judenfeindschaft darf in Deutschland nicht zur Gewohnheit werden, und niemand darf hier einfach zur Tagesordnung übergehen. Die ganze Gesellschaft ist gefordert, sehr klare Zeichen zu setzen.«

Der erneute Vorfall in Berlin zeige, so Graumann weiter, wie wichtig das Vorgehen gegen Antisemitismus gerade bei jungen Menschen sei. »Dass jüdische Kinder antisemitisch angepöbelt werden, wie gestern in Berlin geschehen, ist leider heute keine Seltenheit. Gerade in Schulen und auf Sportplätzen werden jüdische Jugendliche immer häufiger auf das Übelste beleidigt. Dass hier ›nur‹ Worte Waffen sind, bedeutet keineswegs, dass wir diese Vorfälle bagatellisieren dürfen. Wer Hass ausspricht, vergiftet die Welt.«

eigeninteresse Auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, verurteilte den Angriff: »Es wird Zeit, dass muslimische Verbände und Organisationen dem islamistischen Antisemitismus ernsthaft und nachhaltig entgegentreten. Aus der Geschichte lässt sich europaweit erkennen, dass Juden immer nur die ersten, nie die einzigen Opfer sind. Der Einsatz zum Schutz unserer Gemeinschaft dient also durchaus auch dem Eigeninteresse der gesamten deutschen Gesellschaft.«

Die Jüdische Traditionsschule wurde 2005 von Chabad Lubawitsch gegründet. Rabbiner Yehuda Teichtal zeigte sich entsetzt über den Vorfall: »Auch beim gewalttätigen Überfall auf Rabbiner Daniel Alter wurde seine kleine Tochter bedroht. Erneut sind Kinder Ziel des Judenhasses. Das ist nicht hinnehmbar.« Teichtal forderte die Berliner Behörden auf, alles zur Ergreifung der Täter zu tun und jüdisches Leben in der Stadt zu sichern.

Im Charlottenburger Rathaus wurde die Meldung mit Entsetzen aufgenommen. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Klaus-Dieter Gröhler erklärte: »Charlottenburg-Wilmersdorf ist ein Bezirk, in dem derartige Tendenzen noch nicht aufgetreten sind, obwohl hier berlinweit die meisten jüdischen Bürger und Einrichtungen zu Hause sind. Dennoch gibt es offensichtlich in der Stadt eine nicht ganz ungefährliche Entwicklung, die um sich greift. Daher müssen wir wohl gerade muslimischen Jugendlichen jetzt klarmachen, dass Toleranz der Grundpfeiler der Gesellschaft ist.«

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  25.11.2025

Berlin

»Kein Gesprächspartner für Demokratinnen und Demokraten«

Der Verband der Familienunternehmer will sich für Gespräche mit der AfD öffnen – und bekommt dafür Kritik aus verschiedenen Lagern

 25.11.2025

Eklat

Streit um Judenstern: Warschau bestellt Israels Botschafter ein

Ein Beitrag der Gedenkstätte Yad Vashem zum Judenstern sorgt in Polen für Unmut. Warum Polens Außenminister eine Richtigstellung fordert

 25.11.2025

New York

NYPD-Chefin entschuldigt sich nach Protest vor Synagoge

Polizeichefin Jessica Tisch räumt ein teilweises Versagen ihrer Behörde ein

 25.11.2025

Berlin

Mit Kippa und Uniform

Jüdische Geistliche aus Kanada, den USA, Großbritannien, Frankreich und anderen Ländern bei der ersten internationalen Konferenz von Militärrabbinern

 25.11.2025

Polen

Antisemitismus-Eklat in Auschwitz

»Juden wollen in Polen Übermenschen sein, die Anspruch auf eine bessere Stellung haben, und die polnische Polizei tanzt nach ihrer Pfeife«, sagt der rechtsextreme Politiker Grzegorz Braun

 25.11.2025

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Münster

Gericht macht Unterschiede bei propalästinensischen Parolen

Wann ist Kritik am Staat Israel von der Meinungsfreiheit gedeckt? Ein Gericht in NRW sieht das generelle Verbot, das Existenzrecht Israels zu bestreiten, als rechtswidrig an

 24.11.2025