Berlin

»Respekt, Anerkennung und Bedauern«

Christian Wulff mit Ehefrau Bettina nach Bekanntgabe seines Rücktritts im Schloss Bellevue Foto: dpa

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christan Wulff dessen freundschaftliche Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und »seine besondere Sensibilität im Umgang mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte« gewürdigt.

Wulff habe stets betont, dass das Judentum zu Deutschland gehört. »Die jüdische Gemeinschaft hat allen Grund, ihm für die freundschaftliche Verbundenheit dankbar zu sein«, sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann der Jüdischen Allgemeinen. »Ich darf an den Besuch in Auschwitz erinnern: Christian Wulff war der erste Bundespräsident überhaupt, der dort gesprochen hat. Das wollen wir in einer solchen Stunde nicht in Vergessenheit geraten lassen.«

Er habe die Nachricht vom Rücktritt mit »Respekt, Anerkennung und Bedauern« zur Kenntnis genommen, so Graumann. »Bundespräsident Wulff hat die Bundesrepublik Deutschland während seiner Amtszeit als Bundespräsident nicht nur stets würdig repräsentiert. Zusammen mit seiner Ehefrau Bettina stand er auch für ein weltoffenes, junges und dynamisches Deutschland, das seine neue Vielfalt als Bereicherung begreift«, betonte der Zentralratspräsident.

Landesverband Der Vorsitzende des Landesverbandes jüdischer Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, bedauert den Rücktritt. »Wir haben ihn als verlässlichen seriösen Partner kennengelernt und eine Vielzahl von gemeinsamen Vorhaben durchgesetzt«, sagte Fürst der Jüdischen Allgemeinen. Es sei ein bedauerliches Vorgehen, aber im Interesse von Wulffs Familie und in Hinsicht auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht zu verhindern. Gleichzeitig verurteilte Fürst die Medienschlacht, die gegen Wulff geführt wurde.

Niedersachsens Landesrabbiner Jonah Sievers teilt die Einschätzung von Michael Fürst. »Christian Wulff hat sich für religiöse und vor allem für unsere jüdischen Belange sehr eingesetzt«, sagte Sievers. »Auch seine Einlassung zum Islam und sein Integrationsbestreben« habe er immer als sehr positiv empfunden, meint der Landesrabbiner.

Weltkongress Maram Stern, der stellvertretende Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses, lobte Wulffs Engagement für die Juden und dafür, »dass er die Erinnerung an den Holocaust während seiner politischen Tätigkeit stets wachgehalten hat«. Trotz seiner kurzen Amtszeit habe er als Bundespräsident wegweisende Akzente gesetzt. »Im Ausland, und besonders in der jüdischen Welt, wird sehr wohl wahrgenommen, wenn ein deutsches Staatsoberhaupt positive Zeichen setzt, wie Wulff dies in Israel und in Auschwitz getan hat«, erklärte Stern.

Positionen Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern sagt, dass Christian Wulff als Bundespräsident in Erinnerung bleiben werde, »der das friedliche Miteinander aller Menschen in unserem Land ins Zentrum seines politischen Wirkens gestellt hat und damit gefördert und bestärkt hat«. Er habe die Menschen dafür sensibilisiert, dass Vielfalt und gegenseitiger Respekt eine Gesellschaft stark und krisenfest machen. »Es ist ihm gelungen – etwa mit seiner historischen Rede in Auschwitz –, den Menschen zu vermitteln, dass die Erinnerung an die dunkle deutsche Vergangenheit unkündbar ist, dass sie aber kein historisches Rudiment ist, sondern ein klarer gegenwartsbezogener Handlungs- und Haltungsauftrag.«

Der Publizist Ralph Giordano meint, der Schritt des Bundespräsidenten sei überfällig gewesen. »Man hatte das Gefühl, dass die Nation dieses ›Kleinklein‹ der Vorwürfe schon nicht mehr ertragen konnte.« Wulff sei ein sehr sympathischer Mann, so Giordano, dennoch seien seine Bemerkungen zur Integrationsdebatte zu kritisieren. »Die Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, zeigte eine verstörende Unkenntnis der Wirklichkeit. Da habe ich die Republik nicht in guten Händen gesehen.«

Peter Feldmann, Sprecher des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten und Kandidat für das Amt des Frankfurter Oberbürgermeisters, befürwortet Wulffs Entscheidung: »Der Rücktritt war überfällig.« Nach einer langen und nur scheibchenweise gestalteten Informationspolitik sei dies ein klares Resultat aus der Situation. »Dennoch habe ich großen Respekt davor, wie klar sich Christian Wulff in Fragen Israels und des Judentums positioniert hat. Das hat mir gefallen.« ja

Wien

Juden protestieren gegen FPÖ-Veranstaltung für Antisemiten im Parlament

Als »radikalen Antisemiten« hatte sich der Österreicher Franz Dinghofer einst selbst bezeichnet - auch der NSDAP trat er bei. Die rechtsextreme FPÖ gedenkt des Politikers nun - und wird dafür hart kritisiert

 11.11.2025

Projekte gegen Antisemitismus

Berliner Kultursenatorin räumt Defizite bei Fördermittel-Vergabe ein

In Berlin sollen Mittel für Projekte gegen Antisemitismus nach unklaren Kriterien und auf Druck und Wunsch aus der CDU-Fraktion vergeben worden sein. Kultursenatorin Wedl-Wilson will nun »aufräumen«

 11.11.2025

Initiative

Knesset stimmt über Gesetz zu Todesstrafe ab

Wer in Israel tötet, um dem Staat und »der Wiedergeburt des jüdischen Volkes« zu schaden, soll künftig die Todesstrafe erhalten können. Das sieht zumindest ein umstrittener Gesetzentwurf vor

 11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Terror

Netanjahu: Israels Kampf gegen Feinde noch nicht vorbei

Laut Ministerpräsident Netanjahu beabsichtigen die Hamas und die Hisbollah weiterhin, Israel zu vernichten. Die Waffenruhe-Abkommen mit beiden will Israel demnach durchsetzen - solange diese gelten

 11.11.2025

Diplomatie

Al-Schaara schließt normale Beziehungen zu Israel aus

Der syrische Staatschef wurde von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus empfangen. Bei dem historischen Treffen ging es auch um die Abraham-Abkommen

 11.11.2025

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  10.11.2025 Aktualisiert

Würzburg

Zentralrat der Juden fordert mehr Zivilcourage gegen Hass

Beim Gedenken an die Novemberpogrome in Würzburg hat Juden Schuster die grassierende Gleichgültigkeit gegen Judenhass kritisiert

 10.11.2025