Mediendienst Integration

Nach Halle: Länder schützen jüdische Einrichtungen stärker

Pressekonferenz des Mediendienstes Integration am Dienstag in Berlin Foto: dpa

Empathielose Polizisten, mangelhafte Ermittlungen, Fehleinschätzung der Gefährdungslage: Die Vorwürfe der jüdischen Gemeinschaft gegenüber Polizei und Behörden wiegen zum Teil schwer.

Seit dem Anschlag vom 9. Oktober vergangenen Jahres in Halle und dem Prozess gegen den Synagogen-Attentäter Stephan B. vor dem in Magdeburg tagenden Oberlandesgericht Naumburg ist das Thema Sicherheit für jüdische Einrichtungen sehr viel präsenter als vorher.

POLIZEI Laut einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Umfrage des Mediendienstes Integration haben die meisten Bundesländer seitdem zusätzliche Gelder zum Schutz bereitgestellt, etwa für schusssichere Türen, Zäune oder Schleusen am Einlass. Auch würden jetzt jüdische Einrichtungen von der Polizei stärker bewacht.

In Halle aber sei die Gefährdung falsch eingeschätzt worden, konstatiert die Studie.

So habe etwa Sachsen-Anhalt für 2020 und 2021 rund 2,4 Millionen Euro zugesagt, Bayern acht Millionen Euro. Darüber hinaus stelle der Bund 22 Millionen Euro für Umbaumaßnahmen und Sicherungen an Gebäuden für 2020 bereit.

Alle Bundesländer hätten angegeben, bereits vor dem Anschlag in Halle regelmäßig überprüft zu haben, wie sehr jüdische Einrichtungen gefährdet seien. In großen Gemeinden wie Berlin oder Frankfurt laufe die Zusammenarbeit mit den Behörden sehr gut. In Halle aber sei die Gefährdung falsch eingeschätzt worden, konstatieren die Autoren.

MASSNAHMEN Um Vorkehrungen wie Zäune, Poller oder Sicherheitsschleusen mussten sich viele Gemeinden bislang selbst kümmern, hieß es. Einige Gemeinden engagierten zusätzlich einen Sicherheitsdienst oder hätten eigenes Sicherheitspersonal. Diese Maßnahmen seien bisher nur von manchen Bundesländern und dann oft auch nicht vollständig finanziert worden.

Viele Gemeinden konnten sich indes solche Maßnahmen nicht leisten oder blieben auf den Kosten sitzen. Andere mussten ganz darauf verzichten oder andere Spender suchen. So stand trotz der voll besetzten Synagoge in Halle an dem hohen jüdischen Feiertag Jom Kippur am 9. Oktober keine Polizei vor der Tür. Die legendäre Holztür, an der der Attentäter scheiterte, war der Gemeinde von einer jüdischen Organisation bezahlt worden, nicht vom Land.

»Die einzigen, die Empathie und Respekt gezeigt haben, war das Krankenhauspersonal«, sagt die Überlebende des Anschlags.

Der Attentäter sei davon ausgegangen, dass die Synagoge schusssichere Fenster hatte und habe deshalb nicht darauf geschossen, sagte der Journalist und Autor Ronen Steinke. Das Gebäude hatte aber keine Sicherheitsfenster, weil sich die Gemeinde diese nicht leisten konnte und es vom Land dafür kein Geld gab.

Für sein im Juli erschienenes Buch »Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt« hat Steinke zahlreiche jüdische Gemeinden befragt: »Dabei haben sich Defizite gezeigt, für die sich der Rechtsstaat schämen muss.«

ERMITTLUNGEN Naomi Henkel-Gümbel ist Überlebende des Anschlags und Nebenklägerin im Halle-Prozess. Sie sei entsetzt über die mangelhaften Ermittlungen des Bundeskriminalamtes über die Online-Aktivitäten des Attentäters, die in dem Prozess zutage kamen, sagte die angehende Rabbinerin.

Erst eine private Initiative von Wissenschaftlern habe das alles ausführlich recherchiert. Auch seien die Polizisten am Tag des Anschlags im Umgang mit den Synagogenbesuchern genervt und abweisend gewesen. »Die einzigen, die Empathie und Respekt gezeigt haben, war das Krankenhauspersonal«, sagte Henkel-Gümbel.

Jerusalem

Merz: Deutschland wird immer an der Seite Israels stehen

Der Bundeskanzler bekräftigt bei seinem Israel-Besuch die enge Partnerschaft - und hofft auf konkrete Fortschritte bei Trumps Gaza-Plan

von Sara Lemel  06.12.2025

Diplomatie

»Dem Terror der Hamas endgültig die Grundlage entziehen«

Es ist eine seiner bisher wichtigsten Auslandsreisen, aber auch eine der schwierigsten. Kanzler Merz ist für zwei Tage im Nahen Osten unterwegs

 06.12.2025

Jerusalem

Merz trifft Netanjahu und besucht Holocaust-Gedenkstätte

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche von Kanzler Merz - aber auch einer der schwierigsten. In den Beziehungen zu Israel gab es in den letzten Monaten einige Turbulenzen

von Michael Fischer  06.12.2025

Akaba/Jerusalem

Merz zu Nahost-Reise aufgebrochen: Antrittsbesuch in Israel 

Das Renten-Drama ist überstanden, jetzt geht es für den Kanzler erstmal ins Ausland. Heute und morgen steht ein besonderer Antrittsbesuch auf seinem Programm

 06.12.2025

Wien

EBU: Boykott hat keine Folgen für Finanzierung des ESC 2026

Der Gesangswettbewerb steht unter Druck. Die Boykott-Welle hat laut der Europäischen Rundfunkunion aber keine Auswirkungen auf dessen Finanzierung. Es werden aktuell rund 35 Staaten erwartet

 05.12.2025

Offenbach

Synagoge beschmiert, Kinder durch Graffiti eingeschüchtert

Rabbiner Mendel Gurewitz: »Ich war der Meinung, dass wir hier in Offenbach mehr Toleranz zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Religionen haben als etwa in Frankfurt oder in anderen Städten.«

 05.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  05.12.2025

Washington D.C.

Trump plant Übergang in Phase II des Gaza-Abkommens

Der nächste große Schritt erfolgt dem Präsidenten zufolge schon bald. Ein »Friedensrat« soll noch vor Weihnachten präsentiert werden

 05.12.2025

Berlin

Linken-Chef empört über Merz-Reise zu Netanjahu

Jan van Aken regt sich darüber auf, dass er Bundeskanzler Ministerpräsident Netanjahu treffen wird

 05.12.2025