Berlin

Lkw rast auf Weihnachtsmarkt

Polizei und Rettungskräfte vor Ort Foto: dpa

Ein Lastwagen ist am Montagabend auf einen Berliner Weihnachtsmarkt gerast. Dabei sind nach Polizeiangaben zwölf Menschen getötet und etwa 48 verletzt worden, darunter mehrere schwer. Die Polizei sprach am frühen Dienstagmorgen von einem »vermutlich terroristischen Anschlag«. Ermittler gingen davon aus, dass der Lastwagen mit polnischem Kennzeichen vorsätzlich in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gesteuert wurde, hieß es weiter.

Die Polizei sprach von der Festnahme einer Person, bei der es sich möglicherweise um den Fahrer des Lkw handele. Eine weitere Person aus dem Fahrzeug sei tot geborgen worden. Zur Identität des Fahrers gibt es noch keine offiziellen Angaben. Laut Medienberichten soll der Mann vor einem Jahr nach Deutschland eingereist sein.

Reaktionen Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Nachricht vom Angriff auf die Besucher des Berliner Weihnachtsmarktes »mit großer Bestürzung« aufgenommen. »Wir sind zutiefst erschüttert. Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit, in der sich unsere Gesellschaft auf Werte wie Nächstenliebe, Güte und Frieden besinnt, wurde unser Land durch diesen abscheulichen Angriff erneut ins Mark getroffen«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. »Unsere Gedanken sind bei den Opfern, ihren Angehörigen und Freunden. Den Verletzten wünschen wir rasche Genesung.«

Schuster appellierte: »Unser Denken und Handeln darf dennoch nicht von Terror und Angst vereinnahmt werden. Am 24. Dezember beginnen das Weihnachtsfest und das jüdische Lichterfest Chanukka. Mögen die Botschaften dieser beiden Feste uns Kraft spenden in diesen schweren Stunden.«

Der Jewish Telegraphic Agency sagte Schuster: »Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist durch die gestrigen Ereignisse in Berlin genauso betroffen wie die gesamte Gesellschaft. Die Schutzmaßnahmen der jüdischen Einrichtungen haben leider weiterhin ihre Berechtigung«, betonte er.

Es hätten sich bereits Stimmen zu Wort gemeldet, die diesen Angriff instrumentalisieren und versuchen würden, mit Fremdenfeindlichkeit und Hass die Gesellschaft zu spalten. »Die jüdische Gemeinschaft setzt auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und hat Vertrauen in die deutschen Sicherheitsbehörden und den demokratischen Rechtsstaat.«

Terrorexperte Shlomo Shpiro, Geheimdienst- und Terrorexperte der Bar-Ilan-Universität Tel Aviv, sagte dem Nachrichtensender n-tv, dass er nur wenige Minuten zuvor selbst auf dem Breitscheidplatz war. Er erzählte, dass er dort Berliner und Touristen gesehen und verschiedene Sprachen der Besucher gehört habe. Der Breitscheidplatz sei als symbol- und geschichtsträchtiger Ort mitten in Berlin möglicherweise bewusst für einen Terroranschlag ausgewählt worden, so Shpiro.

Israels Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, zeigte sich entsetzt von dem Anschlag: »Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien. Wir wünschen allen Verwundeten eine schnelle Genesung.« Israel stehe in diesen schweren Stunden an der Seite Deutschlands, sagte der Botschafter. »Dieser Anschlag auf unschuldige Menschen in der Weihnachtszeit muss als Angriff auf die Werte der westlichen Gesellschaft verstanden werden. Terror darf niemals unser Leben bestimmen.«

Frankreichs Oberrabbiner Haim Korsia schrieb auf Twitter: »Mit ganzem Herzen bin ich bei den Berlinern und dem gesamten deutschen Volk. Meine Gebete sind mit Ihnen.« Der World Jewish Congress twitterte: »Unsere Gedanken und Gebete sind bei euch.«

Solidarität Mit Betroffenheit reagierte ebenfalls der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG). In einem Schreiben an den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, drückten SIG-Präsident Herbert Winter und SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner ihre Solidarität mit der deutschen Bevölkerung aus. »In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken auch bei den Juden in Deutschland. Die jüdische Gemeinschaft der Schweiz zeigt sich sehr traurig über den Verlust zahlreicher Menschenleben und drückt den Familien der Opfer ihre tief empfundene Anteilnahme aus. Dieser Anschlag trifft nicht nur Ihr Land, sondern uns alle, unsere freie Gesellschaft und unsere gemeinsamen Werte, die wir gewillt sind, gemeinsam zu verteidigen.«

Unterdessen hat das Jüdische Bildungszentrum Berlin zu einem Gedenkgottesdienst für die Opfer des Anschlags eingeladen. Zu Ehren der Toten und für die Genesung der Verletzten werde am Mittwoch, 21. Dezember, 18 Uhr, in der Synagoge Münstersche Straße in Berlin gebetet, und es werden Kerzen entzündet, heißt es in einer Information von Rabbiner Yehuda Teichtal, Gemeinderabbiner und Vorsitzender des Bildungszentrums: »Wir stehen jetzt alle zusammen. Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Angehörigen und den Opfern.«

Verletzter Die israelische Botschaft bestätigte der Jüdischen Allgemeinen, dass unter den Verletzten auch ein Israeli ist. Die Leiterin des israelischen Konsulats, Liora Givon, habe den Mann im Krankenhaus besucht und bereits mit den Ärzten gesprochen, sagte eine Botschaftssprecherin. Er war nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert und noch in der Nacht operiert worden. Sein Zustand sei inzwischen stabil, sagte die Sprecherin.

Auch die Jüdische Gemeinde zu Berlin »trauert mit den Opfern des gestrigen Anschlags, fühlt mit den Familien der Toten und der Verletzten«, hieß es in einer Presseerklärung am Dienstagnachmittag. »Wir möchten all diesen Menschen unser Mitgefühl zum Ausdruck bringen. Denjenigen, die noch ärztlicher Behandlung bedürfen, wünschen wir die vollständige Genesung«, schrieb der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe. »Wir Berliner schätzen unsere Stadt als tolerant und weltoffen. Wir werden immer dafür kämpfen, dass dies auch so bleibt. Wir werden uns stets dafür einsetzen, dass Menschen verschiedener Herkunft, Religion und sexueller Orientierung hier weiterhin friedlich miteinander leben können.« Terror dürfe auch in Zukunft nicht unser Leben bestimmen. ja/epd

Initiative

Knesset stimmt über Gesetz zu Todesstrafe ab

Wer in Israel tötet, um dem Staat und »der Wiedergeburt des jüdischen Volkes« zu schaden, soll künftig die Todesstrafe erhalten können. Das sieht zumindest ein umstrittener Gesetzentwurf vor

 11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Terror

Netanjahu: Israels Kampf gegen Feinde noch nicht vorbei

Laut Ministerpräsident Netanjahu beabsichtigen die Hamas und die Hisbollah weiterhin, Israel zu vernichten. Die Waffenruhe-Abkommen mit beiden will Israel demnach durchsetzen - solange diese gelten

 11.11.2025

Diplomatie

Al-Schaara schließt normale Beziehungen zu Israel aus

Der syrische Staatschef wurde von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus empfangen. Bei dem historischen Treffen ging es auch um die Abraham-Abkommen

 11.11.2025

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  10.11.2025 Aktualisiert

Würzburg

Zentralrat der Juden fordert mehr Zivilcourage gegen Hass

Beim Gedenken an die Novemberpogrome in Würzburg hat Juden Schuster die grassierende Gleichgültigkeit gegen Judenhass kritisiert

 10.11.2025

Gedenken

Bundespräsident Steinmeier fordert Widerstand gegen Rechtsextreme

Die Demokratie sieht der Bundespräsident so bedroht wie nie seit der Wiedervereinigung. Das Staatsoberhaupt erklärt, was nun aus seiner Sicht passieren muss

von Martina Herzog  10.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025