Interview

»Offensiv dagegenhalten«

Dieter Graumann Foto: DasPortrait

Herr Graumann, bei der Vollversammlung des World Jewish Congress (WJC) in Budapest ist Deutschland in den Kreis der großen Gemeinden der Welt und damit in den WJC-Vorstand aufgerückt. Was bedeutet das?
Das ist ein Zeichen der Wertschätzung und des Respekts für die jüdische Gemeinschaft Deutschlands. Man spürt überall – in der jüdischen Gemeinschaft Europas und beim Jüdischen Weltkongress –, wie viel Achtung den Gemeinden unseres Landes inzwischen entgegengebracht wird. Das war jahrzehntelang nach der Schoa nicht immer so. Darüber können wir uns nun alle freuen.

Sie sind damit auch neuer Vizepräsident des Weltkongresses. Welche Aufgaben werden Sie dort übernehmen?
Ich will versuchen, auch international umzusetzen, was ich bereits in Deutschland in Angriff genommen habe: Zeichen zu setzen, dass wir ein selbstbewusstes Judentum in der Welt haben und dass wir uns noch mehr verbünden und vernetzen müssen. Bei der Beschneidungsdebatte im vergangenen Jahr haben wir viel Unterstützung aus der gesamten jüdischen Welt erhalten – aber auch zahlreiche besorgte Fragen und große Anteilnahme. Es ist wichtig für uns Juden, zu verstehen, dass wir alle füreinander verantwortlich sind.

War das die Botschaft der WJC-Tagung?
Wir waren in Ungarn, um zu zeigen, dass wir unsere Brüder und Schwestern dort nicht alleine lassen. Wir wollten ein politisches Zeichen setzen. In dem Land breitet sich gerade eine aggressive antisemitische Stimmung aus, ausgehend von einer durch und durch faschistischen Partei, die derzeit drittstärkste Macht im Lande ist. Wer mit dem Faschismus flirtet, muss wissen: Wir sind da, wir passen auf, wir melden uns zu Wort. Und das nicht nur in Ungarn: Wir betrachten auch die Entwicklung des Antisemitismus in Griechenland mit großer Sorge, mit einer Partei, die vielleicht die schlimmste Nazi-Partei in Europa ist. Hier müssen wir sehr viel offensiver dagegenhalten.

Ist das in Budapest gelungen?
Ja, und das bereits im Vorfeld der Tagung vom vergangenen Sonntag. Denn alleine die Tatsache, dass wir Budapest als Tagungsort ausgewählt haben, hatte eine große Signalwirkung. Noch nie haben so viele deutsche Medien über die Situation der Juden in Ungarn berichtet. Wie ich hörte, gab es auch in anderen Ländern eine umfangreiche Berichterstattung. Genau das haben wir erreicht und der ungarischen Regierung damit gezeigt: Wir sind da und fordern eine andere Politik ein.

Mit Unterstützung von Bundesaußenminister Guido Westerwelle?
Ich kann sagen, dass ich auf unseren Außenminister sehr stolz war. Dass ein deutscher Politiker beim Jüdischen Weltkongress standing ovations bekommt, ist etwas ganz Besonderes. Das muss man wirklich würdigen. Er hat es auch verdient. Der Außenminister hat sich zwar mit einer gewissen diplomatischen Zurückhaltung zu Ungarn geäußert, aber doch so, dass es jeder verstanden hat – hoffentlich sogar der ungarische Ministerpräsident.

Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden sprach Detlef David Kauschke.

Interview

»Wir sind ein Impulsgeber«

Zentralratspräsident Josef Schuster über die Internationale Task Force gegen Antisemitismus J7, den deutschen Vorsitz und ein Treffen in Berlin

von Philipp Peyman Engel  05.05.2025

Interview

»Antiisraelische Meinungen und die Stimmungen machen uns Sorgen«

Inessa Myslitska über die Auswirkungen des 7. Oktober auf Jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Drohanrufe und Hilfe für jüdische Flüchtlinge aus der Ukraine

von Oliver Gierens  05.05.2025

Oranienburg

Woidke warnt vor Umdeutung der NS-Geschichte

Manche Geschichtsleugner wollten vom Holocaust nichts mehr wissen, erklärt der Ministerpräsident Brandenburgs (SPD)

 05.05.2025

Berlin

Union und SPD wollen sich zu Umgang mit rechtsextremistischer AfD verständigen

Jens Spahn hatte empfohlen, sie wie andere Oppositionsparteien zu behandeln. Nun äußert er sich erneut

 05.05.2025

Regierung

Mit Davidstern ins Kabinett

Karin Prien wird Deutschlands erste Bundesministerin mit jüdischen Wurzeln. Erst seit wenigen Jahren spricht die CDU-Politikerin öffentlich über ihre Familiengeschichte

von Michael Thaidigsmann  05.05.2025 Aktualisiert

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  04.05.2025

Brandenburg

1200 Menschen gedenken der Befreiung des KZ Ravensbrück

28.000 Menschen wurden in dem Konzentrationslager während der Schoa getötet

 04.05.2025

Umfrage

48 Prozent der Deutschen für AfD-Verbot

61 Prozent der Befragten halten die Partei außerdem für rechtsextrem

 04.05.2025

Meinung

Noch Zweifel?

Auch vor der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem war ihre antidemokratische Haltung offenkundig. Jetzt muss das Verbotsverfahren gegen die Partei endlich in die Wege geleitet werden

von Monty Ott  02.05.2025