Projekt

Rebell aus der Wilhelmstraße

Ältere Leser der Jüdischen Allgemeinen kennen ihn vielleicht noch als Chefredakteur: Daniel Dagan. Der freundliche Israeli lacht: »Das ist schon lange her und war nur ganz kurz.« Heute arbeitet Dagan, Jahrgang 1944, als Korrespondent für das öffentlich-rechtliche israelische Fernsehen. Dem deutschen Fernsehpublikum ist er als Gast des »Internationalen Frühschoppens« bekannt. Doch neben seiner Arbeit als politischer Journalist hat der passionierte Klavierspieler noch eine andere Aufgabe: Seit Anfang 2009 ist er Vorsitzender der Bürgerinitiative »Wilhelmstraße«. Die »organisiert regelmäßig kulturelle und gesellschaftliche Aktivitäten«, erzählt Dagan.

»Ganz normale Bürger« seien Mitglied der Initiative, »Junge, Alte, aus allen Schichten«, sagt Dagan. »Das ist vielleicht die beste Antwort auf die Geschichte, die sich hier zugetragen hat.« Bis 1945 befand sich in diesem Straßenzug fast die gesamte Reichsregierung, auch die Gestapo hatte ihre Zentrale hier. »Völkerverständigung ist auch ein Ziel unserer Initiative. Wir haben hier viele Ausländer. Ich als Israeli bin ein Beispiel, aber es gibt auch Italiener, Russen, Türken und andere. Es gibt auch viele ehemalige DDR-Bürger. Wir sind also sehr gemischt.«

Gemischt Insofern bringt Dagan beste Voraussetzungen als Vorsitzender des gemeinnützigen Zusammenschlusses mit: Geboren in Kairo, wuchs er in Frankreich und Israel auf, später arbeitete er unter anderem in Jerusalem, Paris, Brüssel, Madrid und Washington. Er spricht Französisch, Hebräisch, Englisch, Spanisch und Deutsch.

Doch der Bürgerinitiative »Wilhelmstraße« geht es nicht nur um Kultur und Völkerverständigung. Vor sieben Jahren veräußerte eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft die großen Blocks an der Wilhelmstraße, Plattenbauten aus der DDR-Zeit, an eine private Grundstücksgesellschaft. Die begann, leerstehende Wohnungen in Ferienunterkünfte umzuwandeln. Inzwischen wird Schätzungen zufolge fast ein Drittel der insgesamt über 900 Wohneinheiten zweckentfremdet genutzt.

»Die Betreiber nennen es Ferienwohnungen«, kritisiert Dagan. Er sieht in dem Betrieb eher ein schlecht geführtes Hotel. »Die Menschen gehen ein und aus mit großen Koffern, die Putzkolonnen kommen, die Touristen finden ihre Wohnungen nicht, sie klingeln ständig bei Anwohnern, denn sie wissen nicht, wo der Müllraum ist. Ständig sind die Aufzüge belegt. Faktisch ist es ein Hotel ohne Rezeption.« Eine Nachfrage im »Informationsbüro« der Firma »DieApart GmbH«, die die »Ferienwohnungen« betreibt, bestätigt das: »Wir sind ja praktisch ein Hotel«, sagt dort eine Mitarbeiterin. Die Mieter sind genervt: vom Lärm, vom Müll, von der zunehmenden Anonymität. Doch die Eigentümergesellschaft weigert sich, mit der Bürgerinitiative über Lösungen zu sprechen.

Engagement »Ich bin im Kibbuz aufgewachsen«, erklärt Dagan sein Engagement, da habe er »schon in der Jugend gelernt, dass man sich engagiert, dass man für eine bessere Gesellschaft arbeitet – wenn auch in einem ganz anderen Zusammenhang.« Wichtig sei, »dass die Menschen ihre Interessen wahrnehmen, sich organisieren, ihre Stimme gegen Missstände erheben – egal, ob das in Berlin, Tel Aviv, London oder New York ist.«

Immerhin erreichten Dagans Bürgerinitiative und ihre Mitstreiter, darunter auch Mietervereine und der Hotel- und Gaststättenverband, dass der Berliner Senat 2010 eine neue Betriebsverordnung erließ. Gebäude mit mehr als zwölf Betten in Ferienwohnungen brauchen eine Genehmigung vom Bezirk und müssen die strengen Normen eines Hotels etwa zum Brandschutz erfüllen. Doch Dagan klagt: »Das Problem ist: Die Verordnung wird vom Bezirksamt nicht umgesetzt.« Erst vor wenigen Wochen hat der damalige Baustadtrat, Ephraim Gothe (SPD), den Eigentümern erstmals ein Zwangsgeld angedroht – Ausgang offen.

Jerusalem

Merz: Deutschland wird immer an der Seite Israels stehen

Der Bundeskanzler bekräftigt bei seinem Israel-Besuch die enge Partnerschaft - und hofft auf konkrete Fortschritte bei Trumps Gaza-Plan

von Sara Lemel  06.12.2025

Diplomatie

»Dem Terror der Hamas endgültig die Grundlage entziehen«

Es ist eine seiner bisher wichtigsten Auslandsreisen, aber auch eine der schwierigsten. Kanzler Merz ist für zwei Tage im Nahen Osten unterwegs

 06.12.2025

Jerusalem

Merz trifft Netanjahu und besucht Holocaust-Gedenkstätte

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche von Kanzler Merz - aber auch einer der schwierigsten. In den Beziehungen zu Israel gab es in den letzten Monaten einige Turbulenzen

von Michael Fischer  06.12.2025

Akaba/Jerusalem

Merz zu Nahost-Reise aufgebrochen: Antrittsbesuch in Israel 

Das Renten-Drama ist überstanden, jetzt geht es für den Kanzler erstmal ins Ausland. Heute und morgen steht ein besonderer Antrittsbesuch auf seinem Programm

 06.12.2025

Wien

EBU: Boykott hat keine Folgen für Finanzierung des ESC 2026

Der Gesangswettbewerb steht unter Druck. Die Boykott-Welle hat laut der Europäischen Rundfunkunion aber keine Auswirkungen auf dessen Finanzierung. Es werden aktuell rund 35 Staaten erwartet

 05.12.2025

Offenbach

Synagoge beschmiert, Kinder durch Graffiti eingeschüchtert

Rabbiner Mendel Gurewitz: »Ich war der Meinung, dass wir hier in Offenbach mehr Toleranz zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Religionen haben als etwa in Frankfurt oder in anderen Städten.«

 05.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  05.12.2025

Washington D.C.

Trump plant Übergang in Phase II des Gaza-Abkommens

Der nächste große Schritt erfolgt dem Präsidenten zufolge schon bald. Ein »Friedensrat« soll noch vor Weihnachten präsentiert werden

 05.12.2025

Berlin

Linken-Chef empört über Merz-Reise zu Netanjahu

Jan van Aken regt sich darüber auf, dass er Bundeskanzler Ministerpräsident Netanjahu treffen wird

 05.12.2025