Nahost

Schocktherapie

Barack Obamas aktuelles Nahost-Puzzle passt schlecht zusammen. Wiederholt er sogar alte Fehler? Foto: imago

US-Präsident Barack Obama gibt Rätsel über die Richtung seiner Nahostpolitik auf. Mit seiner Grundsatzrede zur amerikanischen Strategie angesichts der Umbrüche im arabischen Raum schockierte er Jerusalem, nannte er doch die Perspektive des Rückzugs auf die Grenzen von 1967 als Basis für Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern. Seine Ergänzung, von dieser Vorgabe aus sollten beide Partner sich auf einen gegenseitig akzeptablen Gebietsaustausch einigen, ging freilich im Lärm der Reaktionen unter.

In einer Ansprache bei der jüdisch-amerikanischen Lobby-Organisation AIPAC betonte Obama daher noch einmal ausdrücklich, nicht die präzise Wiederherstellung des Grenzverlaufs von vor Beginn des Sechstagekriegs gemeint zu haben.

15 Kilometer Das macht jedoch nicht klarer, warum Obama – als erster amerikanischer Präsident – den Schlüsselbegriff »Grenzen von 1967« überhaupt ausgesprochen und damit nicht nur Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Wallungen versetzt hat. Ist doch offensichtlich, dass diese Grenzen, in deren Verlauf die schmalste Stelle des jüdischen Staats nur noch 15 Kilometer betragen würde, militärisch nicht zu verteidigen wären. Wer diesbezüglich auf bewaffnete internationale Präsenz hofft, sollte nach Libanon blicken, wo die »Friedenstruppe« Unifil die massive Neu-Aufrüstung der islamistischen Hisbollah nicht verhindert hat.

Eine Erklärung für Obamas Vorstoß bietet der Kontext seiner Grundsatzrede vom vorigen Donnerstag. Die USA ringen nach dem Sturz der von ihnen bis zuletzt gestützten Diktaturen in Ägypten und Tunesien heftig um neue Glaubwürdigkeit und Gunst in der arabischen Öffentlichkeit.

Eine Geste wie die Übernahme der palästinensischen Verhandlungsformel sollte wohl signalisieren, dass Washington den »Wind des Wandels« nun auch in der Frage des Endes der Besatzung forcieren will. Doch gab Obama in den vergangenen Tagen Israel auch wichtige Zusicherungen – vor allem die klare Absage an die einseitige Ausrufung eines Palästinenserstaates, der im September von der UN-Vollversammlung anerkannt werden soll.

friedensgespräche Genau an diesem Punkt jedoch zeigt sich deutlich, wie schlecht Obamas aktuelles Nahost-Puzzle zusammenpasst. Mit der spektakulären Übernahme der 1967-Formel wiederholt er den Fehler vom Anfang seiner Amtszeit, den jüdischen Staat qua Schocktherapie an den Verhandlungstisch zurücktreiben zu wollen. Die Palästinenser aber ermutigt er damit in ihrem Hang zu irrealen Forderungen, deren Nichterfüllung durch Israel ihnen als propagandistische Ausrede für den eigenen Unwillen dient, in ernsthafte Friedensgespräche einzutreten.

Denn von diesen verspricht sich die palästinensische Führung derzeit nichts mehr. Verlockender erscheint ihr, mittels der Proklamation eines eigenen Staats, die von einer UN-Mehrheit legitimiert werden soll, den jüdischen Staat in die internationale Isolation zu treiben. Dass sich die »gemäßigte« Fatah mit der weiterhin jegliche Verhandlungen verweigernden Hamas in einer Übergangsregierung zusammenschließen will, unterstreicht diese Abkehr von der Logik des Friedensprozesses.

Fronten Statt die verfeindeten Parteien in den Frieden zu drängen beziehungsweise zu locken, fördert Obamas unausgegorenes Rezept die Verhärtung der Fronten. Dabei befindet sich Israel psychologisch gesehen eindeutig auf der Verliererstraße. Denn folgenschwerer als einzelne Positionen, auf die sich der US-Präsident festlegt, könnte die große Erzählung sein, in die Washington den Nahostkonflikt neuerdings einbaut.

Israel, so heißt es, bleibe nicht mehr viel Zeit, sich dem rasanten Wandel in der Region anzupassen und einschneidenden Veränderungen im Verhältnis zu seinen Nachbarn zuzustimmen. Dem demokratischen, wirtschaftlich und gesellschaftlich hoch dynamischen jüdischen Staat wird so im Bild der Weltöffentlichkeit die Rolle des wandlungsunwilligen, ewiggestrigen Hardliners zugeteilt – tendenziell vergleichbar mit reformfeindlichen arabischen Diktaturen. Ausgerechnet Hamas und Fatah, deren Herrschaftssysteme elementare Menschenrechte unterdrücken, spielen sich vor diesem Hintergrund als Speersitzen des arabischen Freiheitsfrühlings auf.

Für die Israelis könnte es weit schwerer werden, gegen dieses weltweit immer fester zementierte Zerrbild anzukämpfen als gegen potenzielle militärische Gegner. Ob Benjamin Netanjahus – als »historisch« angekündigte – Friedensrede vor dem US-Kongress dem jüdischen Staat aus dieser fatalen Defensive herausgeholfen hat, darf bezweifelt werden.

Der Autor ist Politischer Korrespondent der »Welt« und der »Welt am Sonntag«.

Frankfurt am Main

Lufthansa Cargo stoppt Militärtransporte nach Israel

Während die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem eine Annäherung erleben, ist dies im Luftfahrt-Bereich nicht der Fall. Warum?

 08.12.2025

Berlin

Presseschau zum Israel-Besuch von Kanzler Friedrich Merz

Wie bewerten deutsche Leit- und Regionalmedien Merz‘ Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu?

 08.12.2025

Toronto

Miriam Mattova aus Uber geworfen, weil sie Jüdin ist

»Was passiert ist, ist nicht nur ein unangenehmer Moment. Es ist eine Erinnerung daran, warum es wichtig ist, sich zu äußern«, sagt das Model

 08.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025

Jerusalem

Ein neuer Sound?

Unterwegs mit Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Amtsantritt in Israel

von Philipp Peyman Engel  07.12.2025

Jerusalem

Netanjahu: »Stellen Sie sich vor, jemand würde Deutschland vernichten wollen«

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz lobte der Premierminister Bundeskanzler Merz als verständigen Gesprächspartner und rechtfertigte Israels hartes Vorgehen gegen die Hamas

 08.12.2025 Aktualisiert

Israel

Berichte: Netanjahu traf Blair heimlich zu Gaza-Zukunft

Bei einem Treffen zwischen Netanjahu und Blair soll es um Pläne für die Zukunft des Gazastreifens gegangen sein. Für Blair ist eine Rolle in Trumps »Friedensrat« vorgesehen

 07.12.2025

Justiz

Gericht bestätigt Verbot der Parole »From the river to the sea«

Ein von der Stadt Bremen erlassenes Verbot sei rechtmäßig, entschied nun das Verwaltungsgericht Bremen

 07.12.2025

Yad Vashem

Merz: »Wir werden die Erinnerung lebendig halten«

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche für Kanzler Merz. Der zweite Tag in Israel beginnt für ihn mit dem Besuch eines besonderen Ortes

 07.12.2025