Berlin

Politik entsetzt über die drei Angriffe auf die Synagoge Brunnenstraße

Solidarität: Berlins Regierender Wegner besucht die Synagoge Brunnenstraße Foto: picture alliance/dpa

Der Brandanschlag auf eine Berliner Synagoge hat großes Entsetzen ausgelöst. »Es ist ganz klar, dass wir nicht hinnehmen werden und niemals hinnehmen werden, wenn gegen jüdische Einrichtungen Anschläge verübt werden«, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in Kairo. Ähnlich äußerte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Zwei Vermummte hatten nach Angaben der Polizei gegen 3.45 Uhr zwei mit Flüssigkeit gefüllte, brennende Flaschen in Richtung des Gebäudes mit einer Synagoge und anderen jüdischen Einrichtungen an der Brunnenstraße in Berlin-Mitte geworfen.

Die Flaschen zerschlugen auf dem Gehweg. Das Gebäude wird von Polizisten geschützt. Nach Angaben von Berlins Innensenatorin Iris Spranger kamen die Täter deshalb nicht so nah heran, dass sie hätten treffen können.

Am Mittwoch um kurz vor 9 Uhr kam es dann zu einem weiteren versuchten Anschlag auf das Jüdische Gemeindezentrum in der Berliner Brunnenstraße im Bezirk Mitte. Trotz einer weiträumigen Polizei-Absperrung, die wegen eines früheren Anschlagversuchs zu dem Zeitpunkt bestand, raste »ein Mann mit einem Palästinensertuch vor dem Gesicht auf einem E-Roller« zum Eingang des Gemeindezentrums, wie es in einer Pressemitteilung der betroffenen Gemeinde hieß.

Der Täter versuchte dort demnach, einen Gegenstand aus seiner Tasche zu ziehen, wurde allerdings »von der anwesenden Polizei sofort verhaftet«. Das Gemeindezentrum beherbergt die Synagoge der Kahal Adass Jisroel Gemeinde, eine jüdische Schule und Kita sowie das Hildesheimer Rabbinerseminar zu Berlin.

Zentralrat spricht von »Terroranschlag«

Der Zentralrat der Juden zeigte sich tief erschüttert und sprach sogar von einem »Terroranschlag«. Er sah eine Verbindung zur Eskalation im Nahen Osten: »Aus Worten werden Taten. Die Vernichtungsideologie der Hamas gegen alles Jüdische wirkt auch in Deutschland. Der ›Tag des Zorns‹ ist nicht nur eine Phrase. Es ist psychischer Terror, der in konkrete Anschläge mündet.«

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin erklärte, die Sicherheitsmaßnahmen hätten wohl Schlimmeres verhindert. »Aber Juden und Jüdinnen in unserer Stadt fühlen sich trotz allem nicht mehr sicher.«

Starker Anstieg antisemitischer Vorfälle

Bundesweit haben antisemitische Vorfälle seit dem blutigen Überfall der Terrormiliz Hamas auf Israel am 7. Oktober drastisch zugenommen. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) dokumentierte seither bundesweit 202 Vorfälle - 240 Prozent mehr als in der gleichen Zeit des Vorjahrs. Neun von zehn der dokumentierten Vorfälle seien »israelbezogener Antisemitismus«, teilte Rias mit.

Israel werde die Schuld an den Massakern der Hamas gegeben, der Staat Israel werde dämonisiert und delegitimiert. Besonders bedrohlich wirke es, wenn Wohnhäuser mit Davidsternen markiert würden. Bei Rias wurden allein zehn solcher Fälle in Berlin und Nordrhein-Westfalen gemeldet.

Allein die Berliner Polizei registrierte mehr als 360 Straftaten im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg, wie sie auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. In 121 Fällen handele es sich um Gewaltdelikte. Zudem seien 110 Sachbeschädigungen seit dem 7. Oktober entdeckt worden.

Keine Rechtfertigung für Hass

Die politische Debatte über Ursachen des Antisemitismus und Gegenmaßnahmen ist in vollem Gange. »Das ist einfach ein Wahnsinn, was sich hier gerade Bahn bricht«, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic.

»Wir haben in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus und mit israelbezogenem Antisemitismus.« Familienministerin Lisa Paus sah Versäumnisse in der Bildung. CSU-Generalsekretär Martin Huber prangerte eine »gescheiterte linke Integrationspolitik« an.

Weitgehend einig ist sich die Politik darin, konsequent gegen Hass, Hetze und Gewalt vorzugehen und Juden zu schützen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zeigte sich aber skeptisch gegen eine von der Union geforderte Verschärfung des Strafrechts in Bezug auf antisemitische und anti-israelische Aktionen.

Das Bundesinnenministerium verteidigte die Verbote von israelfeindlichen Demonstrationen. Jeder dürfe in Deutschland seine Meinung frei äußern und friedlich demonstrieren, aber gegen antisemitische Hetze und Gewalt gebe es null Toleranz, sagte Innenstaatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter im Bundestag.

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