Interview

»Raus aus der Opferrolle«

Dieter Graumann Foto: Rafael Herlich

Interview

»Raus aus der Opferrolle«

Dieter Graumann über die Zukunft des Zentralrats, Herausforderungen und Vorbilder

von Heide Sobotka  30.11.2010 10:19 Uhr

Herr Graumann, mit Ihnen an der Spitze des Zentralrats der Juden ist ein Generationswechsel vollzogen worden. Was wird sich ändern?
Das mit dem Generationswechsel wird doch etwas überfrachtet. Man hat manchmal fast den Eindruck, dass die nichtjüdische Gesellschaft nur darauf wartet, dass man die Schoa »endlich« auf sich beruhen lässt. Die Erinnerung in der zweiten Generation ist aber so stark, dass wir damit sicher nicht abschließen werden. Aber wir dürfen uns auch nicht allein darüber definieren. Wir wollen aus der Opferrolle hinaus und die Zukunft aktiv und mit frischem Mut gestalten. Mit der Zuwanderung von Juden ist uns neue Zukunft zugewachsen, die wollen wir jetzt gestalten mit den positiven Chancen, die das Judentum bietet, mit einem Geist von Ermutigung, neuer Kraft und neuer Stärke. Wir wollen nicht länger als diejenigen wahrgenommen werden, die immer nur gegen etwas sind, sondern auch für etwas sein und viele positive Akzente setzen.

Welche Akzente werden das sein?
Wir wollen ein junges, frisches, pluralistisches Judentum mit putzmunter ausgelebten Traditionen leben, im besten Sinne einer Einheitsgemeinde. Wir sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Jetzt wollen wir diese unsere Stellung mit Leben füllen, mit Energie, Herz, Leidenschaft und Verstand.

Dazu gehören auch junge Menschen. Werden Sie es vielleicht leichter haben, die Jugend zu erreichen, als es die Schoageneration mit ihren Mahnungen konnte?
Es muss eine unserer Hauptaufgaben sein, die Jugend anzusprechen. Wir haben in Deutschland ein vitales, dynamisches Judentum. Es gibt viele junge Menschen, die sich einbringen sollen, und es wäre schön, wenn sie dies in Zukunft noch mehr tun würden. Wir wollen jetzt die Köpfe und Herzen dieser Generation gewinnen. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Aber da sind wir auch schon recht erfolgreich in den verschiedenen Ebenen, ob liberal oder orthodox.

Wer sind Ihre Vorbilder?
Mein politisches Vorbild ist sicher Ignatz Bubis. Ohne ihn hätte ich mich nie so engagiert. Sein Einschreiten gegen die Aufführung des Rainer-Werner-Fassbinder-Stücks »Der Müll, die Stadt und der Tod« 1985 hat mir damals gezeigt, dass man wirklich etwas bewegen kann, wenn man sich einmischt. Aber das sind natürlich sehr große Schuhe, in die ich da schlüpfe. Auch mit Paul Spiegel habe ich lange und freundschaftlich so gut zusammengearbeitet. Und Frau Knobloch zolle ich ganz hohe Anerkennung, sie hat sich um den Zentralrat große Verdienste erworben und ihn mit Herz und Verstand geführt. Von allen habe ich viel gelernt.

In letzter Zeit wurde oftmals die eine Stimme des Zentralrats vermisst. Wird sich das mit Ihnen ändern?
Wir haben uns alle fest vorgenommen, dass der Zentralrat mehr als bisher mit einer Stimme sprechen soll – klar, vernehmlich und eindeutig.

Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland sprach Heide Sobotka.

Frankfurt am Main

Israelfeindliche Aktivisten bedrohen Uni-Präsidenten

Der Präsident der Goethe-Universität hatte eine Kooperationsvereinbarung mit der Universität Tel Aviv unterzeichnet und geriet deshalb ins Visier der Aktivisten. Es ist nicht der erste Skandal auf dem Campus

 24.10.2025

Berlin

Gratis-Falafel: Restaurant »Kanaan« reagiert auf Vorfall im »K-Fetisch«

Die Aktion dauert bis 16.00 Uhr an. Es sei ein »Friedenszeichen in Zeiten des Hasses«, sagen die Betreiber

 24.10.2025

Meinung

Warum die UNRWA seit 77 Jahren den Frieden in Nahost blockiert

Das UN-Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser verursacht erhebliche Probleme. Daher gibt es nur einen Weg

von Jusek Adlersztejn  24.10.2025

Internationaler Gerichtshof

Persilschein für die UNRWA

Der IGH sieht Israel in der Pflicht, mit dem umstrittenen Palästinenser-Hilfswerk zu kooperieren. Maßgeblich für die Richter sind die Zusicherungen von UN-Offiziellen

von Michael Thaidigsmann  23.10.2025

Berlin

Jüdische Studenten fordern Geraldine Rauchs Abgang

Die Präsidentin der Technischen Universität Berlin warnte vor »Muslimfeindlichkeit« bei einer jüdisch-kurdischen Veranstaltung. Die JSUD wirft ihr vor, autoritär zu reagieren. Kritik kommt auch von CDU und SPD

 23.10.2025

USA

Gebrochene Identität

Wie sich junge Juden zunehmend von Israel und ihrem Judentum entfernen. Geschichte einer Entfremdung

von Hannes Stein  23.10.2025

Meinung

Liebe Juden, bleibt bitte zu Hause!

Immer mehr jüdische Veranstaltungen werden abgesagt – angeblich zum Schutz von Jüdinnen und Juden. So wird aus einer Einladung zur Kultur ein stiller Abgesang auf Teilhabe

von Louis Lewitan  23.10.2025

Waffenimport

Milliardendeal: Bundeswehr kauft israelische Panzerabwehrraketen

Trotz des von Kanzler Friedrich Merz verhängten Exportstopps für Waffenlieferungen an den jüdischen Staat bezieht Berlin weiterhin auch andere Rüstungsgüter von dort

 23.10.2025

Berlin

Angela Merkel reist im November nach Israel

Von ihr stammt die Aussage, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist. Nun kehrt die frühere Kanzlerin dorthin zurück. Es gibt einen erfreulichen Anlass

 23.10.2025