Berlin

Mahnwache für Ghetto-Renten

Mahnwache am Denkmal für die ermordeten Juden Europas Foto: Gregor Zielke

Mit einer Mahnwache haben am Freitag am Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin verschiedene Gruppen protestiert, um auf eine Reform der sogenannten Ghetto-Renten aufmerksam zu machen.

Am Tag des Gedenkens an die Opfer der Nazis veröffentlichten die »Initiative Ghetto-Renten Gerechtigkeit Jetzt!«, die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), die Jüdischen Glaubensgemeinden in Polen und die Vereinigung der Roma in Polen einen offenen Brief an Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD).

Sie wiesen auf die Notwendigkeit einer Korrektur des sogenannten Ghetto-Renten Gesetzes von 2002 hin und kritisieren, dass etliche Menschen, die während der Nazizeit in Ghettos gearbeitet haben, keinen Anspruch auf Rente haben, da sie die nötige Mindestversichertenzeit von 60 Monaten nicht erfüllen.

Sinti und Roma Die meisten Ghettos existierten jedoch von 1939 bis 1943, somit blieben alle, die keine weiteren Beitragszeiten vorweisen können, außen vor. Vor allem betroffen seien Menschen, die als Kinder arbeiten mussten, da NS-Verfolgung erst ab der Vollendung des 14.Lebensjahres anerkannt wird, sowie Sinti und Roma. »Wer nicht ermordet wurde, musste Zwangsarbeit leisten«, sagte Markus Tervooren, Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA.

Das Ghetto-Renten-Gesetz solle »großzügig, statt bürokratisch« überarbeitet werden. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Jewish Claims Conference unterstützen diesen Appell.

Der Verband der Jüdischen Glaubensgemeinden in Polen und die Vereinigung der Roma in Polen appellieren an das Bundestagspräsidium und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, »sich fraktionsübergreifend und einvernehmlich für eine Reform einzusetzen«, betonte Marian Kalwary, der das Warschauer Ghetto überlebt hat und als Bevollmächtigter vom Vorstand der Jüdischen Glaubensgemeinden in Polen agiert. Kalwarys Stellungnahme wurde verlesen, weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Kundgebung teilnehmen konnte.

Ihn bedrücke, so Kalwary, dass er die Rente erhalte, aber viele andere, die ebenfalls Gräueltaten erlebten, sie nicht bekämen. »Wir haben genug gelitten und viel zu lange um die Anerkennung unserer Arbeitsleistungen kämpfen müssen, um nun hochbetagt von der Ghetto-Rente ausgeschlossen zu werden«, heißt es in seinem Schreiben. Diese Angelegenheit sei umso wichtiger, als sie nur eine kleine Gruppe älterer Menschen beträfe, von denen sich viele in einem schlechten gesundheitlichen Zustand und einer schwierigen sozialen Lage befänden.

Verfolgung Edward Debicki, heute 82 Jahre alt, musste als Kind im Ghetto Wlodzimierz Wolynski arbeiten und ließ seine Erlebnisse bei der Mahnwache vorlesen. »Den gesamten Krieg floh ich mit meiner Familie vor der Verfolgung. Als kleiner Junge musste ich gegen ein kleines Entgelt Heizmaterial sammeln, schwere Pakete tragen und in improvisierten Küchen helfen.«

Esther Dischereit, die der zweiten Generation der Holocaust-Überlebenden angehört, erklärte in einem Schreiben: »Die Jüdischen Gemeinden in Polen und die Vereinigung der Roma in Polen müssen eine Regelung anmahnen, die längst hätte getroffen werden müssen.« Niemand könne zusehen wollen, dass den Menschen, die das Martyrium des Ghettos überlebt haben, der Zugang versagt bleibe.

Erinnerung

Gedenken an erste Deportationen aus Berlin am »Gleis 17«

Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, warnte mit Blick auf das Erstarken der AfD und wachsenden Antisemitismus vor einer brüchigen Erinnerungskultur

 16.10.2025

Jakarta

Zwischen Schalom und Boykott

Staatschef Subianto hatte zuletzt Friedensbotschaften an Israel ausgesendet. Bei den Turnweltmeisterschaften in Jakarta sind israelische Sportler hingegen nicht willkommen

von Michael Thaidigsmann  16.10.2025

Hamburg

Zeuge vermittelte Kontakt vor Entführung der Block-Kinder

Wie kamen die mutmaßlichen Entführer in Kontakt mit der Familie Block? Diese Frage beschäftigt das Landgericht Hamburg derzeit im Prozess. Eine israelische Sicherheitsfirma spielt weiterhin eine Rolle

von Stephanie Lettgen  16.10.2025

Meinung

Amichai Chikli: Ein Minister gegen die Diaspora

Statt die Beziehungen zu den Juden außerhalb Israels zu pflegen, gefährdet der Diasporaminister diese. Jüngstes Beispiel: Auf Einladung des Likud-Politikers besucht derzeit der britische Rechtsextremist Tommy Robinson den jüdischen Staat

von Ruben Gerczikow  16.10.2025

Nachruf

Freund der Freiheit, Freund Israels

Richard Herzinger war ein lebenslanger Streiter gegen Autoritarismus und Antisemitismus. Nun ist der Publizist und Ausnahme-Intellektuelle im Alter von 69 Jahren gestorben

von Marko Martin  16.10.2025

Nahost

Trump zeigt Verständnis für mutmaßliche Hamas-Hinrichtungen

Videos sollen zeigen, wie Hamas-Mitglieder brutal mit Rivalen abrechnen. In Ramallah spricht man von »abscheulichen Verbrechen«. Israel sieht aus anderen Gründen einen Verstoß gegen die Waffenruhe

 16.10.2025

Hochschulen

Jüdische Studenten fordern mehr Schutz vor Antisemitismus

Seit dem 7. Oktober hat der Antisemitismus an Hochschulen deutlich zugenommen. Was können Universitäten tun? Die JSUD hat einen Katalog veröffentlicht

von Nikolas Ender  16.10.2025

Berlin

Israel erwartet Aufhebung der Rüstungsexport-Beschränkungen

Die stellvertretende israelische Außenministerin Sharren Haskel verlangt auch die Aufhebung einer Reisewarnung durch das Auswärtige Amt

 16.10.2025

Magdeburg

Rechtsextremistische AfD in Sachsen-Anhalt bei 40 Prozent

In einem Jahr wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Die selbsternannte »Alternative« liegt in den Umfragen vorn und baut ihren Vorsprung noch aus. Wie sieht es im direkten Vergleich der Spitzenkandidaten aus?

 16.10.2025