Interview

»Sehen, was wir bewegen können«

Andreas Nachama Foto: Gregor Zielke

Herr Nachama, Sie wurden vergangene Woche in den Expertenkreis Antisemitismus nachberufen, gemeinsam mit der Psychologin Marina Chernivsky. Ist das Ehre oder Pflicht?
Weder das eine noch das andere. Es hat sich eine interessante Konstellation ergeben. Mal sehen, was wir bewegen können.

Es war eine Nachberufung infolge heftiger Kritik: Die Expertenkommission sollte zunächst ohne jüdische Mitglieder auskommen. Wie bewerten Sie den Vorgang?
Ich denke, dass der Kommission bereits ausgezeichnete Wissenschaftler angehörten. Es hat sich aus dem Diskurs ergeben, dass nachgebessert werden sollte. Nun ist das geschehen. Ich würde das ganz pragmatisch sehen. So ist Politik nun einmal.

Was werden Sie als Historiker und Rabbiner nun beitragen können?
Als jüdische Kommissionsmitglieder können wir schon bestimmte Expertisen und Perspektiven einbringen. Und es wird denjenigen, die mich berufen haben, nicht verborgen geblieben sein, dass ich zwei Aufgaben habe. Seine Erkenntnisse bezieht man aus allen Quellen, die einem zur Verfügung stehen, also auch aus Gesprächen und persönlichem Erleben. Aber darüber hinaus finde ich, dass man endlich eine repräsentative Umfrage unter den Mitgliedern der jüdischen Gemeinden machen sollte. Seit Jahrzehnten werden Umfragen durchgeführt, um festzustellen, wie groß der Anteil von Antisemiten in Deutschland ist. Jetzt sollte man auch einmal die Gemeindemitglieder befragen, inwieweit sie von Antisemitismus betroffen sind. Wir sind ja nicht mehr in den 70er-Jahren, als wegen der geringen Mitgliederzahlen so etwas schwer durchzuführen war. Heute haben wir mehr als 100.000 Gemeindemitglieder und könnten per Umfrage sicher sehr wichtige Erkenntnisse erlangen – und bestimmt auch sehr viel mehr Perspektiven und Ansichten, als wir jüdischen Kommissionsmitglieder allein einbringen können.

Die Vorgängerkommission hat 2012 ihren Bericht vorgelegt – mit beunruhigenden Erkenntnissen und etlichen Handlungsempfehlungen. Vermissen Sie die Umsetzung?
Der Bericht hatte eine hohe Qualität, war mit über 100 Seiten auch sehr umfassend. Es wurden die Formen des aktuellen Antisemitismus dargestellt und analysiert. Aber es gab eben auch mehr als 40 einzelne Handlungsempfehlungen. Und ich habe schon gelegentlich nachgefragt, wie es mit der Umsetzung aussieht. Da konnte mir noch nicht viel Konkretes genannt werden. Dass alle Empfehlungen vollständig umgesetzt würden, war nicht zu erwarten. Aber man hätte einiges wenigstens angehen können.

Wird sich das nun ändern?
Ich gehe davon aus, dass nicht nur Frau Chernivsky und ich, sondern auch die anderen Experten gemeinsam mit uns diese äußerst missliche Situation angehen werden.

Mit dem Direktor der Stiftung Topographie des Terrors und Rabbiner der Berliner Synagogengemeinde Sukkat Schalom sprach Detlef David Kauschke.

Sydney

Jüdische Organisationen prangern »Geißel« Antisemitismus an

Im Fokus steht dieses Mal Australien. Es ist Gastgeber einer Konferenz der internationalen jüdischen Initiative »J7«. Sie stellt Zahlen zu Judenhass auf dem Kontinent vor - und spricht von historischen Höchstständen

von Leticia Witte  02.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  02.12.2025 Aktualisiert

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  02.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 02.12.2025 Aktualisiert

Interview

»Die Altersarmut bleibt«

Aron Schuster über das Ende des Härtefallfonds, Einmalzahlungen und Gerechtigkeit für jüdische Rentner

von Mascha Malburg  02.12.2025

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Berlin

Zentrum für Politische Schönheit errichtet »Walter Lübcke Memorial« vor CDU-Zentrale

Am Freitag soll außerdem eine Gedenkveranstaltung mit Michel Friedman durchgeführt werden

 02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin

Steinmeier erinnert an Stiftungsgründung für NS-Zwangsarbeiter

Im Jahr 2000 gründeten die deutsche Wirtschaft und der Bund nach langem Vorlauf die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Millionen NS-Opfer erhielten zumindest einen symbolischen Betrag

 02.12.2025