Meinung

Schreib mal wieder!

Letztes Jahr bekam ich zu Rosch Haschana einen tanzenden Rabbiner. Ein Freund schickte mir zum Festtag eine E-Mail mit dem lustigen Clip. Man sah einen Rabbi am Schofar tuten und wild herumtanzen. Am Ende zerschlug er ein Honigfass – Schana Towa! Nicht nur mein Freund fand das lustig. Einen Tag später bekam ich die gleiche E-Mail von einer anderen Person. Am Ende waren es fünf Bekannte, die mir das Video zuschickten.

Drei andere haben sich für einen Song entschieden. Eine amerikanische Interpretin sang vor der Klagemauer »Yoyoyo« und schwang recht hübsch ihre Hüfte. Am Ende las ich wieder: Schana Towa! Ich antwortete den Absendern etwas hilflos mit der veralteten Form: Ich wünsche euch auch alles Gute zum Neuen Jahr. Mögen eure Wünsche und Ziele in Erfüllung gehen!

Granatapfel Ich denke, Rosch Haschana wird immer mehr zum jüdischen Jingle Bells. Echte Auseinandersetzung mit dem Festtag findet nur selten statt. Und wenn doch, dann läuft’s über das Portemonnaie. Im Internet kann man für 25 Euro das »Präsent Paket Rosch Haschana 5772« kaufen (Wein, Honig, Kuchen). Die drei Symbole Schofar, Honig, Granatapfel sind mittlerweile zu jüdischen Bildikonen aufgestiegen, die selbstredend Wünsche übermitteln.

Die Zeiten, in denen man noch Briefe erhielt, sind vorbei. Ich erinnere mich schwach daran. Ausgewählte Papierbögen in Schönschrift. Man erkannte knapp die Hilfslinien, die mit Bleistift und Lineal gezogen wurden.

Ein solches Exemplar habe ich immer noch. Es stammt von meiner Großmutter, die im Jahr darauf gestorben ist. Gewiss, wir leben heute in einer hektischeren Zeit. Noch vor ein paar Jahrzehnten gab es den Waschtag, da plagten sich die Frauen einen ganzen Tag lang mit der Wäsche. Heute macht das die Maschine im Schongang.

Und als Heidi von Frankfurt zurück in ihre Heimat kehrte, brauchte sie zwei Tage. Heute? Wenn das Bodenpersonal nicht streikt, sind es ein paar Stunden. Die gewonnene Zeit nutzen wir aber nicht zum Räsonieren. Andere Verpflichtungen nehmen uns in Beschlag. Doch einmal im Jahr sollten wir zu Papier und Stift greifen. Wir kochen uns einen guten Tee und setzen uns hin. Und jetzt überlegen wir uns: Was wünschen wir unseren Freunden und Verwandten eigentlich zum Neuen Jahr?

Der Autor ist Lehrer und lebt in der Schweiz.

Antisemitismus

Konzert-Comeback: Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Xavier Naidoo kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorwürfe, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Initiative

Bayerns Landtag will Yad-Vashem-Bildungszentrum in Freistaat holen

Die Idee hatte die Ampel-Koalition von Olaf Scholz: Eine Außenstelle der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland. Der Bayerische Landtag hat sich nun für einen Standort im Freistaat ausgesprochen

von Barbara Just  10.12.2025

Paris/Brüssel

EU-Gaza-Hilfe: Französischer Politiker hat »große Bedenken«

Benjamin Haddad, Frankreichs Staatssekretär für Europafragen, hat die Europäische Kommission aufgefordert, ihre Zahlungen an NGOs, die im Gazastreifen operieren, besser zu überwachen

 10.12.2025

Aufarbeitung

Französische Entnazifizierungs-Dokumente erstmals online abrufbar

Neue Hinweise zu Leni Riefenstahl und Martin Heidegger in der NS-Zeit: Künftig können Forscher online auf französische Akten zugreifen. Experten erwarten neue Erkenntnisse

von Volker Hasenauer  10.12.2025

Deutschland

Wegen Antisemitismus und AfD: Schauspiellegende Armin Mueller-Stahl (95) denkt ans auswandern

Armin Mueller-Stahl spricht offen über seine Gelassenheit gegenüber dem Tod – und warum aktuelle Entwicklungen ihn dazu bringen, übers Auswandern nachzudenken

 10.12.2025

Justiz

Mutmaßlicher Entführer: Chef eines israelischen Sicherheitsunternehmens packt aus

Die Hintergründe

 10.12.2025

Fußball

Sorge vor Maccabi-Spiel in Stuttgart

Tausende Polizisten, Metalldetektoren beim Einlass, Sorge vor Gewalt: Warum der Besuch von Maccabi Tel Aviv in der Europa League beim VfB aufgrund der politischen Lage kein sportlicher Alltag ist.

 10.12.2025

Brüssel

Keine Nato-Rüstungsaufträge mehr an israelische Firma?

Einem Bericht verschiedener Medien zufolge ist Israels führendes Wehrtechnikunternehmen Elbit Systems wegen Korruptionsverdachts vorläufig von weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen worden

 10.12.2025

Polen

Neun polnische KZ-Opfer werden im Juni seliggesprochen

Die Nationalsozialisten brachten in Dachau und Auschwitz auch Hunderte polnische Priester um. Die katholische Kirche verehrt mehrere von ihnen als Märtyrer. Bald werden neun weitere Geistliche in Krakau seliggesprochen

 10.12.2025