9. November

»Schicksalstag der Deutschen«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Foto: dpa

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Ausrufung der Republik am 9. November 1918 als »Meilenstein der deutschen Demokratiegeschichte« gewürdigt. Der 9. November 1918 habe in der Erinnerungskultur nie den Platz gefunden, der ihm zustehe, sagte Steinmeier am Freitag in einer Gedenkstunde des Bundestages in Berlin.

Die Weimarer Republik werde fast nie von ihrem Anfang her gedacht, sondern meist ausgehend von ihrem Ende im Jahr 1933 durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Dabei stehe der 9. November 1918 »für den Durchbruch der parlamentarischen Demokratie«, sagte Steinmeier. »Und deshalb verdient er einen herausragenden Platz in der Erinnerungskultur unseres Landes!«

Wer heute glaube, die Demokratie sei mittlerweile eine Selbstverständlichkeit und der Bundestag ein »Alltagsgegenstand, ganz wie ein altes Möbelstück«, der solle auf das Jahr 1918 blicken, betonte Steinmeier.

ERRUNGENSCHAFT »Nein, dieses Parlament ist keine Selbstverständlichkeit und erst recht keine Nebensache«, so Steinmeier weiter. Es sei eine historische Errungenschaft, »und für diese Errungenschaft, für dieses Erbe müssen wir streiten, überall und zuallererst in diesem Hause!«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der 9. November sei von Ambivalenz geprägt. »Am 9. November erinnern wir Deutsche an beides: an Licht und an Schatten unserer Geschichte«, sagte der Bundespräsident mit Verweis auf die Novemberpogrome von 1938. Sie stünden »für den unvergleichlichen Bruch der Zivilisation, für den Absturz Deutschlands in die Barbarei. Die Verantwortung dafür kennt keinen Schlussstrich.«

»Vor genau 80 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, brannten in Deutschland die Synagogen«, erinnerte Steinmeier in seiner Rede. »Jüdische Geschäfte wurden geplündert und zerstört. Hunderte Frauen und Männer wurden von Nationalsozialisten getötet, begingen Selbstmord oder starben, nachdem sie in Konzentrationslagern misshandelt worden waren.«

GASKAMMERN An den Bundestag gewandt, sagte Steinmeier: »Dieser 9. November stellt uns, verdichtet in einem einzigen Datum, vor die wohl schwierigste und schmerzhafteste Frage der deutschen Geschichte: Wie konnte es sein, dass dasselbe Volk, das am 9. November 1918 den Aufbruch in demokratische Selbstbestimmung wagte (...), wegschaute, wenn nicht gar gaffte und jubelte, wenn daheim in der eigenen Straße jüdische Nachbarn, Homosexuelle, seelisch Kranke aus ihren Häusern gezerrt wurden, abgeführt von den Schergen eines verbrecherischen Regimes – eines Regimes, das jüdische Familien in Viehwagen pferchte und Eltern mit ihren Kindern in Gaskammern schickte?«

Diese Pogrome – damals für alle sichtbar – waren ein Vorbote der Verfolgung und der Vernichtung der europäischen Juden, betonte der Bundespräsident. »Wir gedenken heute der Opfer des Nationalsozialismus, und wir wissen um unsere Verantwortung.« Und weiter: »Wir können stolz sein auf die Traditionen von Freiheit und Demokratie, ohne den Blick auf den Abgrund der Schoa zu verdrängen.« Er werbe für einen »aufgeklärten Patriotismus« anstelle eines »aggressiven Nationalismus«.

DEMOKRATIE Steinmeier warnte in der Gedenkstunde: »So wenig der Demokratie am 9. November 1918 ihr Scheitern schon vorherbestimmt war, so wenig ist heute, 100 Jahre später, ihr Gelingen garantiert!« Es gebe ein wachsendes Unbehagen an der Parteiendemokratie, bis hinein in die Mitte der Gesellschaft.

Die Pogrome waren ein Vorbote der Vernichtung der europäischen Juden, betonte Steinmeier.

»Wir erleben, wie manche die Parlamente gar nicht mehr als Orte für politische Lösungen ansehen wollen«, sagte der Bundespräsident: »Nicht alle diese Menschen sind Gegner der Demokratie – aber sie alle fehlen der Demokratie.«

»Wer heute Menschenrechte und Demokratie verächtlich macht, wer alten nationalistischen Hass wieder anfacht, der hat gewiss kein historisches Recht auf Schwarz-Rot-Gold«, sagte der Bundespräsident.

Gerade die Geschichte der Weimarer Republik zeige, wie Bürger gebraucht würden, die bereit seien, Verantwortung zu übernehmen und sich den Mühen demokratischer Politik zu stellen, so Steinmeier.

ÜBERGRIFFE Zu Beginn der Gedenkstunde hatte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) vor wachsendem Antisemitismus gewarnt. Aktuelle Übergriffe auf Juden zeigten, wie nötig deren besonderer Schutz im 21. Jahrhundert immer noch sei. »Die Firnis der Zivilisation ist dünn«, sagte Schäuble.

»Gefährden wir Frieden und Freiheit nicht, niemals wieder«, warnte der CDU-Politiker. Das sei die beständige Mahnung des 9. November. »An diesem Datum verdichtet sich deutsche Geschichte«, sagte Schäuble. ja/epd

Sicherheit

»Keine jüdische Veranstaltung soll je abgesagt werden müssen«

Nach dem Massaker von Sydney wendet sich Zentralratspräsident Josef Schuster in einer persönlichen Botschaft an alle Juden in Deutschland: Lasst euch die Freude an Chanukka nicht nehmen!

von Josef Schuster  17.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 17.12.2025

Berlin

Klöckner zu Attentat: »Sydney hätte auch in Deutschland liegen können«

Bei einem antisemitischen Anschlag in Australien starben 15 Menschen. Die Bundestagspräsidentin warnt, dass sich Judenhass auch in Deutschland immer weiter ausbreite

 17.12.2025

Faktencheck

Bei den Sydney-Attentätern führt die Spur zum IS

Nach dem Blutbad am Bondi Beach werden auch Verschwörungsmythen verbreitet. Dass der jüngere Attentäter ein israelischer Soldat sei, der im Gazastreifen eingesetzt wurde, entspricht nicht der Wahrheit

 17.12.2025

Analyse

Rückkehr des Dschihadismus?

Wer steckt hinter den Anschlägen von Sydney – und was bedeuten sie für Deutschland und Europa? Terrorexperten warnen

von Michael Thaidigsmann  17.12.2025

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Bondi Beach

Sydney-Attentäter wegen 15-fachen Mordes angeklagt

15-facher Mord, Terrorismus, Sprengstoffeinsatz - dem überlebenden Sydney-Attentäter werden 59 Tatbestände zur Last gelegt

 17.12.2025

Meinung

Die Empörung über Antisemitismus muss lauter werden

Der Anschlag von Sydney war in einem weltweiten Klima des Juden- und Israelhasses erwartbar. Nun ist es an der Zeit, endlich Haltung zu zeigen

von Claire Schaub-Moore  17.12.2025

Washington D.C.

Trump ruft zu Vorgehen gegen islamistischen Terror auf

Bei einer Chanukka-Feier im Weißen Haus spricht der Präsident den Hinterbliebenen der Opfer vom Anschlag in Sydney sei Beileid aus

 17.12.2025