Meinung

Schönrechnen der hässlichen Rechten

Martin Krauß Foto: Stephan Pramme

Als am Dienstag der Verfassungsschutzbericht 2014 vorgestellt wurde, musste gleich eine Korrektur mitgeliefert werden: Im gedruckten Bericht steht, dass es im vergangenen Jahr 170 Straftaten gegen Asylbewerberheime gab, tatsächlich waren es 198. Zur Begründung für den Fehler hieß es, bei etlichen Anschlägen sei zunächst kein Bezug zum Rechtsextremismus festgestellt worden.

ignoranz Der Bürgermeister von Meißen steht also nicht allein. »Die rechten Umtriebe sehe ich nicht«, hatte der Politiker gesagt, als Wohnungen, in die Flüchtlinge ziehen sollten, Ziel eines Brandanschlags wurden. Eine an der Eingangstür befestigte Drohung, die der Hausbesitzer der Polizei gemeldet hatte, war ebenso ignoriert worden.

Wenn sich die, denen der Zorn der »normalen« Bevölkerung gilt, melden, glaubt man ihnen nicht, schließlich sind diese »Normalen« auch Wähler. Eine Art »Kompetenz der Opfer« gilt hierzulande nicht. Gerade erst hat das Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam ermittelt, dass es im Land Brandenburg seit 1990 doppelt so viele Tötungsdelikte aus rassistischer und rechtsradikaler Motivation gab, als bislang offiziell zugegeben.

minderheiten Seit der Wiedervereinigung werden wir also mit schöngerechneten Statistiken ruhiggestellt. Gefordert und durchgesetzt wurde die Studie von zivilgesellschaftlichen Kräften wie der Amadeu Antonio Stiftung, den Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt und unabhängig recherchierenden Journalisten – und nicht von der Politik. Die, ob in Gestalt eines Bürgermeisters, eines Landeschefs oder eines Bundesministers, hat allzu oft die Sorge vor möglichen Imageschäden für ihr Land.

Da gelten dann die Ängste derer, die sich nicht sicher fühlen, als Problem einer zu vernachlässigende Minderheit. Wenn Flüchtlinge sagen, dass sie bedroht werden, wird abgewiegelt: Alles halb so schlimm. Auch wenn Juden wachsenden Antisemitismus beklagen, gilt oft: Alles nicht so hysterisch sehen, es sind doch nur vernachlässigbare Ränder der Gesellschaft, die das gedeihliche Miteinander stören.

Doch das stimmt leider nicht: Es sind keine Ränder, und vernachlässigen darf man sie erst recht nicht. Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus sind ein massives Problem dieses gesamten Landes. Und wenn die Behörden endlich ihre Arbeit machten, ließe sich das auch bis hinters Komma genau ausdrücken. So bleibt es dabei: Nur die, die bedroht werden, kennen das Ausmaß der Gefahr.

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Berlin

RIAS: Polizei erfasst antisemitische Taten lückenhaft

Der Bundesverband sagt, es gebe strukturelle Probleme, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen und ein insgesamt unzureichendes Bild antisemitischer Hasskriminalität in den offiziellen Statistiken

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Doppel-Interview

»Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon«

Vor 60 Jahren brachte das Konzilsdokument »Nostra aetate« eine positive Wende im christlich-jüdischen Dialog. Bischof Neymeyr und Rabbiner Soussan blicken auf erreichte Meilensteine, Symbolpolitik und Unüberwindbares

von Karin Wollschläger  25.11.2025

Berlin

»Kein Gesprächspartner für Demokratinnen und Demokraten«

Der Verband der Familienunternehmer will sich für Gespräche mit der AfD öffnen – und bekommt dafür Kritik aus verschiedenen Lagern

 25.11.2025

Eklat

Streit um Judenstern: Warschau bestellt Israels Botschafter ein

Ein Beitrag der Gedenkstätte Yad Vashem zum Judenstern sorgt in Polen für Unmut. Warum Polens Außenminister eine Richtigstellung fordert

 25.11.2025

New York

NYPD-Chefin entschuldigt sich nach Protest vor Synagoge

Polizeichefin Jessica Tisch räumt ein teilweises Versagen ihrer Behörde ein

 25.11.2025

Berlin

Mit Kippa und Uniform

Jüdische Geistliche aus Kanada, den USA, Großbritannien, Frankreich und anderen Ländern bei der ersten internationalen Konferenz von Militärrabbinern

 25.11.2025